"Es geht jeden Tag ein bisschen besser", schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen auf Seite eins. "Ich werde das überleben", steht auf der Titelseite von De Morgen. "Ich will noch Jahre ein normales Leben führen", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Das sind Zitate von Altpremier Jean-Luc Dehaene. Dehaene ist vor einigen Wochen operiert worden und hat danach eine Therapie begonnen. Der 73-Jährige leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Jetzt hat er sich mit Interviews in fast allen Zeitungen eindrucksvoll zurückgemeldet. Und er strahlt ungebrochenen Lebenswillen aus.
"Viele Leute hatten mich schon beerdigt", sagt er in De Standaard. "Dabei ist mein Onkel 1996 wegen desselben Problems operiert worden und lebt bis heute", gibt sich Dehaene in Le Soir kämpferisch. Und seinen Humor hat er auch nicht verloren: "Mich seid ihr noch nicht los", sagt der Bulldozer in altbewährter Manier in L'Echo. "Ich mache jetzt eine Diät, zum großen Erstaunen meiner Frau", sagt Dehaene in Het Nieuwsblad.
Politische Tipps von Altpremier Dehaene
"Vom Leben hat er sich nicht verabschiedet, wohl aber von der Politik", analysiert De Morgen. Das hindert den Altpremier aber nicht daran, der heutigen Politikergeneration noch ein paar Tipps mit auf den Weg zu geben. "Verplempert nicht die nächsten fünf Jahre", zitiert ihn Le Soir. In der Tat: In der kommenden Legislaturperiode öffnet sich ein Fenster mit quasi fünf Jahren ohne Wahlen. Das gibt der nächsten Regierung freie Hand für wirklich tiefgreifende Sparmaßnahmen und Reformen, glaubt Dehaene.
Er weiß, wovon er redet, stellt Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel fest. Schon in den 1980er Jahren war er der Motor hinter den Sparmaßnahmen der Regierung Martens-Gol. Und er war ja auch der Architekt des sogenannten Globalplans Anfang der 1990er Jahre. Wenn man ihn auf einen möglichen Indexsprung anspricht, dann lächelt er nur. Dabei hatte er gleich mehrere Aussetzungen der Lohn-Index-Bindung durchgesetzt. Inzwischen wurde ein Indexsprung aber von den linken Parteien zum Tabu erklärt. Über die Rezepte von 1984 darf man heute nicht einmal mehr nachdenken, beklagt Het Laatste Nieuws.
Abschlusszeugnis für Di Rupo & Co
Le Soir und De Standaard vergeben heute Zeugnisse. Bewertet wird zunächst die Leistung der Regierung Di Rupo I. Das Fazit von De Standaard: "Es gibt vielleicht keinen Schönheitspreis, die Regierung hat aber durchaus Erfolge vorzuweisen." Innerhalb der Regierungsmannschaft bekommt Premier Di Rupo von De Standaard eine gute 7 auf 10; in Le Soir ist es ein bisschen weniger. Der beste Minister war für beide Zeitungen der SP.A-Vizepremier Johan Vande Lanotte. Bezeichnend: Beide Zeitungen, De Standaard und Le Soir, bewerten einige Minister unterschiedlich, je nachdem, welche Sprache sie sprechen. Außenminister Didier Reynders bekommt in De Standaard 57 Prozent und in Le Soir 68 Prozent, mehr als Premier Di Rupo.
Apropos Zeugnisse: "Die Parteien können nicht rechnen", titelt De Morgen. Das ist die Einschätzung eines Wirtschaftswissenschaftlers, der die Wahlprogramme der flämischen Parteien durchgerechnet hat. Sein Fazit: Würden alle Parteien richtig rechnen, dann müssten sie viel tiefgreifendere Sparmaßnahmen ankündigen, als sie es tun...
Reif und hirnlos zugleich
La Libre Belgique bringt heute den letzten Teil des Politbarometers. "Einer von zwei Belgiern ist gegen die Wahlpflicht", titelt das Blatt. Ein Wahlrecht ab 16 Jahren, wie es immer mal wieder vorgeschlagen wird, lehnt die große Mehrheit der Befragten ab.
