"Links und rechts sind zurück", titelt De Standaard. Zusammen mit anderen Medienanstalten veröffentlicht das Blatt heute die Ergebnisse einer Analyse der Parteiprogramme in Flandern. Experten der Katholischen Universität Löwen haben die Wahlversprechen durchgerechnet. Im Mittelpunkt zunächst: die von den Parteien vorgeschlagenen Steuerreformen und die Senkung der Lohnnebenkosten. Wichtigstes Fazit: Man kann wieder ganz klar zwischen Linken und Rechten Parteien unterscheiden.
Wahlprogramme durchgerechnet
Konkret: Die Grünen und Sozialisten bevorzugen eindeutig die niedrigen Einkommen bis 2.000 Euro brutto im Monat, für die Besserverdienenden bleibt fast nichts mehr übrig. Bei der liberalen OpenVLD und der N- VA ist es umgekehrt: Hier profitieren die niedrigen Einkommen quasi überhaupt nicht von der vorgeschlagenen Steuerreform. Gewinner sind ganz klar die höheren Einkommen ab 4.000 Euro brutto im Monat. Die christdemokratische CD&V untermauert ihren Status als Zentrums Partei. Bei ihr profitieren die Gehaltsklassen quasi zu gleichen Teilen.
De Standaard kann sich ein Eigenlob nicht verkneifen. "Wir sind stolz darauf, heute eine solche Analyse präsentieren zu können", notiert das Blatt in seinem Leitartikel. Bis jetzt war es so, dass die Parteiprogramme so eine Art Blackbox waren. Die Wahlversprechen waren im Wesentlichen eine Glaubensfrage. Mit dieser Analyse machen wir jetzt einen Riesenschritt in Richtung einer größeren Transparenz. Jetzt weiß der Wähler auch, was die jeweiligen Parteiprogramme für sein Portemonnaie bedeuten. Bemerkenswert ist dabei, dass der Einheitsbrei gar nicht so dick ist, wie man glaubt. Die Unterschiede zwischen den Parteien sind unerwartet groß.
N-VA "knallhart rechts"
Apropos Wahlprogramme: Die N- VA, die ja ohnehin schon sozial-wirtschaftlich ziemlich weit rechts stand, hat ihr Programm nochmal angespitzt: "Erst das Haus verkaufen, dann erst Sozialhilfe", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Das Blatt zitiert dabei den N- VA-Spitzenpolitiker Jan Jambon. Die Menschen sollten sich erst selbst helfen, bevor sie Hilfe vom Staat bekommen, meint Jambon.
Die N- VA bekennt ganz klar Farbe, bemerkt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Das zeigt ja auch die Analyse der Wahlprogramme, wo der rechts-liberale Kurs der Nationalistenpartei sehr deutlich hervortritt. Und mit Schlagzeilen wie "Erst das Haus verkaufen, dann erst Geld vom Staat", positioniert sich die Partei doch sehr weit weg vom politischen Zentrum. Das steht in schrillem Widerspruch zu den Umfrageergebnissen: So weit von der gesellschaftlichen Mitte entfernt und doch eine breite Volkspartei. Das ist in der belgischen Parteiengeschichte einmalig.
Wathelet: Opfer oder Lügner?
Einige Zeitungen ziehen eine Bilanz des so genannten Flugrouten-Streits. "Wathelet ist in eine Falle getappt". Das sagt der ehemalige Chef von Belgocontrol auf Seite eins von L'Echo. Wathelet hätte seinen Flugroutenplan am 6. Februar nie in Kraft setzen dürfen, glaubt der Ex-Direktor der Flugüberwachung, Jean-Claude Tintin. Ein solches Dossier packt man nicht an, sagt Tintin.
Le Soir hingegen glaubt den Beweis gefunden zu haben, dass Wathelet gelogen hat. Einer Studie der Freien UniversitätBrüssel zufolge hat sich Wathelet nicht an das Regierungsabkommen gehalten. Der Plan, der am 6. Februar in Kraft getreten ist, entsprach demnach nicht zu 100 Prozent dem Konsens innerhalb der Regierungsparteien.
