"Regierung stolpert kurz vor dem Ende", titelt Le Soir. De Standaard meint: "Mehrheitspartner schlagen sich grün und blau". "Untergangsstimmung in der Kammer", schreibt La Libre Belgique.
Die Saga um die Vergabe des Familiennamens an Neugeborene hat am Abend im föderalen Parlament ein vorläufiges Ende gefunden. Eine Wechselmehrheit aus Liberalen, Sozialisten und Grünen hat für die umstrittene Änderung gestimmt. Die flämischen Christdemokraten stimmten dagegen. Die CD&V hält das neue Gesetz für diskriminierend gegenüber Frauen. Eltern haben künftig die Wahl: Sie können ihrem Baby den Nachnamen des Vaters, der Mutter oder einen Doppelnamen geben. Können sich die Partner nicht einigen, erhält das Kind den Namen des Vaters.
"Das Verhalten vor allem der Liberalen von der Open Vld ist in höchstem Maße unkollegial", sagt Raf Terwingen in Het Belang van Limburg. Die entscheidende Abstimmung im Ausschuss fand ohne den CD&V-Abgeordneten statt, weil er mit seinem Parteichef telefonierte.
Was für ein desaströses politisches Spektakel, kritisiert auch L'Avenir. Sozialisten und Liberale haben ihre christdemokratischen Kollegen einfach überrollt. Viele Fragen bleiben offen: Warum musste dieses umstrittene Gesetz so kurz vor der Wahl in einer so angespannten und nervösen Stimmung durch das Parlament gepeitscht werden?
Het Belang van Limburg fügt hinzu: Die Gesetzesänderung geht zwar in die richtige Richtung, viele Details sind aber weiter höchst umstritten. Deswegen hätte sie nicht angenommen werden dürfen.
Sechs-Parteien-Koalition schwer angeschlagen
Le Soir spricht sogar vom Ende der Sechs-Parteien-Koalition. Die Regierung arbeitet zwar noch, aber die Mehrheit im Parlament kommt nicht mehr nach. In Flandern sind es vor allem CD&V und Open Vld, die sich zerfleischen. Im Süden des Landes greifen sich PS und MR immer heftiger an. Zwei Monate vor einer Wahl ist dagegen eigentlich nichts einzuwenden. Wenn, ja wenn es nicht zu solchen dummen, selbstmörderischen Streitigkeiten kommen würde. Ein Sturz der Regierung so kurz vor dem Ziel - nun nicht mehr ganz auszuschließen. Bei der N-VA reibt man sich bereits die Hände, ist Le Soir überzeugt.
Gazet van Antwerpen findet: Die CD&V hat in den letzten Wochen und Monaten einiges schlucken müssen. Die Erweiterung der Sterbehilfe auf Minderjährige, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, die Namensreform und jetzt auch noch die 1- und 2-Eurocent-Münzen. Entgegen aller Erwartungen werden sie doch nicht abgeschafft. Die sozialistische PS hat die Maßnahme jetzt blockiert.
Wilders: "Weniger Marokkaner in den Niederlanden!"
De Morgen befasst sich mit dem Ausgang der Kommunalwahlen in den Niederlanden. Für Aufsehen sorgt der Rechtspopulist Geert Wilders. Er hatte seine Anhänger vor laufenden Kameras skandieren lassen: "Weniger Marokkaner in den Niederlanden". Er selbst fügte hinzu: "Wir erledigen das für euch". Die Zeitung meint: Wilders' Aussage fällt nicht mehr unter die freie Meinungsäußerung, sondern ist ein Aufruf zur Fremdenfeindlichkeit. In Belgien hat der sogenannte "cordon sanitaire" seinen Nutzen bewiesen. Der rechtsextreme Vlaams Belang ist zu einer politischen Randerscheinung geworden. Die Wähler sind zu einer in Sachen Migrationsfragen durchaus kritischen, aber nicht rassistischen Partei abgewandert.
EU-Sanktionen und Abschaffung des Bankengeheimnisses
La Libre Belgique berichtet über den EU-Gipfel in Brüssel. Die Europäische Union hat ihre Sanktionen gegen Russland wie Einreiseverbote und Kontensperrungen verschärft. Inzwischen werden sogar wirtschaftliche Strafmaßnahmen ernsthaft in Betracht gezogen. Kurzfristig werden die 28 EU-Staaten aber auch darüber reden müssen, welches Verhältnis sie zu dem neuen Russland von Wladimir Putin unterhalten wollen.
L'Echo bemerkt, dass das Bankengeheimnis innerhalb der EU abgeschafft wird. Auch Österreich und Luxemburg haben dem Vorhaben gestern Abend zugestimmt. Bis 2017 soll das Steuerabkommen stufenweise eingeführt werden. Der Informationsaustausch beginnt aber bereits in wenigen Monaten. Das dürfte das Leben der Steuerhinterzieher erheblich erschweren, meint das Blatt.
Ausnahmezustand wegen Obama-Besuchs
Fast alle Zeitungen berichten über den Besuch des amerikanischen Präsidenten in Belgien. Het Nieuwsblad titelt: "Ab Dienstagabend gilt für 24 Stunden der Ausnahmezustand". Im westflämischen Waregem, wo Barack Obama einen Soldatenfriedhof besuchen wird, werden die Einwohner unter Hausarrest gestellt. Brüssel, wo der US-Präsident auch übernachtet, wird zeitweise lahmgelegt. 2.000 belgische Polizeibeamte und Hunderte amerikanische Agenten sollen für Sicherheit sorgen. "Wir werden den Eindruck haben, dass die Amerikaner unser Land eingenommen haben", meint die Zeitung.
Het Laatste Nieuws fügt hinzu: Bis Anfang April ist Brüssel der Nabel der Welt. Neben US-Präsident Obama werden noch der chinesische Staatspräsident Xi erwartet, UN-Generalsekretär Ban, die russischen und amerikanischen Außenminister Lawrow und Kerry sowie dutzende Staats- und Regierungschefs zum EU-Afrika-Gipfel. Kosten für die Polizei: mindestens zehn Millionen Euro.
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