Genau das findet La Libre Belgique in ihrem Leitartikel paradox. Die übergroße Mehrheit der Belgier ist gegen ein Wahlrecht mit 16. Wenn es dagegen um Kommunale Verwaltungsstrafen geht, dann hat niemand was dagegen, das Mindestalter auf 14 herabzusetzen. Manchmal ist man also mit 14 reif genug, mit 16 dann aber plötzlich wieder hirnlos. Logisch ist das nicht.
Krisenresistent
Le Soir, L'Echo und L'Avenir beleuchten heute den belgischen Immobilienmarkt. "Die Branche kennt keine Krise", stellt Le Soir auf seiner Titelseite fest. Trotz stotternder Konjunktur und suboptimalen Marktbedingungen klettern die Preise weiter. "Brüsseler Häuser sind wieder heiß begehrt", analysiert L'Echo. In der Hauptstadt steigen die Preise deutlich stärker als im nationalen Durchschnitt.
Hier werden die Unglückspropheten einmal mehr Lügen gestraft, meint L'Echo in seinem Leitartikel. Wie oft haben uns Pessimisten schon einen großen Knall am Immobilienmarkt prognostiziert? Wie oft hat man schon gesagt, dass die Preise überbewertet sind und sich eine Immobilienblase bildet? Selbst im vergangenen Jahr, das ja von der Wirtschaftskrise geprägt war, ging es weiter aufwärts. Mal schauen, welche Prognosen sich in diesem Jahr als falsch erweisen werden.
Die Schere zwischen Arm und Reich
L'Avenir ist in diesem Zusammenhang weitaus weniger enthusiastisch. Grundfeststellung: Immer weniger Belgier können sich ein Eigenheim leisten. Die Zahl der Haushalte, für die Mieten und Wohnen quasi zum Luxus geworden ist, nimmt stetig zu. Auf der anderen Seite werden auch durch die Wertsteigerung der Immobilien die Reichen noch immer reicher und das, ohne einen Finger zu krümmen.
Genau da setzt auch De Morgen den Hebel an. Das Blatt befasst sich in seinem Kommentar mit den jüngsten Zahlen der Nationalbank über die Besitztümer der Belgier. Demnach beläuft sich das rein finanzielle Vermögen der Bürger in diesem Land auf über 1.000 Milliarden Euro. Schaut man aber genauer hin, dann stellt man fest, dass sich 70 bis 80 Prozent der Bürger unter dem Durchschnitt bewegen, konstatiert De Morgen. Ergo: Der Reichtum in diesem Land ist extrem ungleich verteilt. Und da gibt es da noch Parteien wie die N-VA, die insbesondere die Löhne weiter beschneiden wollen, was vor allem Otto Normalverbraucher ärmer machen wird. Solche Parteien tragen dazu bei, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch größer wird.
Streik wegen Witzchen?
"Bei der SNCB liegt Streik in der Luft", schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen. Anfang Mai könnten die Gewerkschaften zu einer allgemeinen Arbeitsniederlegung aufrufen. Unmittelbarer Anlass ist ein neues Buch des früheren SNCB-Chefs Marc Descheemaecker, der inzwischen auf einer N-VA-Wahlliste steht. Der hat sein Buch mit Witzchen gespickt - Beispiel: "Wissen Sie, wie viele Menschen bei der Staatsbahn arbeiten? Antwort: Die Hälfte"...
Und das ist also für die Gewerkschaften Grund genug, gleich wieder zum Streik aufzurufen?, tobt Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Wegen einer solchen Lappalie will insbesondere die FGTB gleich wieder den kompletten Zugverkehr lahmlegen und zehntausende Menschen als Geiseln nehmen? Das ganze wird doch langsam lächerlich. Das Streikrecht ist hierzulande nach wie vor eine Heilige Kuh, der sich alles andere unterordnen muss.
Archivbild: Benoit Doppagne (belga)