"Will die Schwedische Koalition zu viele Reformen?", fragt sich Le Soir auf Seite eins. De Standaard bescheinigt den vier Parteien einen "holprigen Start".
In den letzten Tagen waren ja immer wieder eigentlich vertrauliche Informationen an die Presse durchgesickert. Das hatte gleich zu ersten Spannungen unter den Verhandlungspartnern geführt. Vor allem die N?VA sah sich dazu genötigt, klarzustellen, dass die Note der Regierungsbildner Peeters und Michel lediglich eine Verhandlungsgrundlage darstellt. Seine Partei wolle aber noch sichtbare Korrekturen anbringen, machte N? VA-Chef Bart De Wever klar.
Schwedischer Fehlstart
So kann es nicht weitergehen, wettert Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder man verhandelt in totaler Diskretion, in diesem Fall darf es keine Lecks geben und auch keine Testballons. Ansonsten läuft man Gefahr, dass mögliche Maßnahmen quasi von vornherein abgeschossen werden. Oder eben man wählt die totale Transparenz. Das ist die demokratischere Variante, macht die Gespräche aber nicht unbedingt leichter. Was gerade im Moment passiert, also Diskretion gepaart mit Presselecks, das ist ein unhaltbarer Zustand.
Die Mitte-Rechts-Koalition hat nach allen Regeln der Kunst einen Fehlstart hingelegt, urteilt De Morgen. N?VA, CD&V, MR und OpenVLD wollten eigentlich kommunikationstechnisch alles richtig machen, waren mit einer wahren PR-Offensive gestartet. Kaum eine Woche später stehen sie vor einem Trümmerhaufen. Der Ärger insbesondere bei der N?VA ist im Übrigen nachvollziehbar. In dieser Woche ist der Eindruck entstanden, dass die Partei von Bart De Wever nach wie vor behandelt wird wie der Juniorpartner. Dabei ist sie mit Abstand die größte Partei am Tisch. Fazit: Das schwedische Schiff hat Fahrt aufgenommen, aber ein Hafen ist noch nicht in Sicht.
Naja, meint L'Avenir, eine "Schwedische Koalition", das ist vergleichbar mit einem Möbelstück von Ikea. Wenn man sich den Plan anschaut, dann sieht das alles noch sehr einfach aus. Das Zusammenbauen ist dann aber doch eine andere Geschichte. Konkret: Die vier Parteien am Verhandlungstisch sind sich in wesentlichen Punkten einig. Nichtsdestotrotz dürfte es noch ein Kraftakt werden, die verschiedenen Prioritäten in ein stimmiges Koalitionsabkommen zu gießen. Und dann gibt es da noch die vergifteten Dossiers wie Arco oder die Brüsseler Flugrouten. Mal schauen, ob das schwedische Möbelstück dieses Gewicht tragen kann.
"Der große Knall"
Le Soir hat seinerseits den Eindruck, dass die "Schwedische Koalition" möglicherweise die Augen größer als den Magen hat. Die Liste der Reformvorhaben ist lang. Nur sind die fast alle dermaßen komplex, dass jede einzelne dieser Reformen viel Zeit in Anspruch nehmen würde.
Die vier Parteien wollen konsequent die Gunst der Stunde nutzen, analysiert Le Soir in seinem Leitartikel. Alle Beteiligten wollen von dem Umstand profitieren, dass die PS nicht mit am Tisch sitzt. Deswegen wollen sie keine Reförmchen, sondern den großen Knall, eine Verlagerung des Schwerpunktes. Man riskiert aber, sich zu verheben. Erstes großes Problem ist die Finanzierbarkeit. Zudem bergen zu viele dieser Reformen eine beträchtliche Menge an sozialem Sprengstoff.
