"865 Tote und kein Waffenstillstand", titelt De Morgen. Das ist die Opferbilanz der neu aufgeflammten Kämpfe im Nahen Osten. Bislang kamen 828 Palästinenser ums Leben, darunter fast 100 Frauen und fast 200 Kinder. Auf israelischer Seite gab es bislang 37 Tote, 35 Soldaten und zwei Zivilisten. Zwar sollen heute für einen Moment lang die Waffen schweigen, eine dauerhaftere Kampfpause lehnt Israel jedoch ab. Bislang konzentrieren sich die Kämpfe auf den Gazastreifen. Aber: "Wenn es in Gaza brennt, dann glüht es in Ramallah", stellt De Morgen fest. Experten schließen jedenfalls nicht mehr aus, dass eine dritte Intifada ausbrechen könnte.
Nahost-Konflikt: Aufschrei von Ärzten
Het Nieuwsblad hebt in seinem Kommentar einen Aufschrei von Ärzten hervor. 120 Mediziner klagen Israel an. Da fallen Worte wie "Kriegsverbrechen" und "Schlachterei". Eine solche Sprache erwartet man nicht von eigentlichen neutralen Ärzten. Die jedenfalls legen buchstäblich den Finger in die Wunde. Und ihre Wut über das belgische Schweigen ist absolut begründet. Israel hat keinen Anspruch darauf, ein weißer Fleck in unserem Gewissen zu sein. Ein Patient ist ein Patient.
"Wie sollen wir in unseren Gesellschaften mit dem Konflikt umgehen?", fragen sich viele Leitartikler. Anlass ist auch eine Kundgebung, die am Freitag in Brüssel stattgefunden hat. 2.800 Demonstranten wollten dabei ihre Solidarität mit den Palästinensern zum Ausdruck bringen. Es war aber eine Demonstration "unter Auflagen", schreibt Le Soir. Eine der Grundbedingungen, Fahnen der Hamas oder der Hisbollah durften nicht gezeigt werden.
Zwischen Solidarität und Antisemitismus
Hier gilt es eine fast unmögliche Gleichung zu lösen, notiert Le Soir in seinem Leitartikel. Konkret: Wie kann man seine Solidarität mit den palästinensischen Opfern zum Ausdruck bringen, ohne sich damit mindestens indirekt zum Sympathisanten von Terroristen zu machen? Die Kundgebung von Freitag fand nämlich zu einem denkbar unglücklichen Zeitpunkt statt: Es war der Al-Quds-Tag, den der Iran 1979 eingeführt hat und in dessen Mittelpunkt die Forderung nach einer Zerstörung Israels steht. Die Stadt Brüssel hat sich sicher nicht mit Ruhm bekleckert, als sie es dem Wolf erlaubt hat, sich zu zeigen mit der Bitte, seine Reißzähne zu verstecken.
"Ein Gespenst geht um in Europa", bemerkt Het Laatste Nieuws. Dieses Gespenst ist nicht der Kommunismus, wie es einst Karl Marx formulierte, sondern: Das Gespenst ist der Antisemitismus. Es ist erschreckend. Im Sommer 2014 sieht man in europäischen Metropolen Slogans wie "Tod den Juden". Vereinzelt brennen auch schon wieder Geschäfte von jüdischen Eignern. Das Internet ist eine willkommene Plattform, um dieses Gedankengut zu verbreiten. Und im schlimmsten Fall gipfelt das Ganze mit einer Kalaschnikow im Eingangsbereich eines jüdischen Museums. Es ist nachvollziehbar, dass der Konflikt im Gazastreifen Mitgefühl hervorruft. Aber das darf nicht als Entschuldigung dienen, um das Untolerierbare zu tolerieren.
Auch L'Echo warnt vor Klischees und Vorurteilen. Seit Jahrzehnten exportiert sich der Nahost-Konflikt in die ganze Welt. Und oft führt das zu oberflächlichem Schwarz-Weiß-Denken: Es gibt die Guten und die Bösen, und wer wer ist, das hängt vom Blickwinkel ab. Dabei ist beides abzulehnen: Antisemitismus ebenso wie Islamophobie. Und gerade bei Friedenskundgebungen hat solches Gedankengut nichts verloren.
"Sparen nicht aus Spaß an der Freude"
In Flandern beschäftigen sich die Zeitungen immer noch mit der neuen flämischen Regierung. "Ich bin nicht verwegen, aber auch nicht ängstlich", sagt der neue flämische Ministerpräsident Geert Bourgeois in der Zeitung De Standaard. Er hofft jedenfalls auf Verständnis für die Sparmaßnahmen seiner Regierung: "Wir sparen nicht aus Spaß an der Freude. Die Menschen sollten begreifen, dass wir noch anders können".
Auch Gazet van Antwerpen bringt ein Interview mit Geert Bourgeois. Zitat auf Seite eins: "Wer hätte jemals gedacht, dass mal ein flämischer Nationalist flämischer Ministerpräsident werden würde", sagt Bourgeois.
De Morgen bringt heute Interviews mit den beiden "Powerfrauen" der Woche: die neue N- VA-Ministerin Liesbeth Homans und die OpenVLD-Vorsitzende Gwendolyn Rutten. Vor allem Rutten steht seit einigen Tagen im Rampenlicht. Sie hat es geschafft, dass ihre Liberalen völlig überraschend doch noch an allen Regierungen beteiligt werden.
"Noël Slangen wollte Medienminister werden, aber das ging nicht"; das ist die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws heute. Noël Slangen, das war einmal der Medienberater des früheren Premierministers Guy Verhofstadt. Ggenauer gesagt war er ein sogenannter "Spindoctor", also jemand, der Politiker berät, wie sie ihr Image in den Medien am besten aufpolieren. Slangen war seinerzeit nicht ganz unumstritten.
Von Ärzten und Lügnern
Im frankophonen Landesteil sorgt die voraussichtliche Föderalregierung nach wie vor für Diskussionsstoff. In La Libre Belgique äußert sich dazu die bisherige PS-Vizepremierministerin Laurette Onkelinx: "Diese Regierung macht mir Angst", sagt Onkelinx. Hier werde all das, was bislang das belgische Gleichgewicht ausmachte, über Bord geworfen.
Ein anderer wird da noch deutlicher: "Charles Michel ist ein Lügner", sagt CDH-Präsident Benoît Lutgen auf Seite eins von Le Soir. Michels Verhalten sei "unwürdig", ihm könne man nichts mehr glauben, sagt Lutgen. Sowohl die CDH als auch die PS werfen den Liberalen vor, die frankophonen Interessen verraten zu haben, als man einer Koalition zustimmte, in der die Frankophonen eindeutig in der Minderheit sind: Die MR verfügt ja nur über gut ein Drittel der frankophonen Sitze.
"Der größte Bauernhof des Landes"
In den frankophonen Zeitungen sind heute außergewöhnlich viele Kühe zu sehen. In Libramont hat die traditionelle Landwirtschaftsmesse begonnen.
"Es ist für ein Wochenende der größte Bauernhof des Landes", bemerkt L'Avenir. Dabei steckt die Branche gleich in mehrfacher Hinsicht in einer existentiellen Krise. Es gibt immer weniger Betriebe. Zugleich werden die Auflagen immer strenger, die Unwägbarkeiten immer größer. Dabei sollte für uns alle eine Frage im Mittelpunkt stehen: Was wollen wir morgen essen?
Bild: Mohammed Abed (afp)