"26 Tote in Kiew, die Ukraine am Rand eines Bürgerkriegs", titelt Het Nieuwsblad. De Morgen bringt eine "Reportage aus einer belagerten Stadt". Auf der Titelseite: ein Foto von nächtlichen Kampfszenen in der ukrainischen Hauptstadt, das tatsächlich an einen Kriegsschauplatz erinnert. De Standaard spricht auf Seite eins von einer "Zermürbungsschlacht in Kiew".
In ganz Europa und darüber hinaus herrscht Bestürzung angesichts der jüngsten Ereignisse in Kiew. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei kamen mindestens 26 Menschen ums Leben. "Europa wurde wachgerüttelt nach dem Blutbad in der Ukraine und kündigt Sanktionen an", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Das Blatt hat übrigens eine junge Ukrainerin interviewt, die im limburgischen Heusden-Zolder aufgewachsen ist. Die 30-jährige Yulia ist nach eigenen Worten nur knapp dem Tod entronnen.
Die Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew sind jedenfalls weiterhin fest entschlossen, sind sich die Reporter der Zeitungen einig. "Nach dem Krieg kommt der Frieden; und dafür kämpfen wir", zitiert De Morgen einen Protestler. Da gibt es nur eine Unbekannte: "Greift Putin nach Sotschi in der Ukraine ein?", fragt sich Het Belang van Limburg.
"Kiew - so nah und doch so fern"
Ausnahmslos alle Zeitungen widmen der Lage in der Ukraine ihren Kommentar. So nah und doch so fern, bemerkt etwa Het Laatste Nieuws. Kiew liegt im Vorgarten Europas. Die ukrainische Hauptstadt ist nur etwas weiter von Brüssel entfernt als Sarajewo. Durch das Land verläuft so eine Art spirituelle Grenze zwischen Europa und Russland. Der Konflikt in Kiew wirft jedenfalls die Frage auf, wo Europa endet: In Odessa? In Istanbul? Offensichtlich entscheiden darüber nicht nur die Europäer selbst.
Dabei ist die Gemengelage viel komplexer, als es vielleicht für uns Außenstehende aussehen mag, bemerkt Het Nieuwsblad. Der Krieg in Kiew ist keine Schlacht zwischen den Guten und den Bösen. Unter den Demonstranten auf dem Maidan befinden sich auch Ultra-Nationalisten, die eine Straßenrevolution anzetteln wollen. Hier geht es längst nicht mehr allein um das Ereignis, an dem sich die Proteste im November entzündet hatten, nämlich das gescheiterte Assoziierungsabkommen mit der EU. Die europäischen Fahnen sind verschwunden. Das hat auch damit zu tun, dass Europa die Ukrainer im Stich gelassen hat. Die europäische Union muss jetzt alles tun, um den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit zu retten. Und das geht nur über Sanktionen.
Europa muss sich Respekt verschaffen, glaubt auch L'Echo. Es reicht nicht mehr, sich geschockt oder bestürzt zu zeigen, die Gewalt zu verurteilen, die Konfliktparteien zur Mäßigung anzuhalten. Nein, Brüssel muss jetzt reagieren. Doch hat sich in den letzten Stunden schon wieder die übliche Schwerfälligkeit der europäischen Außenpolitik gezeigt. Aus Brüssel gibt es wieder nur Signale der Ohnmacht. "Die EU kann uns mal", wurde vor einigen Wochen eine amerikanische Spitzendiplomatin zitiert. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo Europa seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen sollte.
"Ukraine: Der Schlüssel liegt im Kreml"
De Morgen sieht das ähnlich. Europa muss dringend entschlossen mit einer Stimme sprechen. Dabei sind Sanktionen gegen die herrschende Clique um Präsident Janukowitsch wahrscheinlich nicht ausreichend. Im Übrigen sind auch die Demonstranten vom Maidan-Platz nicht ganz unschuldig daran, dass die Situation entgleist ist. Und nicht zu vergessen: Es gibt da noch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die jüngere Geschichte zeigt: Je mehr sich Putin mit einem Thema beschäftigt, im vorliegenden Fall mit der Ukraine, desto kleiner die Chance auf eine vernünftige Lösung.
Auch für Gazet van Antwerpen liegt der Schlüssel im Kreml. Wer Janukowitsch auf andere Gedanken bringen will, der muss auch auf Russland Druck ausüben. Das allerdings ist wegen der Abhängigkeit vom russischen Gas höchst delikat.
Die Anziehungskraft der EU
Die Europäer sind im Grunde nicht mehr als ein zahnloser Tiger, stellt La Libre Belgique verbittert fest. Der "sanfte Druck" aus Brüssel hat sich in den letzten Jahren immer wieder als vollkommen ineffizient erwiesen. Russen, Chinesen oder auch die Golfstaaten können demgegenüber mal locker das Scheckheft zücken. Das einzige, was uns bleibt, ist, unsere Werte und Prinzipien hochzuhängen; mit Sanktionen jedenfalls wird Europa nicht viel erreichen.
Genau da hakt De Standaard ein: Die Ereignisse in der Ukraine können Europa aus seiner Sinnkrise helfen, meint das Blatt. Die Menschen in Kiew sehnen sich nach einer Gesellschaft wie der unsrigen. Europa mag schwere Zeiten erlebt haben, Die Anziehungskraft ist aber offensichtlich immer noch ungebrochen. Das allerdings beinhaltet auch eine moralische Verantwortung: Die EU muss ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen, um den Ukrainern die Hoffnung auf ein besseres Leben nicht zu nehmen.
Von Banken und Pandas
In Belgien stehen zunächst die Banken im Mittelpunkt: "Sparzinsen sinken erneut", titelt etwa Het Laatste Nieuws. Drei Banken, nämlich BNP Paribas Fortis, Fintro und ING, wollen die Rendite auf Sparkonten herunterschrauben.
Und apropos Banken: "BNP Paribas Fortis will sich von einem Fünftel seiner leitenden Angestellten trennen", schreibt L'Echo auf Seite eins. Die Umstrukturierung soll bis zu 300 Mitarbeiter betreffen.
Fast alle Zeitungen bereiten sich indes auf ein ganz besonderes Ereignis vor. Am Sonntag werden zwei Pandabären in Belgien eintreffen. Die Tiere sind eine Leihgabe der Volksrepublik China und sollen für die kommenden 15 Jahre im Tierpark Pairi Daiza in der Nähe von Mons leben. Gazet van Antwerpen lapidar: "Die Pandas werden wie Staatschefs empfangen."
Bild: BRF