"Entscheidet sich die Krim für Russland?", fragt sich De Standaard. An diesem Sonntag findet auf der Halbinsel im Schwarzen Meer das umstrittene Referendum statt, bei dem sich die Bürger entweder zur Ukraine oder zu Russland bekennen sollen.
Beobachter machen sich da nicht sehr viele Illusionen: Das Referendum dürfte wohl zugunsten Russlands ausfallen. Seit Ende Februar wird die Krim durch Russland-treue Truppen besetzt. Zwischen der Halbinsel und der Ukraine haben die Besatzungstruppen bereits eine veritable Grenze installiert, berichtet Le Soir.
Krim zwischen Abwarten und Angst?
Freitag waren die Außenminister der USA und Russlands, Kerry und Lawrow, zu einer letzten Krisensitzung zusammengekommen. "Das Treffen der letzten Chance endet ohne Ergebnis", schreibt Het Belang Van Limburg auf Seite eins. Der russische Außenminister Lawrow hat klargemacht, dass die Krim-Halbinsel für Russland strategisch von zentraler Bedeutung ist.
"Die Krim ist für Russland mehr als die Falklandinseln für Großbritannien", zitiert De Standaard den russischen Außenminister. Dabei darf man nicht vergessen: Großbritannien hat wegen der Falklandinseln in den 1980er Jahren einen Krieg mit Argentinien geführt. US-Außenminister Kerry bleibt seinerseits bei seinem Standpunkt, dass die USA das Referendum in jedem Fall nicht anerkennen werden.
"Die Spannungen zwischen den Mächten nehmen zu", stellt auch La Libre Belgique fest. Und auch auf der Krim-Halbinsel steigt die Nervosität. "Die Krim zwischen Abwarten und Angst", bringt es Le Soir auf den Punkt. Das gilt vor allem für die muslimischen Krim-Tataren, die erst seit einigen Jahren wieder in ihre alte Heimat zurückkehren dürfen und in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen mit den Russen gemacht haben.
Krim-Referendum: eine Farce
De Standaard widmet der Lage in der Ukraine einen düsteren Kommentar. Der russische Präsident Wladimir Putin weiß ganz genau, dass es in der Politik kein gewichtigeres Argument gibt als die vollendeten Tatsachen. Im Augenblick biegt sich Moskau sein Weltbild zurecht. Das Referendum ist denn auch nicht mehr als eine Farce.
Und trotz der Tatsache, dass das bisher praktizierte Appeasement bislang eher noch für eine weitere Eskalation gesorgt hat, bleibt Europa passiv. Wie müssen sich wohl die Menschen in Polen oder in den baltischen Staaten fühlen? Und welches Bild mögen sie wohl von Europa haben? Jedem muss doch längst klar sein, dass niemand mehr aus dieser Krise herauskommt, ohne einen Preis gezahlt zu haben. Möge Gott verhindern, dass die Währung am Ende Blut ist, meint De Standaard.
Die Krim ist nicht das Kosovo, bemerkt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Abspaltung der Krisenprovinz Kosovo von Serbien wird von Moskau gerne als Argument vorgeschoben, quasi als Blaupause für die baldige Annektierung der Krim. Dieser Vergleich hinkt aber gewaltig.
Anders als die albanisch-stämmige Bevölkerung im Kosovo sind die Russen auf der Krim nie unterdrückt worden. Im Endeffekt macht Russland nichts anderes als ein russischsprachiges Gebiet zu annektieren, nach dem Motto: Da, wo es Russen gibt, ist Russland.
Die Krimkrise und das Geld
Es gibt wohl nur noch einen Faktor, der wirklich Einfluss hat auf die Frage, ob die Lage in der Ukraine weiter eskaliert oder nicht, konstatiert L'Avenir. Und dieser Faktor ist schlicht und einfach das liebe Geld. Selbst innerhalb der russischen Macht-Elite werden immer mehr Stimmen laut, die vor den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Konflikts eindringlich warnen.
Schon vor dem Krim-Krise schwächelte die russische Wirtschaft. Und jetzt könnte sich auch das westliche Kapital gänzlich aus Russland zurückziehen. Finanzielle Erwägungen werden ohne Zweifel den weiteren Verlauf der Krise beeinflussen. Die Frage ist nur, in welche Richtung, schreibt L'Avenir.
Doch nicht nur Russland, sondern allen voran der Krim droht eine wirtschaftliche Katastrophe, orakelt L'Echo. Sollte die Halbinsel von der Ukraine abgeschottet werden, dann steht sie im wahrsten Sinne des Wortes alleine da. Es gibt keine Landgrenze zu Russland. Eine versprochene Brücke zwischen der Halbinsel und Russland ist nicht mehr als eine Idee.
Die Krim hängt in weiten Teilen von der Ukraine ab. Und lebt zudem vom Tourismus. Aber hat die Geschichte nicht häufig genug gezeigt, dass Nationalismus gepaart mit militärischer Gewalt stärker ist als die Vernunft?
PS vs. PTB
Viele Zeitungen analysieren auch heute das Wahlprogramm der PS, das die frankophonen Sozialisten am Donnerstag vorgestellt hatten. Die Partei plädiert insbesondere für eine Reichensteuer. PS-Chef Paul Magnette verteidigt die Idee in einem Interview mit der Zeitung L'Echo: "20.000 Euro Steuern bei einem Vermögen von zwei Millionen, das ist doch keine Katastrophe", sagt Magnette.
Beobachter diagnostizieren der PS eine Panik-Reaktion angesichts der guten Umfrage-Ergebnisse der linksextremen PTB-Go. L'Avenir stellt die Konzepte der beiden Parteien gegenüber und stellt fest: Die Vorschläge der PS erinnern doch häufiger mal an die Rezepte der PTB.
Le Soir widmet der aufstrebenden Links-Partei sogar einen vierseitigen Sonderteil. Im Mittelpunkt die Frage: Ist die PTB wirklich geläutert? Bis vor kurzem war die PTB nämlich noch eine klassische revolutionäre kommunistische Partei, deren Modell die Sowjetunion war. Und zumindest einige der Führungspersönlichkeiten halten immer noch an ihren alten, ideologischen Grundsätzen fest, stellt Le Soir fest.
Mutter aller Wahlen?
Stichwort Wahlen: Het Laatste Nieuws stellt sich im Leitartikel die Frage, ob das Getöse um den 25. Mai nicht ein wenig überzogen ist. Da ist immer von der "Mutter aller Wahlen" die Rede. Davon hat es hierzulande aber schon viele gegeben. Dass der eine oder andere dem Urnengang schon quasi mythische Dimensionen andichtet, ist jedenfalls übertrieben.
Das sagt schon die Erfahrung: In Belgien sind die Politikwechsel nie radikal und nie mit der Brechstange erfolgt. Gibt es kein wirkliches Unglück, dann steht nach dem 25. Mai wohl keine Zeitenwende an. Auch für die Einheit des Landes besteht keine Gefahr. Selbst eine Neuauflage der 541-Tage-Krise ist nicht sehr wahrscheinlich. Wie gesagt: im Normalfall.
rop - Bild: Filippo Monteforte (afp)