"Wir haben eine Regierung", schreibt De Morgen auf Seite eins. Diese "eine Regierung", das ist die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Viele Zeitungen berichten über die gestrige Einigung zwischen ProDG, PFF und SP. Die meisten widmen dem Ereignis aber lediglich eine Randnotiz, mit Ausnahme natürlich des Grenzechos: "Oliver Paasch Regierungschef, Lambertz Parlamentspräsident", so die Schlagzeile. Auch Het Nieuwsblad und De Standaard heben hervor, dass es einen Wechsel an der Spitze der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt: "Karl-Heinz Lambertz ist nicht mehr Ministerpräsident", schreibt De Standaard.
Einige Zeitungen legen den Fokus auf das Kommuniqué des CDH-Vorsitzenden Benoît Lutgen, das gestern Nachmittag kurz vor Beginn der entscheidenden Sitzung der alten und neuen Koalitionäre veröffentlicht wurde. Lutgen appellierte darin an die Sozialisten und Liberalen, von dem "ultra-regionalistischen Projekt" (Zitat) mit der ProDG Abstand zu nehmen.
Wettlauf zwischen PS und N-VA
In Brüssel hat derweil ein "Wettrennen um Koalitionen" begonnen, wie es La Libre Belgique formuliert. Auf föderaler Ebene sucht Informator Bart De Wever nach Mehrheitspartnern, in der Wallonie und in Brüssel wird die PS heute eine erste Sondierungsrunde einläuten.
"Di Rupo versucht, De Wever auszukontern", fasst es Het Laatste Nieuws zusammen. Offensichtlich sind die Sozialisten darüber beunruhigt, dass Bart De Wever Gespräche mit den Liberalen und den Zentrumsparteien führt mit Blick auf die Bildung einer Mitte-Rechts-Koalition, PS und SP.A würden damit in der Opposition landen. Deswegen hat die PS den Beginn ihrer Koalitionsgespräche vorverlegt.
"De Wever schielt auf die CDH", bemerkt auch Het Nieuwsblad. Die frankophonen Zentrumshumanisten sind in gewisser Weise das Zünglein an der Waage. De Wevers Traumkonstellation wäre eine Koalition mit den Liberalen und den Christdemokraten beziehungsweise Zentrumshumanisten. Das heißt: Auf frankophoner Seite müssten die MR und die CDH mitspielen. "De Wever versucht, die CDH zu verführen", bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt.
La Dernière Heure versucht das Ganze mal aufzudröseln, und zwar in Form einer Mannschaftsaufstellung beim Fußball. Aus Sicht von De Wever sieht es so aus: Er ist der Spielmacher, die Liberalen sind im Angriff, in der Verteidigung ist unter anderem Joëlle Milquet, die Sozialisten sitzen auf der Ersatzbank, aber der Schiedsrichter, das ist CDH-Chef Benoît Lutgen.
De Wevers "Mission impossible"...
De Wever weiß schon, warum er am vergangenen Sonntag bei der N-VA-Siegesfeier etwas bedröppelt dreinschaute, bemerkt L'Avenir in seinem Leitartikel. Er wusste haargenau, dass er nur einen halben Sieg eingefahren hatte. Die N-VA ist nämlich nicht unumgänglich. Im Gegenteil: Die scheidende Mehrheit wurde sogar gestärkt. Damit fehlt De Wever das ultimative Druckmittel. Freiwillig werden die Frankophonen wohl nicht eine Koalition mit einer Partei eingehen, die das Land am liebsten spalten würde.
De Wever steht vor einer aussichtslosen Mission, analysiert auch De Standaard. Eine Mitte-Rechts-Regierung ist so gut wie ausgeschlossen. In der Wallonie hätten MR und CDH nur eine allzu knappe Mehrheit. De Wevers einzige Chance: Er muss die Liberalen und Christdemokraten dazu bringen, einen Block zu bilden. Die Mitte-Rechts-Parteien sollten eine Achse bilden. Ansonsten läuft es am Ende wieder darauf hinaus, dass die PS potentielle Koalitionspartner gegeneinander ausspielt, um sich den zu nehmen, der am gefügigsten ist.
Auch Het Belang van Limburg spürt, dass die Frankophonen dem N-VA-Informator wohl die kalte Schulter zeigen könnten. Es mag so aussehen, als werde das Wählervotum in einem der beiden Landesteile einmal mehr ignoriert. Für die PS ist es deutlich einfacher, einen frankophonen Block zu formieren, als das De Wever auf flämischer Seite gelingen könnte.
… Sozialisten in der Pole-Position
Het Laatste Nieuws fühlt sich an den berühmten Ausspruch der englischen Fußball-Legende Gary Lineker erinnert: "Im Fußball laufen 22 Mann 90 Minuten lang hinter einem Ball her. Und am Ende gewinnt Deutschland." Auf die belgische Politik übertragen: Die PS ist am Ende immer der Sieger. Wieder ist es so, dass die PS in der Pole-Position steht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die N-VA netto 580.000 Stimmen mehr erzielt hat.
Gazet van Antwerpen sieht eine unsichtbare Verbindung zwischen der PS und dem linken Flügel der CD&V. Die Christliche Arbeiterbewegung ACW hat gestern traditionsgemäß an die Enzyklika "Rerum Novarum" von 1891 erinnert. Was man dabei zu hören bekam, erinnerte doch stark an zentrale Punkte des PS-Programms. Und die ACW verfügt immer noch über einen erheblichen Einfluss innerhalb der CD&V.
Le Soir echauffiert sich über eine Meldung, wonach die N-VA im Europaparlament der liberalen ALDE-Fraktion beitreten könnte. Der starke Mann der ALDE ist Guy Verhofstadt. Wie kann ein Mann wie Verhofstadt N-VA-Leute in seiner Fraktion akzeptieren, fragt sich das Blatt. Die N-VA steht für so ungefähr alles, was Verhofstadt bislang lautstark abgelehnt hat.
"Softwarebug" am Pranger
Einige Zeitungen kommen schließlich noch einmal auf die Megapanne bei der Computerwahl zurück. "Die Gründe des Fiaskos", titelt Le Soir. L'Echo und das Grenzecho prangern in ihrem Kommentar den Informatikfehler an. Stimmen zu annullieren, um seinen Frieden zu haben, das ist das Gegenteil von Demokratie, wettert das Grenzecho. L'Echo weist seinerseits darauf hin, dass die verantwortliche Softwarefirma faktisch in den Händen von staatlichen Beteiligungsgesellschaften ist. Das erklärt womöglich auch, warum insbesondere die frankophonen Parteien zu dem Skandal schweigen.
Gute Neuigkeit auf Seite eins von De Morgen: Audi investiert 500 Millionen in sein Werk in Forest, anscheinend sollen bald zwei neue Modelle in Brüssel gefertigt werden.
"Die Welt ist zu dick", so die Aufmachergeschichte von De Standaard heute. Über zwei Milliarden Menschen sind übergewichtig und damit erhöhen sich die Risiken für die Gesundheit.