"Neymar, der Erlöser", titelt De Standaard. "Neymar stiehlt allen die Show", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Brasilien hat sich selbst einen Schrecken eingejagt", schreibt La Dernière Heure auf Seite eins.
Die Fußball-WM hat begonnen. Im Auftaktspiel hat Gastgeber Brasilien Kroatien mit 3:1 besiegt. Der Topfavorit war allerdings erstmal in Rückstand geraten. Erst zwei Tore des Superstars Neymar brachten die Wende. Doch stehen gleich wieder die Schiedsrichter in der Kritik, wie Het Nieuwsblad hervorhebt. Der japanische Unparteiische gab am Donnerstag nämlich einen umstrittenen Elfmeter für Brasilien.
Magischer Anstoß in geteiltem Brasilien
Der offizielle Startschuss für die Weltmeisterschaft war gut zwei Stunden vorher erfolgt im Rahmen einer "farbenfrohen Eröffnungsfeier", wie das GrenzEcho schreibt. "Magischer Anstoß", titelt Gazet Van Antwerpen. Symbolisch gab den ein gehbehinderter junger Mann, der mit Hilfe eines so genannten Exoskeletts kurzzeitig das Gehen gelernt hatte und wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben gegen einen Fußball getreten hat. "Ein Traum für einen gelähmten Jungen, ein Fest für Milliarden von Fans", bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt.
"Brasilien verwandelt sich in einen Fußball", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins.
"Wir freuen uns jetzt auf 32 Tage Fest", schreibt Het Belang van Limburg.
Doch es ist ein "gespaltenes Brasilien", das da feiert, hält De Morgen fest. Zwei Fotos, die diesen Graben illustrieren. Oben: schwer bewaffnete Sicherheitskräfte, die Demonstranten in Schach halten. Unten: jubelnde Fußball-Fans im Stadion. Es ist ja so, dass die Streiks und Proteste auch am Donnerstag angedauert haben.
Het Laatste Nieuws hat nur bedingt Verständnis für die WM-Kritiker in Brasilien. Eine Weltmeisterschaft ist eben nicht weggeworfenes Geld. Von der Strahlkraft des weltweiten Ereignisses wird die brasilianische Wirtschaft noch über Jahre hinweg profitieren. Und ehrlich gesagt, meint der Leitartikler: Er wolle bis zum 13. Juli eigentlich keine Misstöne mehr hören, er wolle Fußball sehen.
Wunsch und Realität
Het Belang Van Limburg zieht eine Parallele zwischen dem Fußball und der Politik: Diesmal stimmt die Einstellung, konstatiert das Blatt. Nationaltrainer Marc Wilmots hat es geschafft, nicht nur aus 23 Individualisten eine Mannschaft zu formen, sondern auch gleich das Land hinter die Roten Teufel zu scharen. Wilmots weiß, dass erstmal nur eins zählt: der Glaube an den Erfolg. "Yes, we can". Das gilt im Wesentlichen auch für die Politik. Allerdings: Der Glaube allein macht einen nicht zum Weltmeister. Und auch in der Politik gilt: Man kann sich eine Koalition noch so sehr wünschen, das ist keine Erfolgsgarantie.
Het Belang Van Limburg hat da natürlich Informator Bart De Wever vor Augen, der immer noch alles daran setzt, eine Mitte-Rechts-Koalition auf die Beine zu stellen. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht weiter die frankophone CDH. Die sollte nach den Vorstellungen des Informators zusammen mit der liberalen MR die frankophone Komponente der Regierung bilden. Da gibt es nur ein Problem: "Zwischen CDH und MR ist das Tischtuch zerrissen", wie es De Morgen auf seiner Titelseite formuliert. Beide Parteien vertrauen sich nicht mehr, werfen sich gegenseitig vor, ein falsches Spiel gespielt zu haben. Und die Liberalen verdächtigen zudem die CDH, im Endeffekt im Sinne der PS zu agieren, um wie 2007 dafür zu sorgen, dass die Sozialisten am Ende doch wieder am Verhandlungstisch sitzen.
Nichtsdestotrotz muss Bart De Wever die CDH erstmal dazu überreden, überhaupt über die Teilnahme an einer Mitte-Rechts-Regierung nachzudenken. "Die CDH gerät immer stärker unter Druck", weiß La Libre Belgique. Bart De Wever will demnach die Zentrumshumanisten jetzt schnell dazu bringen, endlich Farbe zu bekennen.
Chaos in Namur
Ein weiterer Grund für das Zerwürfnis zwischen MR und CDH ist das Chaos im Wallonischen Regionalparlament um die Wertung der Wahlen. Wegen einer Reihe von Beschwerden, die der zuständige Wahlprüfungsausschuss zu untersuchen hatte, konnten die Abgeordneten auch drei Tage nach der geplanten konstituierenden Sitzung immer noch nicht ihren Eid leisten. Insbesondere die CDH wirft den Liberalen vor, den Prüfungsausschuss aus parteipolitischen Gründen missbraucht zu haben, um das Parlament erstmal zu blockieren.
Seit drei Tagen geht es in Namur drunter und darüber, stellt L'Echo fest. Die PTB verlangt, dass die Stimmen in Charleroi nachgezählt werden. Der Punkt ist: Sollte die PTB recht haben, dann würde die CDH einen Sitz verlieren. Die wahrscheinliche Koalition aus PS und CDH sollte dennoch nicht zulassen, dass es auch nur den Hauch eines Zweifels am Wahlergebnis gibt.
"Der kluge Mann baut vor"
Was für ein jämmerliches Spektakel, wettert L'Avenir in seinem Kommentar. Hier gibt es nur Verlierer. Wenn nicht in Charleroi neugezählt wird, dann muss sich die Koalition aus PS und CDH fünf Jahre lang vorhalten lassen, den Wähler betrogen zu haben. Wenn man nachzählt und dabei keine Fehler festgestellt werden, dann steht die MR als Brandstifter da. Die Legislaturperiode hat denkbar schlecht angefangen. Die meisten Versprechen wurden auch schon in den Wind geschossen. Aber was soll es? In fünf Jahren, so jedenfalls die zynische Überlegung der Parteien, in fünf Jahren hat der Wähler das alles sowieso vergessen.
Le Soir fordert seinerseits ein Großreinemachen in Namur. Ein solches Chaos darf es nie wieder geben. Das entsprechende Gesetz muss überdacht werden. Wohl wichtigstes Argument: Der zuständige Wahlprüfungsausschuss wird per Losentscheid zusammengestellt. Was wäre denn, wenn der plötzlich mehrheitlich aus Mitgliedern undemokratischen Parteien bestehen würde? Der kluge Mann baut vor.
Bild: Francois-Xavier Marit (afp)