"Partei von Di Rupo verliert zehn Prozent. PS schaltet Krisenmanager ein", so die Schlagzeile bei Het Laatste Nieuws. "Die PS bezahlt für ihre Regierungsverantwortung", titelt La Libre Belgique. Die Zeitungen analysieren heute das neueste Politbarometer zu den Wahlabsichten der Belgier am 25. Mai.
In ihrem Kommentar macht sich La Libre Belgique Gedanken zu den hohen Prozentzahlen für die flämischen Nationalisten der N-VA: Wenn die Umfrageergebnisse unseres Politbarometers tatsächlich das Ergebnis der Wahlen wären, wäre Belgien schlichtweg unregierbar, denn man käme um die N-VA nicht herum.
Mit ihren 32 Prozent würde sie eine Mehrheit der Christdemokraten, Liberalen und Sozialisten in Flandern verhindern - die Parteien, die zurzeit in der Föderalregierung sind. Es bleibt die Frage, warum die N-VA weiter so populär ist. Weil sie ihre wahren Absichten verschleiert, weil sie glauben macht, dass die Hälfte der Belgier auf Kosten der Flamen lebt, und weil ihr Parteipräsident sich als der medienwirksamste Politiker zu inszenieren weiß.
Aber man muss noch nicht schwarz sehen. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen. Mehr denn je müssen die Kampagnen jetzt auf Pädagogik und nicht auf Populismus setzen, rät La Libre Belgique.
Langzeitstrategien gefragt
Auch Le Soir geht in seinem Kommentar auf die anstehenden Wahlen ein, aber aus Sicht der Wallonie: Die Wallonie scheint verstanden zu haben, dass ihre Zukunft in Langzeitstrategien liegt. Der sogenannte Marshall-Plan, der nicht umsonst bis 2022 geht, und der jüngst unterzeichnete "Pakt für die Wallonie" für das Bildungswesen sind Belege dafür. Da können wir nur "Bravo" sagen.
Solche Langzeitperspektiven würden wir uns auch für den Wahlkampf wünschen: zündende Ideen, Vernunft getragene Projekte und parteiübergreifende Visionen. Aber solcher Wagemut trägt nicht sofort seine Früchte. Deshalb ist es zu bezweifeln, dass diese notwendigen Visionen auch ihren Weg in den Wahlkampf finden. Denn sie sind nicht nur die Sache einer Person oder einer Partei, sondern benötigen die Mithilfe von allen. Wagen heißt teilen, so Le Soir.
"Jetzt sind die Ukrainer am Zug"
"Durchbruch in Kiew", titelt das Grenz-Echo. Gestern hatten sich das Regierungslager um Präsident Janukowitsch und die Oppositionsführer auf eine Lösung des Konflikts geeinigt. Gazet van Antwerpen kommentiert dazu: Die Vermittlungsbemühungen von drei Außenministern der EU haben relativ schnell Ergebnisse gebracht. Das ist ein Erfolg für die europäische Diplomatie, die so etwas dringend für ihre Glaubwürdigkeit gebraucht hat.
Wie tragfähig das alles sein wird, muss sich aber erst noch zeigen, denn am Verhandlungstisch saß auch ein Vertreter Russlands, des großen Bruders und Schutzherrn von Präsident Janukowitsch. Letzterem ist auch nicht zu trauen. Er hat in den vergangenen Tagen unter großem Druck gehandelt, er war in die Enge getrieben. Es kommt jetzt darauf an, was aus der politischen Einigung von gestern wird. Nun sind die Ukrainer selbst am Zug, meint Gazet van Antwerpen.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kommentiert den Stellenabbau, den drei große Banken in Belgien angekündigt haben: ING will 1.115 Stellen bis 2015 streichen. Bei BNP Paribas Fortis sind es 2.100. Und bei der AXA-Bank sind es 148 in Brüssel und Antwerpen in den nächsten drei Jahren.
Die Botschaft daraus ist klar: Der Bankenstandort Belgien hat künftig keine internationale Bedeutung mehr. Was zählt, ist nur noch das hohe Sparvermögen unserer Bürger, die zu vorsichtig sind, um ihr Geld woanders anzulegen, schreibt L'Echo.
Euthanasie: Klagen und Fragen
"Erste Euthanasie-Klage gegen Pionier Distelmans", titelt De Morgen auf Seite eins. Distelmans ist einer der Professoren, die sich für die Legalisierung der Euthanasie in Belgien 2002 stark gemacht hatten. Vor zwei Jahren hatte er einer chronisch depressiven Frau eine todbringende Substanz gespritzt. Der Sohn und die Tochter dieser Frau haben jetzt Klage gegen Distelmans erhoben. Sie hätten von der Spritze nichts gewusst und deshalb auch nicht Abschied nehmen können von ihrer Mutter, berichtet De Morgen.
"Ein Pädophiler verlangt Euthanasie", heißt die Schlagzeile bei De Standaard. Die Zeitung greift einen Fall aus den Niederlanden auf. Dort hat ein Mann, der sich selbst als Pädophiler bezeichnet, den Wunsch, durch Euthanasie aus dem Leben zu treten. Er wolle das aus Schutz für die möglichen Opfer machen. Denn er habe sich bislang noch nie an Kindern vergangen, so der 38-Jährige.
Kommentierend meint dazu De Standaard: Dieser Fall wirft viele Fragen auf. Wie soll man mit einem solchen Wunsch umgehen? Welche Ethik, welche Moral, welcher Schutz möglicher Opfer, welche Befürchtungen von Eltern und Nachbarn sind hier ausschlaggebend? Die Fragen lohnen sich auf jeden Fall gestellt und diskutiert zu werden. Gerade bei uns in Belgien, wo wir ein besonders starkes Trauma im Umgang mit Pädophilen haben, findet De Standaard.
Bild: Benoît Doppagne (belga)