"Flugrouten: Der Sieg der Brüsseler", titelt Le Soir. "Die Justiz verordnet das Ende des intensiven Überflugs von Brüssel", so die Schlagzeile von L'Echo. "Der Brüsseler Himmel klart auf", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins.
Das Brüsseler Erstinstanzgericht hat den so genannten Wathelet-Plan in Teilen annulliert. Anfang Februar hatte der damalige Mobilitätsstaatssekretär Melchior Wathelet die Flugrouten am Brussels Airport neu organisiert. Ein erheblicher Teil des Flugverkehrs wurde damit über Brüssel geleitet. Gegen zwei dieser Routen hatte die Region Brüssel geklagt und bekam jetzt also Recht. "De facto werden die Flugzeuge damit wieder über Flandern geleitet", notiert La Libre Belgique.
Neue Runde in Flugrouten-Soap
Das Thema ist gemeinschaftspolitisch aufgeladen, eben weil entweder die Brüsseler oder die Flamen am Nord- und Ostrand der Hauptstadt dem Fluglärm ausgesetzt sind. Und entsprechend sind auch die Meinungen in den Leitartikeln geteilt.
Die Seifenoper um den Flughafen dauert jetzt schon 15 Jahre, bemerkt Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Dabei sollte es sich die Region Brüssel verkneifen, den Sieg vor Gericht allzu laut zu feiern. Die Brüsseler wollen offensichtlich die Butter und das Geld für die Butter: vom Flughafen profitieren, aber die damit verbundenen Belästigungen auf andere abwälzen. Warum zieht man hier nicht endlich ausländische Experten zu Rate, die in dieser Akte frei von jeglichen emotionalen und gemeinschaftspolitischen Argumenten vernünftige Lösungen ausarbeiten könnten?
Nicht nur dieses Land ist voll, sondern auch sein Luftraum, konstatiert De Standaard. Der gemeinschaftspolitische Krieg um den Flughafen Zaventem ist aber vollkommen unnötig. Und die Nachfolgerin von Wathelet, die CDH-Politikerin Catherine Fonck, gießt zusätzlich noch Öl ins Feuer statt auf die Wellen, um sie zu glätten. Warum ist es im Bundesstaat Belgien einfach nicht möglich, in dieser Akte auf Versöhnung und Lösungen zu setzen?
"Ohne Ohrenstöpsel schlafen"
Bei den frankophonen Zeitungen überwiegt derweil die Erleichterung über das Urteil. Die Justiz hat den Wathelet-Plan nach allen Regeln der Kunst abgeschossen, analysiert Le Soir. Demnach hat die Föderalregierung so ziemlich gegen alle Regeln verstoßen. Künftig dürfen nur noch zwei Kriterien in der Waagschale liegen: das Wohlbefinden der Bürger und die Sicherheit. Und genau vor diesem Hintergrund ist es doch klar, dass man nur die Gebiete überfliegt, die am wenigsten besiedelt sind.
Klar ist aber auch, dass alle Beteiligten hier aufrichtig miteinander reden müssen. Das ist ein Test für das föderale Belgien.
Endlich wieder ohne Ohrenstöpsel schlafen, freut sich La Libre Belgique. Der Wathelet-Plan hat die Lebensbedingungen der Brüsseler spürbar verschlechtert. Ist das Problem jetzt definitiv gelöst? Freilich nicht! Jetzt wird der Flugverkehr wieder über Flandern geleitet. Das dürfte die Verhandlungen über eine neue Föderalregierung noch weiter erschweren. Es ist wohl der erste Test für die Partner der Schwedischen Koalition.
L'Echo ist besonders scharf: Der Wathelet-Plan war erwiesenermaßen hirnrissig. Wie kann man denn Flugzeuge über einer Metropole starten lassen, wissend, dass die Startphase die heikelste ist? Die Belgier sollten sich da vom Ausland inspirieren lassen: In Mailand, München oder Berlin hat man die Flughäfen in die weniger besiedelte Provinz verlegt.
Bemerkenswertes Foto
Einige Zeitungen wie Het Nieuwsblad oder Het Belang Van Limburg bringen heute ein bemerkenswertes Foto. Zu sehen sind die beiden Anwälte von Mehdi Nemmouche, dem mutmaßlichen Attentäter, der Ende Mai im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen getötet haben soll. Seine beiden Rechtsbeistände haben sich mit dem umstrittenen französischen Komiker Dieudonné ablichten lassen. Dieudonné ist vor allem bekannt wegen seiner antisemitischen Aussagen und wurde dafür schon mehrmals dafür verurteilt.
Gaza: "Stoppt diesen Wahnsinn"
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute einmal mehr mit dem Krieg im Nahen Osten. "Stoppt diesen Wahnsinn", fordert Het Belang Van Limburg in seinem Leitartikel. Die Gewalt, die die israelische Armee im Gaza-Streifen anwendet, kann man doch nicht allen Ernstes als "verhältnismäßig" bezeichnen. Natürlich hat ein Staat das Recht, sich zu verteidigen. Doch sollte dieser Staat dabei den wahren Ursachen der Gewalt auf den Grund gehen. Die Hamas ist letztlich ein Geschöpf Israels. Statt die weltweite Zunahme von Antisemitismus anzuprangern, sollte Israel nicht vergessen, dass die Ursache dafür das eigene Verhalten ist.
Gazet Van Antwerpen warnt aber vor Vergleichen, die keine sind. Inzwischen kursiert schon das Wort "Gazacaust". Damit ist die Diskussion über den Krieg im Nahen Osten definitiv entgleist. Er wolle nichts mehr über den Holocaust lesen, wettert der Leitartikler. Angriffe auf unschuldige Bürger müssen eingestellt werden. Gleich was in der Vergangenheit passiert ist.
Mulmiger Sommer
De Morgen kritisiert in diesem Zusammenhang die Haltung des belgischen Außenministers Didier Reynders. Der hat sich wohl durch die israelische Kritik an der belgischen Politik einschüchtern lassen, nachdem Belgien ja die Lebensmittelkennzeichen für Produkte aus den besetzten Gebieten ermöglicht hat. Und während selbst die UNO Israel die Verletzung von internationalem Recht vorwirft, eiert Reynders herum und hält sich mit Kritik zurück.
Es ist ein seltsamer Sommer, dieser Sommer 2014, bemerkt Het Laatste Nieuws. Im Nahen Osten wird wieder gekämpft. Auch in Europa herrscht wieder Krieg. Die Gefahr eines Atomkrieges ist wieder größer geworden. Vielleicht war uns bislang nicht bewusst, wie ruhig die letzten 25 Jahre waren.
Foto: Benoit Doppagne (belga)