"D-Day für die Schwedische Koalition", schreibt De Standaard auf Seite eins. "Für die Schwedische Koalition geht es ans Eingemachte", titelt La Libre Belgique. Heute beginnen die eigentlichen Koalitionsverhandlungen. Erstmals seit drei Wochen kommen Vertreter der vier beteiligten Parteien am Nachmittag zu direkten Gesprächen zusammen.
Als Grundlage dient eine Note, die die Regierungsbildner Charles Michel und Kris Peeters ausgearbeitet haben. Im Mittelpunkt der Verhandlungen dürfte der Haushalt stehen. Die neue Regierung wird bekanntlich 17 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren einsparen müssen.
Die Gespräche dürften denn auch schwierig werden, sind sich die Zeitungen einig. "Auf dem Weg zu einer schwierigen Landung", fasst es De Morgen zusammen. Für La Libre Belgique und La Dernière Heure wartet auf die Schwedische Koalition die "Feuertaufe".
Zahlen und Daten
Der Auftrag ist von gigantischem Ausmaß, bemerkt dazu Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. In den nächsten Wochen wird es im Wesentlichen um Zahlen gehen. Darauf sollten sich die Partner aber nicht beschränken. Eine Föderalregierung muss auch politische Impulse geben; wir brauchen Politiker, keine Buchhalter.
Es wird um Zahlen gehen, aber auch um Daten, glaubt De Standaard. Die EU verlangt von Belgien einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2016. Die Schwedische Koalition würde dagegen lieber 2017 oder 2018 anpeilen. Das wäre aber nur unter einer Bedingung akzeptabel: Neue Schulden sind vertretbar, wenn es dafür gute Gründe gibt.
Zum Beispiel, wenn man dadurch strukturelle Reformen anstoßen kann. Die tragen nämlich mittelfristig auch ihre Früchte. Man sollte jedenfalls nicht sparen um des Sparens willen; lieber umsichtig als stur. In einem Punkt sind sich alle einig: Es wird wehtun.
Wer wissen will, wo die Reise hingeht, der muss nur nach Flandern gucken, empfiehlt L'Avenir in seinem Leitartikel. Dort hat die neue Regierung aus N-VA, CD&V und OpenVLD harte Einschnitte beschlossen, was übrigens schon für viel Aufregung gesorgt hat. Und auf der föderalen Ebene sind ja im Wesentlichen dieselben Parteien am Drücker. Allein die Wallonen glauben, dass man einer Rosskur noch entgehen kann.
Tickende Zeitbomben
Was die Parteien der Schwedischen Koalition verbindet, das ist der Erfolgswille, glaubt De Morgen. Sie wollen alle endlich mal nach über 25 Jahren ohne die PS regieren. Allein diese Aussicht ist der Mörtel dieser Koalition. Doch Vorsicht! Die Gemeinschaftspolitik ist dafür nicht mit einem Mal von der Bildfläche verschwunden.
Man denke nur an die Fluglärmproblematik im Großraum Brüssel. Das ist fast schon vergleichbar mit der BHV-Akte. Und hier könnte es sich rächen, dass die MR auf frankophoner Seite alleine dasteht. Die MR hat hier so gut wie keinen Handlungsspielraum.
Auch Het Laatste Nieuws warnt vor gemeinschaftspolitischen Zeitbomben. Nicht vergessen: In den 1980er Jahren ist die Mitte-Rechts-Regierung Martens-Verhofstadt über ein gemeinschaftspolitisches Problem gestürzt - mit Namen das Voeren-Problem und José Happart.
Ob die Regierung jetzt fünf Jahre oder doch nur sechs Monate hält, die Koalitionsverhandlungen dürften jedenfalls von Erfolg gekrönt sein, glaubt Le Soir. Vor allem die MR braucht diesen Erfolg. Die frankophonen Liberalen pokern hoch. Als alleiniger frankophoner Partner einer Regierung beizutreten, ist der wohl mutigste und zugleich gefährlichste Schritt in ihrer Geschichte.
Dabei muss man aber feststellen: Der MR mangelt es an Politikern mit Kragenweite. Es fehlt auch ein Studienzentrum, das die finanziellen Auswirkungen von politischen Entscheidungen beziffern kann. Jetzt gilt wohl: Erst wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, zeigt sich, wer mauern kann.
Energieprobleme - zweiter Sabotageakt?
"Auch die Stromeinfuhr ist gestört", titelt derweil Het Laatste Nieuws. Demnach ist der Import von Elektrizität aus Frankreich problematisch, nachdem im März ein wichtiger Transformator explodiert war. Auch in diesem Zusammenhang wird plötzlich ein Sabotageakt nicht mehr ausgeschlossen. Genau aus diesem Grund ist ja schon der Reaktor Doel 4 außer Betrieb.
Belgien muss wohl für den Rest des Jahres auf zwei Drittel seiner Kernenergie verzichten. Und wenn selbst die Einfuhr von Strom aus dem Ausland schwierig wird, dann ist ein Blackout wirklich nicht mehr auszuschließen, meint Het Laatste Nieuws.
Es ist schon paradox, notiert dazu Het Belang van Limburg. Früher sah Belgien aus dem Weltraum noch so aus wie Las Vegas. Bald wird man wohl eher an die ehemalige DDR erinnert. Während viele europäische Länder, allen voran Deutschland, konsequent in alternative Energien investiert haben, passierte in Belgien mal wieder gar nichts.
Unsere Energieprobleme sind die Folge von jahrelanger Schlamperei und Dilettantismus. Jetzt muss die neue Regierung schnellstens Abhilfe schaffen. Und diese Verantwortung ist fast schon erdrückend.
Angst vor Terrorismus
"IS schürt auch in Europa Angst vor Terrorismus", titelt De Morgen. Nach dem britischen Premier David Cameron warnt jetzt auch der Antwerpener N-VA-Bürgermeister Bart De Wever davor, dass die Ereignisse im Irak bis nach Europa schwappen könnten. Cameron hatte angesichts des rasanten Vormarsches der Terrormiliz IS vor möglichen neuen Terroranschlägen in Europa gewarnt. De Wever fordert jetzt vom Innenministerium Maßnahmen, um gegen die Radikalisierung von jungen Muslimen vorzugehen.
Was machen wir mit unseren Dschihadisten?, fragt sich auch La Libre Belgique. Gegenüber dem Versprechen eines islamischen Paradieses mögen unsere Gesellschaften in manchen Augen banal wirken. Da gibt es nur eine Lösung: Ausländischstämmige Mitbürger müssen besser integriert werden, damit wir gemeinsame Werte zusammen verteidigen können.
rop - Bild: Benoit Doppagne (belga)