"Niemand will De Wever nachfolgen", titeln Het Nieuwsblad und De Standaard. "Die drohende politische Blockade zwingt den König dazu, eine heikle Wahl zu treffen", so die Schlagzeile von L'Echo.
Nach dem Nein der CDH zu einer Mitte-Rechts-Koalition steht das Land erneut vor einer möglicherweise längeren innenpolitischen Krise. Nach Ansicht von N- VA-Chef Bart De Wever ist zwar noch nichts verloren. Die Zeichen scheinen aber nun eher auf eine klassische Dreier-Koalition aus Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen zu stehen.
"Die MR will eine klassische Dreier-Koalition", schreibt De Morgen auf Seite eins. So zumindest äußert sich der MR-Politiker Olivier Chastel in der Zeitung. Die MR will allerdings Bedingungen stellen: Die Liberalen wollen dann auch in Brüssel und in der Wallonie an den Regionalregierungen beteiligt werden. Die flämischen Christdemokraten CD&V wollen ihrerseits aber bis auf weiteres nicht die N-VA loslassen.
Was jetzt?
Die Situation ist schon ziemlich verfahren, analysiert De Morgen in seinem Leitartikel. Nach dem Ende der De Wever-Mission folgt jetzt wieder eine Phase des Misstrauens und der Zerstörung. Es ist schon paradox: Im Prinzip ist alles möglich, in der Praxis geht im Moment aber nichts. Man kann getrost den schönen Fußball-Sommer genießen. Man muss jedenfalls keine Angst haben, bei der föderalen Regierungsbildung etwas zu verpassen.
"Der König muss jetzt erst Mal dafür sorgen, dass wieder Ruhe einkehrt, meint sinngemäß Le Soir. Für Het Laatste Nieuws muss jetzt eigentlich die PS in die Arena geschickt werden. Het Belang Van Limburg und Gazet Van Antwerpen glauben ihrerseits, dass der König jetzt die MR vorschicken wird. "Reynders oder Michel als Minenräumer", so die Schlagzeile von Gazet Van Antwerpen.
Soll es doch Di Rupo versuchen, fordert giftig De Standaard. Der scheidende Premier meinte doch kürzlich noch, dass es sehr einfach wäre, der bisherigen Dreier-Koalition neues Leben einzuhauchen. Er könnte sich da noch wundern. Di Rupo könnte nämlich feststellen, dass N- VA und CD&V inzwischen fast genauso fest aneinander gewachsen sind wie CDH und PS auf frankophoner Seite.
Het Nieuwsblad appelliert seinerseits an die Parteien, jetzt doch bitte Schadensbegrenzung zu betreiben. Denn eins muss doch klar sein: Die nächste Mission ist - gleich wer sie anführt - zum Scheitern verurteilt. Nachdem De Wever aufgeben musste, darf man davon ausgehen, dass eine Reihe von Protagonisten im Augenblick nicht wirklich Lust hat, sich konstruktiv und mit gutem Willen in eine Alternativoption einzubringen.
Deswegen muss man jetzt aufpassen, dass man keine Brücke abbricht, die man möglicherweise noch braucht. Fazit: Der König sucht eigentlich nach einem Freiwilligen, der keinerlei Ambitionen hat, um eine Option gegen die Wand zu setzen, die nie eine war.
Unternehmenswelt besorgt
Das Nein der CDH hallt jedenfalls auch heute noch nach. "Die Arbeitgeber kritisieren die Absage von Benoît Lutgen", titelt Le Soir. Die vier großen Arbeitgeberverbände des Landes fordern so schnell wie möglich eine starke Regierung, die die nötigen Reformen durchzieht. L'Echo stellt fest, dass sich die Wirtschaftswelt relativ früh zu Wort meldet. Das zeugt davon, dass die Unternehmer aufrichtig besorgt sind.
Und auch das Verhältnis zwischen den Parteien hat sich in den letzten Tagen nur noch verschlechtert. La Libre Belgique spricht auf Seite eins von einem "offenen Krieg" zwischen der CDH und der MR. Zwischen den beiden Parteichefs Charles Michel und Benoît Lutgen geht nichts mehr, bemerkt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Dabei sind sie doch eigentlich Mitglieder ein und derselben Generation, hatte man doch geglaubt, dass sie den Dauerclinch zwischen ihren Vorgängern Milquet und Reynders nicht fortführen würden. Doch was sehen wir jetzt? Zwei Männer, die sich nach aller Regeln der Kunst ignorieren. Was für einen Scherbenhaufen! Und was für ein jämmerliches Spektakel!
… und am Ende entscheidet die PS?
Doch auch in Flandern tut man sich schwer damit, das Nein von Benoît Lutgen zu verdauen. Das gilt auch für die Menschen, die De Wever nicht gewählt haben, notiert Het Laatste Nieuws. In Flandern steht im Grunde die Frage im Raum, ob es wirklich ein Naturgesetz ist, dass am Ende die Parti Socialiste das letzte Wort hat, gleich wie Flandern gewählt hat. Es ist jedenfalls, so glauben viele, nur eine Frage der Zeit, bis sich die CD&V wieder der PS beugt und doch einer Dreier-Koalition beitritt.
Bart De Wever geht jedenfalls nicht als Verlierer vom Platz, glaubt Het Belang Van Limburg. Er hat mit seiner Kompromiss-Note den Beweis erbracht, dass er zu Zugeständnissen in der Lage ist. Besagte Note war im Übrigen quasi die Kopie des CD&V-Programms. Damit hat De Wever wohl die Christdemokraten erstmal an sich gebunden.
De Standaard sieht das ähnlich: De Wever hat gezeigt, dass er schon ziemlich viel Wasser in seinen Wein gießen kann, ohne von seiner Basis zurückgepfiffen zu werden. Man kann jedenfalls nicht De Wever für die spürbare Verschlechterung des politischen Klimas verantwortlich machen. Dafür hat die PS beziehungsweise haben ihre Vasallen gesorgt. De Wever ist gescheitert, aber noch nicht geschlagen.
Zwischen den Zeilen Zeit verloren
Le Soir gibt der CDH jedoch im Wesentlichen Recht. Die Gefahr war einfach zu groß, dass De Wever die Frankophonen in eine Koalition lockt, die unter dem Deckmantel eines sozioökonomischen Programms am Ende doch die Spaltung betreibt. Wir sollten irgendwann offen über Konföderalismus reden, ihn jedenfalls nicht zwischen den Zeilen aufs Auge gedrückt bekommen müssen.
Die CDH will nicht mit der N- VA regieren? Das ist ihr gutes Recht, meint Gazet Van Antwerpen. Der Punkt ist: Das wusste Lutgen schon vor vier Wochen. Seine Verzögerungstaktik und die politischen Spielchen haben uns viel kostbare Zeit gekostet. Zeit, die wir eigentlich nicht haben.
Nicht nett?!
"Ein Mann versaut 15.000 Passagieren ihre Flugreise", so die anklagende Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Dieser "eine Mann", das ist Kurt Callaerts von der christlichen Gewerkschaft CSC. Die CSC hatte bei der Flugüberwachung Belgocontrol das Personal zum Streik aufgerufen; deswegen musste gestern Abend der Luftraum für mehr als zwei Stunden gesperrt werden.
"Ist Albert der Zweite gar kein netter Kerl?", fragt sich schließlich die Wochenzeitschrift Le Vif/L'Express. Das Magazin will jedenfalls das "wahre Gesicht des Königs" enthüllen.
Foto: Benoît Doppagne (belga)