"Die PS tobt sich aus, die MR hält den Ball flach", resümiert La Libre Belgique. "Rote Familie teilt gegen Rechts- und Linksextrem aus", so die Schlagzeile bei De Standaard. Den ersten Mai haben vor allem die Sozialisten dafür genutzt, um lautstark Wahlkampf zu betreiben.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo findet: Die Liberalen von der MR haben versucht konstruktiv zu sein, sie haben PS und N-VA zwar verbal angegriffen, aber sie namentlich nicht genannt. Ansonsten hat sich die MR darauf beschränkt, ihr Programm vorzustellen. Anders die Sozialisten: Die PS hat alte Dämonen erneut beschworen, um sich gegen Rechts abzugrenzen, aber auch gegen Parteien, die sie von Links bedrohen, so L'Echo.
L'Avenir analysiert: In der Wallonie wird Wahlkampf geführt mit Schreckensszenarien. Die PS warnt vor der neoliberalen Bedrohung, die durch eine Mitte-Rechts-Regierung nach dem 25. Mai das Land verwüsten könnte. Sie zitiert dafür die Jahre Martens-Gol. Die MR ihrerseits sieht Belgien durch ein neues politisches Patt bedroht. Gewänne die PS in der Wallonie und die N- VA in Flandern, könnte die Krise noch schlimmer werden als 2010. Nur eine starke MR könne konstruktive Koalitionsverhandlungen auf föderaler Ebene ermöglichen. Dem Wähler wird also Angst gemacht, ein Klassiker im Wahlkampfgetöse, meint kritisch L'Avenir.
"PS-Vergleiche hinken"
La Libre Belgique greift den Vergleich mit den Jahren Martens-Gol auf und fragt: Waren diese Jahre tatsächlich ein Alptraum, vor dem man sich jetzt wieder fürchten muss? Ganz und gar nicht. Richtig ist zwar, dass Anfang der 80er Jahre eine rigide Sparpolitik in Belgien herrschte. Aber erstens war sie nötig, um das Land wieder auf die Beine zu stellen. Zur Erinnerung: Das Staatsdefizit betrug damals 15 Prozent. Und zweitens hat die Bevölkerung diese Maßnahme nicht als so schrecklich empfunden, wie die PS sie jetzt darstellt. Denn die Christdemokraten und Liberalen wurden 1985 wieder gewählt. Das Belgien von damals mit dem Belgien von heute zu vergleichen ist schlichtweg falsch, resümiert La Libre Belgique.
Het Laatste Nieuws schreibt zu den Sozialisten: Ihr Flehen um Stimmen war vorhersehbar. Aber eigentlich ist es erstaunlich, dass sich ihre Abgrenzungsversuche auch gegen Links richten. Warum es unmöglich scheint, einen starken Block der linken Kräfte zu bilden, bleibt das Geheimnis der Linken. Zumindest im Wahlkampf. Nachher kann schon alles anders aussehen. Wie generell Aussagen zu möglichen und überhaupt nicht vorstellbaren Koalitionen. Wenn man sich zum Beispiel das Programm zur Wirtschafts- und Sozialpolitik von OpenVLD und N- VA anschaut, könnte man schnell den Schluss ziehen, dass diese Parteien gut zusammenpassen. Aber zuzugeben wollen Liberale und Nationalisten das natürlich nicht, schreibt Het Laatste Nieuws.
N-VA kann punkten
Im Kampf zwischen der N- VA und den Sozialisten um den Wahlsieg sieht De Standaard auch nach dem 1. Mai die N- VA im Vorteil: PS uns SP.A haben viel gepoltert und kräftig ausgeteilt, aber die inhaltliche Diskussion um Wahlprogramme haben sie nicht voran gebracht; das ist zurzeit die Stärke der N-VA. Seitdem sie ihr Wirtschafts- und Sozialprogramm in den Vordergrund stellt, kann sie damit bei vielen Wählern punkten. Es spiegelt die Meinung vieler frustrierter Menschen wieder. Es sind Antworten auf die Komplexität unserer heutigen Zeit. Noch haben die Sozialisten dem nichts entgegenzusetzen, findet De Standaard.
Das muss sich generell ändern, sieht Le Soir genau hier die Aufgabe der Politik nach den Wahlen: Parteien und Politiker müssen wieder den Willen der Menschen fördern, sich mit der Komplexität unserer Lebenswelt zu beschäftigen. Denn es ist die Angst vor dieser Komplexität, die die Wähler zu extremen Parteien führt. Diese Angst zu überwinden ist durch Bildung, Wissen und Kultur möglich, schreibt Le Soir.
Erdogan liegt falsch
Zum gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten auf dem Taksim-Platz in Istanbul schreibt De Morgen: Seit einem Jahr gibt es diesen Protest auf dem Platz und er hört nicht auf. Premierminister Erdogan liegt falsch in der Annahme, dass seine jüngsten Wahlerfolge Zeichen der Zustimmung für seine Politik sind. Den wirtschaftlichen Aufschwung haben nicht er und sein korrupter Staatsapparat zu verantworten, sondern die junge, gebildete und bei den Demonstrationen anwesende Bevölkerungsschicht. Sie wird langfristig das Ende von Erdogans Regierungsstil herbeiführen, glaubt De Morgen.