"Reynders liegt in Brüssel vorn, Di Rupo auf föderaler Ebene", titelt heute Le Soir. Die Brüsseler Zeitung veröffentlicht die Ergebnisse einer neuen Meinungsumfrage, die sie zusammen mit der flämischen Zeitung De Morgen sowie den Fernsehsendern RTL-TVI und VTM in Auftrag gegeben hatte. Demnach würde ein Drittel der Belgier dafür plädieren, dass Premierminister Elio Di Rupo sein eigener Nachfolger wird.
Welcher Favorit für welchen Posten?
Die Wahlabsichten sind je nach Region allerdings sehr unterschiedlich. De Morgen dröselt auf seiner Titelseite "die Wahl der Flamen" auf. Demzufolge sprechen sich 31 Prozent der Befragten für Bart De Wever als zukünftigen Premier aus. 33 Prozent wollen den CD&V-Politiker Kris Peeters als flämischen Ministerpräsidenten behalten. Populärste Politikerin in Flandern ist die OpenVld-Asylstaatssekratärin Maggie De Block.
Im frankophonen Landesteil ist Elio Di Rupo mit 55 Prozent der absolute Champion; als wallonischen Ministerpräsidenten will einer von vier Befragten PS-Amtsinhaber Rudi Demotte behalten. In Brüssel ist der MR-Neuankömmling Didier Reynders der bevorzugte Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten.
Le Soir rechtfertigt in seinem Kommentar die Stoßrichtung der Meinungsumfrage. Bei einer Wahl geht es neben Ideen und Programmen auch um Personen, meint das Blatt. Ein Projekt für ein Land oder eine Region muss von einem Mann oder einer Frau getragen werden. Deshalb wurde diesmal also nach den bevorzugten Kandidaten für die Spitzenämter gefragt. Dabei bleiben die Parteien ihrerseits bewusst im Vagen.
Beispiel Brüssel: Didier Reynders oder Laurette Onkelinx schäumen nur so über vor Ambitionen für das Amt des Brüsseler Ministerpräsidenten. Offiziell sind sie aber nicht Kandidat. Die Parteien werden wohl erst nach der Wahl entscheiden, wer auf welchem Niveau platziert wird. Der Wähler hat das Recht auf mehr Transparenz.
Wirtschaft geht es besser als erwartet, aber…
"Unserer Wirtschaft geht es besser als erwartet", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Die Nationalbank und auch das sogenannte Planbüro haben ihre neuesten Wirtschaftsprognosen veröffentlicht. Wichtigste Schlussfolgerung: Die Wirtschaft in Belgien hat der Krise besser widerstanden als die Wirtschaft in vielen Ländern der Eurozone. Was nicht heißt, dass alles rosig wäre.
"Die Nationalbank gibt den neuen Regierungen jetzt schon Hausaufgaben", fasst es Het Belang van Limburg zusammen. Die Staatsschuld muss radikal gesenkt werden. Auch die Lohnkosten müssen runter.
Es gibt keinen Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, mahnt De Morgen. Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt beängstigende Ausmaße an. Die ist mit 22 Prozent fast doppelt so hoch wie in den Niederlanden und drei Mal so hoch wie in Deutschland. Um hier Abhilfe zu schaffen, müssen Föderalstaat und Regionen eng zusammenarbeiten.
Eine gute Bilanz heißt nicht, dass es keine Herausforderungen gäbe, fasst es La Libre Belgique in ihrem Leitartikel zusammen. Klar: Belgien ist noch vergleichsweise unbeschadet durch den Krisensturm gekommen. Es gibt aber in vielen Bereichen mitunter enormen Reformbedarf. Priorität wird sein, die Sozialsysteme bezahlbar zu halten. Vor diesem Hintergrund würden wir uns eigentlich einen Wahlkampf wünschen, bei dem diese Themen im Vordergrund stehen. Welche Partei steht für welche Lösungsansätze? Die Zukunft des Landes verdient jedenfalls eine Debatte, die über die reine Phrasendrescherei hinausgeht.
Umstrittene Euthanasie
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem Gesetz über die Ausweitung der Euthanasie auf Minderjährige, das am donnerstag wohl in der Kammer verabschiedet wird.
Das Grenzecho ist gegen eine solche Regelung. Selbstbestimmung mag ein hohes Gut sein. Sie macht es der Gesellschaft aber auch sehr einfach, die Verantwortung für einen Sterbewunsch dem Patienten zuzuschieben. Das Gesetz legalisiert eigentlich einen Akt des Verdrängens. Dabei darf die Giftspritze, also das Töten auf Verlangen, nicht die Antwort sein.
Het Laatste Nieuws ist nuancierter. Man darf davon ausgehen, dass das Gesetz noch keinen endgültigen Schlusspunkt darstellt. Ob die darin enthaltenen Dispositionen ausreichend sind, das muss die Praxis erst zeigen. Für eine abschließende Bewertung des neuen Euthanasiegesetzes ist es also noch zu früh.
Je näher das Votum rückt, desto greifbarer werden die Spannungen im Parlament, konstatiert jedenfalls L'Avenir. Zugleich muss man aber feststellen, dass es hierzulande nicht zu solchen Verwerfungen kommt wie zum Beispiel in Frankreich im Zusammenhang mit der Homo-Ehe. Was nicht heißt, dass es in Belgien keine Debatte mehr gibt. Die Meinungsverschiedenheiten, die sich jetzt auch wieder im Parlament zum Teil lauthals manifestieren, sind der Beweis, dass wir nicht in einem Einheitsbrei leben. Und das ist gut so.
PPP problematisch
"Europa schaut kritisch auf die Rechnungslegung in Flandern", schreibt L'Echo. Eurostat hat die Bilanzen der flämischen Region mal genauer unter die Lupe genommen. Und anscheinend stellt das europäische Statistikamt vor allem die Verrechnung der sogenannten PPP-Projekte infrage.
"PPP" steht ja für die Zusammenarbeit zwischen der Öffentlichen Hand und dem Privatsektor. Eurostat stellt sich aber die Frage, inwieweit die Kosten im flämischen Haushalt auftauchen müssen. Das ist, 100 Tage vor der Wahl, natürlich eine besonders sensible Materie, schreibt L'Echo.
"Minister sorgen noch schnell für Spitzenjobs für ihre Kabinettsmitarbeiter", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Die Zeitung guckt vor allem nach Flandern; dort sind die Kabinettschefs der Minister Peeters, Crevits, Vandeurzen und Muyters mit lukrativen Posten belohnt worden...
Tragische Geschichte auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: Ein 14-jähriger Junge hat Selbstmord begangen, weil er in der Schulde gemobbt wurde. "Wenn ich morgen tot bin, wer würde mich denn vermissen", zitiert das Blatt aus einem Eintrag auf der Facebook-Seite des Jungen. Die Polizei wird den Fall jetzt untersuchen.
Foto: Nicolas Maeterlinck (belga)