"Tag der Erinnerung", so die Schlagzeile von L'Avenir. "14-18: Weltweites Gedenken", titelt Le Soir. Für La Dernière Heure ist es sogar der "ganze Planet", der sich verbeugt. "Die Welt schaut auf Lüttich", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
An der Seite von Belgien gedenkt heute quasi die ganze Welt des Beginns des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Die "Grande Guerre" begann am 4. August 1914 mit dem Überfall des Deutschen Reiches auf das damals neutrale Belgien. Viele Zeitungen bringen heute Nachdrucke ihrer historischen Titelseiten vom 4. August 1914. Da ist noch vom Ultimatum an Belgien die Rede: Deutschland forderte auf seinem Weg nach Frankreich den freien Durchmarsch durch Belgien. König Albert I. lehnte ab.
Die heutigen Gedenkfeiern in Belgien konzentrieren sich auf drei Städte, nämlich erst Lüttich und dann Löwen und Mons. Es werden Vertreter aus 83 Ländern erwartet.
Begonnen haben die Zeremonien bereits gestern, insbesondere in Thimister-Clermont. Dort wurde des ersten gefallenen belgischen Soldaten gedacht: Antoine Fonck. Insbesondere Le Soir und La Libre Belgique bringen große Artikel über den Kavalleristen und die Gedenkfeiern. König Philippe besuchte auch das Fort Loncin in der Nähe von Lüttich. In den ersten Kriegstagen war die Festung nach deutschem Beschuss buchstäblich explodiert. Über 200 Soldaten liegen bis heute in den Trümmern begraben.
"Die Zahl der Opfer des Ersten Weltkrieges wird seit 100 Jahren deutlich unterschätzt", titelt derweil De Standaard. So geht man inzwischen davon aus, dass 25.000 belgische Zivilisten ums Leben gekommen sind. Das ist fünf Mal mehr als bisher angenommen.
Kein bloßes Gedenken
Heute richten sich alle Augen auf "brave little Belgium", notiert Het Nieuwsblad. 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges muss man aber feststellen, dass die Rüstungsausgaben in der Welt astronomisch hoch sind, vielleicht nicht in Europa, dafür aber in aufstrebenden Nationen wie Indien oder China. Nach zwei furchtbaren Kriegen haben sich die Europäer zusammengerauft. Die Europäische Union ist in erster Linie ein Projekt des Friedens. Doch wachsen auch in Europa die sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten. "Nie mehr Krieg", das ist ein täglicher harter Kampf.
Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg darf nicht zu einer reinen Pflichtübung verkommen, warnt Le Soir. Vielmehr müssen wir gewisse Parallelen vor Augen haben. Beispiel: 1914 sind ausländische Soldaten unter anderem deshalb nach Belgien gekommen, weil die deutsche Aggression internationales Recht missachtete und damit die europäische Ordnung insgesamt in Frage gestellt wurde. Internationales Recht wird heute auch zuweilen mit Füßen getreten, etwa im Nahen Osten oder in der Ukraine. Verteidiger der internationalen Rechtsordnung sucht man aber oft vergebens.
Und noch etwas sollten wir uns vor Augen halten, glaubt De Morgen. Niemand von uns kann wohl wirklich begreifen, wie gut es uns eigentlich geht, wie außergewöhnlich unser Leben ist. Die heutigen Generationen haben das goldene Los gezogen. Und da muss man gar nicht 100 Jahre zurückgehen, es reicht, wenn man in die Ukraine oder nach Gaza schaut. Die Botschaft: Frieden ist nicht selbstverständlich.
Blutbad in Gaza, Kriegsziel verfehlt
Eben nach Gaza blicken heute viele Zeitungen: "Israel zieht sich zurück, aber die Zivilbevölkerung zahlt weiter einen hohen Preis", titelt La Libre Belgique. "Neues Blutbad trotz Rückzug", so auch die Schlagzeile von Le Soir.
La Libre Belgique widmet den Ereignissen im Nahen Osten einen empörten Leitartikel. Nach bislang unbestätigten Statistiken sind seit dem Beginn der Kämpfe im Gazastreifen rund 1.500 Zivilisten ums Leben gekommen. Man spricht von bis zu 10.000 Verletzten. Das hat vor allem mit der Bevölkerungsdichte in dem Gebiet zu tun: Im Gazastreifen leben 5.000 Menschen pro Quadratkilometer. Da sind zivile Opfer quasi nicht zu vermeiden. Aber weder die Hamas noch Israel scheinen sich darum zu kümmern. Ihre Haltung der Zivilbevölkerung gegenüber ist nicht zu rechtfertigen.
Was hat Israel mit seinem Feldzug eigentlich erreicht?, fragt sich Het Belang van Limburg. Es ist Israels größter strategischer Irrtum, zu glauben, dass man seine Sicherheit erhöhen kann, indem man das am dichtesten besiedelte Gebiet der Welt gnadenlos bombardiert. Angeblich wollte man erreichen, dass sich die Bevölkerung gegen die Hamas wendet. Man erreicht aber das gegenteilige Resultat: Die Hamas, die in den letzten Jahren zunehmend an Ansehen verloren hatte, kann wieder in die Rolle des "heldenhaften Verteidigers des palästinensischen Volkes" schlüpfen. Die Bilder der bombardierten UN- Schulen haben Israel zudem schwer geschadet. Da kann man nur sagen: Ziele verfehlt.
Höhere Steuerbelastung?
Viele Zeitungen ziehen eine Zwischenbilanz der Koalitionsverhandlungen. Die beiden Regierungsbildner Peeters und Michel haben gestern erneut dem König Bericht erstattet. Bei der Gelegenheit hat Kris Peeters Meldungen dementiert, wonach Steuererhöhungen schon beschlossen seien. Für Het Laatste Nieuws ist die Erschließung neuer Einnahmequellen aber unvermeidlich. Im Visier seien demnach vor allem Dieselkraftstoff, Tabak und die Mehrwertsteuer.
De Standaard identifiziert sechs gordische Knoten, die die schwedische Koalition zerhacken muss. Die wichtigsten: Man muss 17 Milliarden Euro auftreiben, um den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Zugleich bedarf es Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft. Le Soir glaubt aber, dass die neue Föderalregierung im September stehen könnte.
Bild: Nicolas Lambert/BELGA