"Erschossen während eines Wochenendes bei der Lieblingstante", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Eiskalter Schütze tötet Ehepaar und das neunjährige Patenkind", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Fast alle Zeitungen berichten heute über den Dreifach-Mord von Visé. Am Freitagabend hatte ein Unbekannter das Feuer auf drei Menschen eröffnet. Ein 37-jährigen Mann, seine Lebensgefährtin und der neun Jahre alte Neffe der Frau kamen ums Leben.
Esteban
Im Mittelpunkt der Berichte steht vor allem der neunjährige Esteban. Der sollte die Nacht bei seiner Patentante verbringen. "Übernachtung mit fatalen Folgen", titelt denn auch Het Belang Van Limburg. Das Blatt geht davon aus, dass Esteban von einem Querschläger getötet wurde, dass es der Killer also nicht auf ihn abgesehen hatte. Het Laatste Nieuws berichtet demgegenüber, dass neueste Untersuchungsergebnisse das Gegenteil suggerieren: Esteban wurde von zwei Kugeln getroffen, das spreche dafür, dass er gezielt erschossen wurde.
Die Hintergründe sind weiter unklar. "Der Täter wollte Rache üben an dem Banker-Ehepaar", schreibt Het Nieuwsblad. Auch Het Belang van Limburg glaubt zu wissen, dass der Dreifach-Mord wohl mit dem Job der beiden Erwachsenen zu tun hat. Beide arbeiteten für dieselbe Bank, der Mann in Ans, die Frau in Verviers. Möglicherweise steckt wohl ein Streit um Geld dahinter, schreibt das Blatt. Möglich sei auch, dass es sich bei dem Täter um einen entlassenen ehemaligen Mitarbeiter der Bank handelt, schreibt Het Laatste Nieuws. La Dernière Heure fasst zusammen: "Der schreckliche Dreifach-Mord von Visé gibt weiter Rätsel auf".
"Wahl-O-Maten"
Der Wahlkampf ist auch heute ein großes Thema. Jetzt, nach dem Ende der Osterferien, blasen viele Parteien zur Schlussoffensive. Passend dazu lancieren einige Zeitungen ihren so genannten "Wahl-O-Mat". Das gilt für La Libre Belgique und De Standaard. Das Prinzip ist immer das Gleiche: Der Teilnehmer bekommt eine Reihe von Fragen gestellt. Anhand der Antworten wird ermittelt, welcher Partei er am nächsten steht.
Wir wollen dazu beitragen, dass der Wähler den Durchblick bekommt, begründet De Standaard die Aktion in seinem Leitartikel. Belgien ist das einzige Land in Europa, in dem die Europawahl vom 25. Mai zusammenfällt mit der Neubestimmung von anderen wichtigen Parlamenten. In normalen Staaten wird - im Gegenteil - darauf geachtet, die Wahlen säuberlich zu trennen, um den Wähler nicht unnötig zu verwirren. Aus Sicht der Demokratie war es ein Fehler, die Wahlen in Belgien gleichzeitig stattfinden zu lassen.
Het Laatste Nieuws hat seinerseits erste Ergebnisse seines eigenen Wahl-O-Mats ausgewertet. Vorläufiges Fazit: In Flandern ist ein Rechtsruck zu verzeichnen. "Der Flame ist streng", titelt das Blatt. Demnach ist es so: Der Flame hat ein Problem mit Asylsuchern, Osteuropäern, Arbeitslosen und Alkohol am Steuer...
Die Solidarität der Flamen kennt Grenzen, urteilt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Für den Durchschnittsbürger im Norden des Landes gilt die Devise: "Von nichts kommt nichts", in dem Sinne, dass wer nimmt, auch geben muss. Wer will, der kann den Flamen als Inbegriff des ängstlichen, weißen Mannes betrachten. Er selbst würde sich eher als streng aber gerecht bezeichnen.
(Überzogene) Erwartungen
Gleich, wie er tickt, verbindet jeder aber gewisse Erwartungen mit einer Wahl. Hier sehen gleich einige Zeitungen eine nicht unerhebliche Gefahr.
Am Ende droht für viele Wähler die eiskalte Ernüchterung, orakelt etwa Le Soir. Wirtschaftswissenschaftler warnen davor, dass die Parteien den Wählern nicht die ganze Wahrheit sagen. Wären sie ehrlich, beziehungsweise würden sie richtig rechnen, dann müssten sie nämlich tiefe Einschnitte ankündigen. Fakt ist tatsächlich: Ab dem 26. Mai müssen sich Politiker finden, die wirklich tiefgreifende Reformen durchziehen, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Dazu wird es Mut bedürfen.
Auch Het Nieuwsblad warnt die Parteien vor überzogenen Wahlversprechen. Welche Macht haben eigentlich noch belgische Regierungen? Diese Frage sei doch erlaubt. Dossiers wie Opel Antwerpen, Ford Genk oder ArcelorMittal haben doch längst die Grenzen des politischen Handlungsspielraums aufgezeigt. Wer große Veränderungen, gar eine Revolution propagiert, der läuft Gefahr, von der Realität eingeholt zu werden.
Stratego
Vor allem in Flandern ist derweil das politische Taktieren in eine neue Phase eingetreten. Der CD&V-Vorsitzende Wouter Beke hatte sich am Wochenende klarer als bisher von der N- VA distanziert. Postwendend meldete jetzt die N- VA Anspruch auf den flämischen Ministerpräsidenten an. Falls die Nationalisten stärkste Kraft werden, wollen sie auch die Führung in der flämischen Regierung übernehmen.
Parteichef Bart De Wever hat jetzt auch eine Kandidatin benannt: Liesbeth Homans, die rechte Hand von De Wever im Antwerpener Rathaus. "Homans schielt auf den Stuhl von Kris Peeters", schreibt denn auch unter anderem Het Belang Van Limburg. Peeters selbst reagiert heute auf der Titelseite von De Morgen: "Peeters warnt vor der N- VA", so die Schlagzeile. Sollte die N-VA den nächsten flämischen Ministerpräsidenten stellen, dann drohe das Chaos, sagt der Amtsinhaber.
Das ist die altbekannte Strategie eines jeden Verantwortungssträgers: "Entweder ich oder das Chaos". Im vorliegenden Fall kann das aber teilweise stimmen. Wenn die N- VA wirklich ihre neoliberale Agenda umsetzen will, dann wäre es um den Sozialen Frieden geschehen. Die Botschaft richtet sich eindeutig an die flämischen Unternehmer.
Gazet Van Antwerpen nimmt das ganze Getöse seinerseits nicht so ernst. N- VA und CD&V bleiben die wahrscheinlichsten Koalitionspartner. Und wenn die N- VA die CD&V zu einer Zusammenarbeit überreden will, dann wird sie nicht zögern, dafür den Preis zu zahlen.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)