"Joëlle Milquet will den Flughafen wieder nationalisieren", so die Titelgeschichte von La Libre Belgique. Milquet ist ja eine Parteifreundin des Mobilitätsstaatssekretärs Wathelet. Und sie sagt: Man kann nicht beides haben: Wenn die Flamen nicht überflogen werden wollen, dann dürfen sie auch nicht finanziell vom Nationalflughafen profitieren.
Nervöse Bocksprünge
"Was haben wir doch in den letzten Tagen für einen Schleuderkurs beobachten müssen?", ärgert sich Het Laatste Nieuws. Erste und wohl wichtigste Frage: Wer ist eigentlich Melchior Wathelet? Mal ehrlich: Der Mann ist Mitglied der kleinsten der sechs Regierungsparteien. Und er ist gerade mal Staatssekretär. Und so einer schafft es am Ende eine Bombe unter der Regierung zu platzieren und am Ende die flämische Regierung noch dazu zu bringen, einen Interessenkonflikt geltend zu machen. In einem anderen ähnlich sensiblen Thema, nämlich im Zusammenhang mit dem Antwerpener Autobahnring, hat die liberale OpenVLD in den letzten Tagen beeindruckende politische Bocksprünge gezeigt. Kein Zweifel: Es wird Zeit, dass gewählt wird.
Die Nervosität innerhalb der Parteien ist inzwischen quasi unbeschreiblich, analysiert L'Avenir. Dies, weil der Einsatz gigantisch ist. Die nächste Legislaturperiode ist bekanntlich von buchstäblich wegweisender Natur: Fünf Jahre lang kann die nächste Koalition - ungestört von Wahlen - frei agieren. Und dabei stehen Reformen an, die Belgien nachhaltig verändern werden. Wer da in der Opposition sitzt, der verpasst sein Rendezvous mit der Zukunft.
De Morgen empfiehlt seinerseits, sich einmal ein Scheibchen von der Welt des Fußballs abzuschneiden. Hintergrund: Vincent Kompany, der Kapitän der Roten Teufel, ist heute Gast-Chefredakteur bei De Morgen. Kompany steht stellvertretend für die enorme Vielfalt innerhalb der Nationalmannschaft und auch in dem Club, der ihm gehört: BX- Brussels. Außerdem scheint sich ungeachtet der ewigen Streitigkeiten zwischen Flamen und Frankophonen das ganze Land hinter die Roten Teufel zu scharen. Man sollte meinen, der Fußball verstehe die Welt besser als die Politik.
Applaus für Brüsseler MoMA
Einige Zeitungen kommentieren heute die geplante Ansiedlung eines neuen Museums für zeitgenössische Kunst in Brüssel.
In seinem Leitartikel kann L'Echo nur applaudieren. Erstens: In Brüssel ist ein solches Museum längst überfällig. Zweitens: Der geplante Standort am Brüsseler Kanal, in einer etwas heruntergekommenen Gegend, ist ideal; die Ansiedelung eines Museums kann das ganze Viertel beleben und nach oben ziehen. Und drittens: Dieser Plan steht stellvertretend für die Rückkehr einer gewissen Ambition; genau daran mangelt es seit Jahren in der Hauptstadt.
Le Soir schlägt in dieselbe Kerbe. Kultur ist in der Regel ein sehr effizienter Wirtschaftsmotor. In vielen europäischen Metropolen hat man das längst feststellen können. In London etwa hat die Tate-Gallery ein ganzes Viertel buchstäblich aus dem Dreck gezogen. Allerdings reicht es nicht, ein solches Projekt anzukündigen; man muss es auch durchziehen. Das Zeitgenössische Museum wird seit Monaten von Künstlern und Politikern aus dem flämischen und frankophonen Landesteil gleichermaßen getragen. Insofern hat das Projekt einen hochsymbolischen Charakter. Auch deswegen darf es auf keinen Fall am Ende im Sande verlaufen.
Archivbild: Virginie Lefour (belga)