Genau diese Feststellung scheint sich in L'Echo zu bestätigen. Das Blatt bringt ein Interview mit der scheidenden FGTB-Generalsekretärin Anne Demelenne. "Wir werden eine soziale Hölle erleben", orakelt die Gewerkschafterin. Diese Mitte-Rechts-Regierung, das sei für sie quasi das schlimmstmögliche Szenario. Und sie könne die vier Parteien nur warnen, sagt Anne Demelenne.
"Wer soll das bezahlen?", fragt sich derweil das GrenzEcho in seinem Leitartikel. 17,3 Milliarden Euro muss die Regierung auftreiben. Doch werden die Steuerreform und die angestrebte Senkung der Lohnnebenkosten ebenfalls Geld kosten. Unterm Strich wird man bis zu 25 Milliarden Euro finden müssen. Wo das Geld herkommen soll, weiß niemand. Sicher ist allerdings: Jemand wird die Zeche zahlen müssen.
N?VA hat weiterhin die Spaltung des Landes im Sinn
De Standaard stellt sich seinerseits die Frage nach den wahren Absichten der N?VA. Das Blatt bringt ein Interview mit Bruno De Wever, dem Bruder des N?VA-Chefs. Und dessen Aussage mag verwundern: Die Reformpolitik der künftigen Regierung, die ist der N?VA im Grunde egal, meint der Historiker. Sein Bruder denke vielmehr schon an den nächsten Angriff auf das belgische Staatsgefüge.
Diese Aussagen sind bemerkenswert, meint De Standaard in seinem Leitartikel. Offensichtlich betrachtet die N?VA ihre föderale Regierungsbeteiligung nach wie vor allenfalls als Zwischenetappe. Ziel ist und bleibt die Spaltung des Landes. Und die nächste Attacke auf das belgische System kommt wahrscheinlich früher als man denkt. Fazit: Diese "Schwedische Koalition" wird wohl ein ganz besonderes Experiment.
"IS bedroht Europa"
"IS ist eine unmittelbare Gefahr für Europa", titelt derweil De Standaard. Diese Warnung stammt eigentlich aus dem Mund von US? Verteidigungsminister Chuck Hagel. Insbesondere in Europa drohten jetzt Terroranschläge, meint Hagel.
Die Konsequenz dieser Bedrohung steht auf Seite eins von De Morgen: "Syrienkämpfer werden Top-Priorität", so die Schlagzeile. Die neue Regierung will zwei Gruppen von Leuten künftig viel schärfer im Auge behalten. Zunächst natürlich die jungen Männer, die schon in Syrien sind und irgendwann wieder nach Belgien zurückkommen könnten. Und dann aber auch die Rattenfänger, die die jungen Leute für den Krieg im Mittleren Osten rekrutieren.
Der Westen hat IS viel zu lange unterschätzt, konstatiert L'Echo in seinem Kommentar. Man hätte der Terrormiliz viel früher den Boden unter den Füßen wegziehen müssen. Für Vorwürfe ist es aber jetzt zu spät. Vielmehr muss man jetzt zusammenstehen und gemeinsam auf die Bedrohung reagieren.
"Sag', dass das nicht wahr ist!"
Viele Blätter beschäftigen sich auch heute mit den drohenden Stromengpässen. Am Freitag hatten die zuständigen Minister der amtierenden Regierung erstmals offiziell eingeräumt, dass die Gefahr eines Blackouts durchaus real sei. Das Risiko von Stromengpässen existiere, es seien aber Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden, sagte die amtierende Energiestaatssekretärin Catherine Fonck.
Das setzt dem Ganzen die Krone auf, tobt Het Laatste Nieuws. Dass eine Regierung nicht einmal mehr garantieren kann, dass das Licht nicht ausgeht, sei regelrecht haarsträubend. Das ist ein gewaltiger Imageschaden. Dass ein angeblich hochentwickeltes Land wie Belgien den Naturelementen ausgesetzt ist, dass eine Regierung nicht anders kann, als auf einen milden Winter zu hoffen, dass es sogar inzwischen Abschaltpläne gibt... bitte sag', dass das nicht wahr ist.
Bild: Benoît Doppagne /AFP