"Fluglärm: Es droht eine politische Krise", titelt La Libre Belgique. Für De Morgen ist die Krise innerhalb der Regierung Di Rupo schon perfekt.
Mobilitätsstaatsekretär Melchior Wathelet steht derzeit von allen Seiten unter Beschuss. Auslöser ist der neue Plan, der die Flugrouten am Brussels Airport regelt. Der ist seit Anfang Februar in Kraft und hat insbesondere in Brüssel für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Die Zahl der Menschen, die Fluglärm ausgesetzt ist, hat sich buchstäblich vervielfacht. Als Reaktion hatte Wathelet vor einigen Tagen Korrekturen angekündigt. Dagegen wiederum protestieren jetzt die flämischen Regierungsparteien. "Unglaubliches Durcheinander um die Brüsseler Flugrouten", fasst Le Soir auf Seite eins zusammen.
Die flämischen Vizepremiers jedenfalls haben bei Premierminister Di Rupo schriftlich gegen das Vorgehen von Melchior Wathelet protestiert. Ihrer Ansicht nach hätte jede Änderung an dem Flugroutenplan im Kernkabinett besprochen werden müssen. "Jetzt liegt doch noch eine Bombe unter der Regierung", stellt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite fest. "Wathelet müsse sich beugen oder gehen", zitiert das Blatt eine nicht genannte flämische Regierungsquelle.
"Ein unlösbares Problem"
Zwei Pläne, zwei Crashs, null Lösungen, bilanziert Le Soir frustriert in seinem Leitartikel. Welcher Teufel hat denn den CDH-Staatssekretär Wathelet geritten, als er kurz vor der Wahl noch glaubte, die Büchse der Pandora öffnen zu können? Jeder weiß doch in diesem Land, dass die Akte Fluglärm vergiftet ist. Für die CDH hat sich das Ganze längst zu einer Katastrophe entwickelt, zumal die anderen Parteien in Deckung gegangen sind. Selbst Premier Di Rupo hat sich verkrochen. Und die Bürger, die den Fluglärm ertragen müssen, zahlen die Zeche.
Das Problem ist unlösbar, konstatiert auch La Libre Belgique. Und in der Tat: Man hätte es wissen können. 2003 hatte sich ja schon einmal eine Regierung kurz vor der Ziellinie auf die Nase gelegt, als die Ecolo-Minister Durant und Deleuze wegen eben dieser Akte zurückgetreten waren. Und jetzt ist genau das eingetreten, was Premier Di Rupo um jeden Preis vermeiden wollte: Seine Regierung steckt in der Krise. 17 Tage vor der Wahl kann er seine Equipe nicht einmal mehr zusammenrufen, ohne einen Clash zu riskieren. Das traurige Ende einer Legislaturperiode, schlussfolgert La Libre Belgique.
L'Echo sieht bei all dem nur eine Möglichkeit: ein Moratorium nämlich. Die Regierung muss den Flugroutenplan, der am 6. Februar in Kraft getreten ist, aussetzen. Es muss doch jedem klar sein, dass man in dieser Akte vor der Wahl mit Sicherheit keine Lösung mehr finden wird. Erst nach der Wahl verfügen die Politiker wieder über das, was ihnen im Augenblick schmerzlich fehlt: Zeit.
Autobahnring sorgt für kuriose Koalitionen
In Flandern gibt es noch ein weiteres Streitthema, das zumindest den regionalen Wahlkampf inzwischen beherrscht: Es geht um den Antwerpener Autobahnring. "OpenVLD, CD&V und N-VA kollidieren auf dem Antwerpener Ring", titelt De Standaard. Seit einigen Tagen steht ja die Frage im Raum, ob man gewisse Teilstücke nicht überdachen sollte. Die OpenVLD ist dafür - das bedeutet zugleich, dass die Route, auf die sich die jetzige Regierung geeinigt hat, für die Liberalen ausfällt. Die kann nämlich in Teilen nicht überdacht werden.
"Das Thema Überdachung des Rings landet im Parlament", schreibt Gazet van Antwerpen auf Seite eins. Umweltverbände haben in kürzester Zeit 15.000 Unterschriften gesammelt. Damit erzwingen sie, dass man sie im flämischen Parlament anhören muss. "Hier passiert ja plötzlich was", freut sich Gazet van Antwerpen im Leitartikel. Jetzt wird mit offenem Visier über die Antwerpener Mobilitätspolitik debattiert. Dabei zeigen sich überraschende Bruchlinien und zugleich unerwartete Flirts. Beispiel: Plötzlich gehören die Grünen, die kommunistische PVDA und die Liberalen zu ein und demselben Club, nämlich zu denjenigen, die die derzeit geplante Trasse ablehnen. Wir erleben zweifellos spannende Zeiten.
Duell vor dem Duell
"Peeters und De Wever streiten sich über TV-Debatte", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Beide Spitzenpolitiker können sich demnach nicht auf die Form und das Format eines geplanten Fernsehduells einigen. De Wever will zwölf Minuten mit höchstens zwei großen Themen. Peeters ist das zu wenig, er droht sogar mit einem Boykott.
Het Nieuwsblad kann das ganze Theater in seinem Kommentar nur bedauern. Es ist offensichtlich, dass die N-VA einer Debatte mit dem gewünschten Koalitionspartner CD&V aus dem Weg gehen will. Die CD&V schafft es ihrerseits nicht, sich aus dieser für sie eher peinlichen Umarmung zu befreien. Der Leidtragende ist der flämische Wähler, der ein Recht hat auf ein wirkliches Duell zwischen den beiden Galionsfiguren.
Joëlle und Laurette
De Morgen beklagt seinerseits ganz allgemein den politischen Umgangston. Didier Reynders entgleist mit einer schamlosen Äußerung über die Kindesentführungen, der N-VA-Spitzenpolitiker Ben Weyts erklärt in einer TV-Doku stolz wie Oskar, dass er seine zwei Hängebauchschweine Joëlle und Laurette genannt hat, Bart De Wever und Alexander De Croo geben beide freimütig zu, dass sie keinerlei Kontakt haben und seit einem halben Jahr nicht mehr miteinander reden.
Da sehnt man sich nach den alten Zeiten zurück. Politiker wie Philippe Moureaux und Hugo Schiltz konnten sich früher im Parlament oder bei TV-Debatten quasi bis aufs Blut bekämpfen, im Nachhinein ging man aber respektvoll miteinander um, erkundigte sich gar nach dem Befinden der Familie. Da kann man doch etwas nostalgisch werden.
Eurovisionskater
Einige Zeitungen ziehen eine frustrierte Bilanz des Abschneidens von Axel Hirsoux beim Eurovision Song Contest. Hirsoux war ja im Halbfinale ausgeschieden. "Kann es der VRT Schnuppe sein, wie wir abschneiden?", fragt sich angesäuert Het Laatste Nieuws. Das Blatt vermisst jedenfalls jegliche Selbstkritik bei der VRT, die Hirsoux für Kopenhagen ausgewählt hatte.
Schlimmer noch, klagt Het Nieuwsblad auf seiner Titelseite: "Die VRT macht Witzchen über den Körperumfang von Axel Hirsoux", so die Schlagzeile. Auf Twitter hatte der VRT-Radiosender Studio Brussel den etwas übergewichtigen Sänger als den "einzig wahren Burger King des Landes" bezeichnet.
Archivbild: belga