"Am 25. Mai gehts auch um den Kopf der Parteipräsidenten", titelt La Libre Belgique. Auf der Titelseite prangen die Fotos der Vorsitzenden aller großen frankophonen Parteien. Und für jeden einzelnen von ihnen geht es bei der Wahl am 25. Mai um seine politische Zukunft. Sie alle haben ihrer Formation einen Stempel aufgedrückt - am 25. Mai wird die Frage beantwortet, ob die Rechnung aufgegangen ist.
Apropos Wahlen: L'Avenir stellt fest, dass die meisten Senioren über 85 nicht wählen. In vielen Alten- und Pflegeheimen beläuft sich die Zahl der Nicht-Wähler auf 90 Prozent. Für L'Avenir werden die Menschen des dritten und vierten Alters zunehmend zu Bürgern zweiter Klasse.
Immer mehr Nicht-Wähler
Aber auch in den anderen Altersgruppen nimmt die Zahl der Nicht-Wähler zu, so die Feststellung der Zeitung. Besonders ausgeprägt ist das Phänomen im südlichen Landesteil in den Bezirken Lüttich und Verviers.
Immer mehr Bürger wenden sich von der Politik ab und bringen das auch bei der Wahl zum Ausdruck, konstatiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Und das ist beängstigend. Es gibt sogar einige Gruppen, die im Internet zum Boykott der Wahl vom 25. Mai aufrufen. Der Staat bekommt damit auf Dauer ein veritables Legitimitätsproblem.
Wenn man einmal genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass viele der Nicht- oder Weißwähler Leute sind, die in gewisser Weise von der Gesellschaft vergessen worden sind. Es ist Aufgabe der Politiker, diesen Menschen wieder Gründe zu geben, zur Wahl zu gehen. Hier geht es auf Dauer um den Zusammenhalt der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.
"Lügner!"
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit dem Zusammenstoß zwischen dem ehemaligen Post-Chef Johnny Thijs und dem föderalen Minister für Staatsbetriebe Jean-Pascal Labille. Thijs war gestern erstmals nach seinem Abgang an die Öffentlichkeit getreten. Er übte dabei harsche Kritik am Verhalten von Labille, den er gar als "Lügner" bezeichnete.
Im Fußball nennt man so etwas "Nachtreten", bemerkt dazu Het Laatste Nieuws. Einen Gewinner gibt es dabei nicht. Johnny Thijs hat öffentlich seine Aura der souveränen Selbstbeherrschung verspielt. Und Labille sah mit seinem Mantra, Thijs gehöre der Vergangenheit an, auch nicht gerade glücklich aus.
Für Gazet Van Antwerpen hat die Regierung mit zwei Maßen gemessen. Auf der einen Seite Johnny Thijs. Dem soll angeblich Labille versprochen haben, dass das Gehalt des Post-Chefs nicht radikal beschnitten werde. Thijs musste dann aber später über die Medien erfahren, dass seine Bezüge halbiert würden. Auf der anderen Seite die neue Belgacom-Chefin Dominique Leroy. Sie bekommt deutlich mehr als die 650.000 Euro, die als Obergrenze gelten.
Kein Wunder also, dass Johnny Thijs sauer ist. Labille wird's übrigens überleben: Er wird bei der Wahl nicht kandidieren, so Gazet Van Antwerpen.
L'Echo findet die Geschichte derweil nicht mehr lustig. Wenn sich die Geschäftswelt und die Politik dermaßen bekriegen, wenn da schon Begriffe wie "Lügner" oder "Respektlosigkeit" im Raum stehen, dann lässt das tief blicken. Es sieht so aus, als sei das Tischtuch zwischen dem wirtschaftlichen und dem politischen Establishment zerrissen. Bleibt nur zu hoffen, dass Thijs nicht einer gewissen flämischen Partei beitritt und den flämischen Märtyrer gibt.
Stichwort Staatsbetriebe: Auch der Ex-Chef von Belgacom, Didier Bellens, sorgt wieder für Schlagzeilen. Wie L'Echo auf seiner Titelseite berichtet, soll Bellens zusammen mit vier weiteren Personen an ein Strafgericht verwiesen werden. Ihm wird Vorteilsnahme im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft zur Last gelegt.
Punkteführerschein nach 24 Jahren
"Alles bereit für den Punkteführerschein", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. 24 Jahre nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes soll der Führerschein nach Punkten jetzt endlich eingeführt werden. "Das ist ein Skandal", wettert Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Es ist erwiesen, dass der Punkteführerschein relativ schnell für eine spürbare Senkung der Zahl der Verkehrsopfer sorgt.
24 Jahre lang sind also Menschen in Belgien unnötig im Straßenverkehr gestorben. Dabei predigt man doch seit Jahren, dass Verkehrssicherheit absolute Priorität hat. Der Punkteführerschein feiert im kommenden Jahr ein ganz bitteres silbernes Jubiläum.
"Ein Drittel aller Arbeitsplätze ist bezuschusst", berichtet Le Soir auf seiner Titelseite. Demnach werden in Belgien 1,2 Millionen Arbeitsplätze zumindest teilweise vom Staat finanziert. Dies zum Beispiel über Dienstleistungsschecks, die ja zum Teil vom Staat bezuschusst werden.
"Die Polizei kommt gegen die Flut von Cannabis-Plantagen nicht an", so die Titelgeschichte von Gazet Van Antwerpen und Het Belang Van Limburg. Anscheinend kommen immer mehr Niederländer nach Belgien, um hier Drogenpflanzen anzubauen. Polizei und Justizbehörden in den Grenzgemeinden sind offenbar überfordert.
Einsamer Putin
Einige Zeitungen beschäftigen sich weiter mit der Lage in der Ukraine. Dort laufen alle Vorbereitungen, um die Krim-Halbinsel möglichst schnell abzuspalten und der Russischen Föderation anzugliedern. Der russische Präsident Wladimir Putin wird schon immer einsamer, sind sich Le Soir und Het Belang Van Limburg einig.
Das Kapital und die Geschäftswelt flüchten aus Russland. Resultat: Die Moskauer Börse und auch der Rubel sind auf Talfahrt. An der Börse gingen 60 Milliarden Dollar in Rauch auf, bemerkt Le Soir. Damit ist die Krim-Krise jetzt schon teurer als die Olympischen Spiele von Sotchi. Putin sollte sehr gut nachdenken, bevor er den Rechtsstaat weiter mit Füßen tritt.
rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)