"Europa: Die Versuchung der Grenzen", titelt Le Soir. Nach wie vor sorgt das Referendum in der Schweiz gegen Einwanderung für Diskussionsstoff. Und auch innerhalb der EU ist die Debatte über innereuropäische Migrationsbewegungen neu entbrannt, schreibt Le Soir. Europaskeptische Parteien wie der französische Front National, die britische Ukip oder die niederländische PVV von Geert Wilders fühlen sich durch das Votum beflügelt. "Was die Schweizer schaffen, das schaffen wir auch", zitiert das Blatt den niederländischen Rechtspopulisten Wilders.
Schweiz: Ein Zeichen an der Wand?
Wir sollten das Ergebnis des eidgenössischen Volksentscheids als Weckruf verstehen, mahnt Le Soir in seinem Leitartikel. Es wäre jedenfalls ein fataler Fehler, wenn Europa das Votum als rein schweizerisches Problem abtun würde. Zwar darf man unter keinen Umständen ein Grundprinzip wie die Freizügigkeit in Frage stellen. Wenn man diese Feststellung aber lediglich wie ein Mantra permanent herunter betet, und den Menschen nicht die Vorteile erklärt, dann wird das Ganze nicht überzeugender. Die Politiker in Europa müssen schnellstens ihren Bürgern und Unternehmen darlegen, inwieweit die Freizügigkeit unser aller Vorteil ist. Dabei darf man auch keine Angst haben, perverse Nebeneffekte anzusprechen. Noch ist es nicht zu spät.
Auch De Morgen sieht diese Gefahr: Wenn selbst in einem reichen Land wie der Schweiz eine fremdenfeindliche Unterströmung und eine diffuse Angst vor Veränderung die Oberhand gewinnen, dann ist das für das übrige Europa ein Zeichen an der Wand. Auf die europäischen Politiker wartet ein pädagogischer Auftrag gigantischen Ausmaßes. Denn eins ist sicher: Die Zukunft liegt nicht in der Errichtung neuer Grenzen.
La Libre Belgique befasst sich mit dem Referendum im allgemeinen. Der Volksentscheid hält in den Regionen Einzug, schreibt das Blatt auf Seite eins. In den Gemeinden und Provinzen sind Referenden schon seit 1995 möglich. Und seit Montag auch in den Regionen...
Historische zwölf Herkules-Aufgaben
"Tauschhandel über den Index", titelt De Morgen. Die Sozialpartner haben sich gestern auf eine Anpassung des Indexsystems geeinigt; das ist ja die automatische Kopplung der Löhne an die Preisentwicklung. Resultat: Die Löhne werden in den kommenden Jahren langsamer steigen. Im Gegenzug wurde aber unter anderem der Kündigungsschutz verstärkt: Jetzt muss auch die Entlassung von Angestellten durch die Arbeitgeber begründet werden.
Dieser Deal ist bemerkenswert, lobt die Wirtschaftszeitung L'Echo. Was die so genannte Zehner-Gruppe aus Arbeitgebern und Gewerkschaften da derzeit produziert, das grenzt an juristische Feinmechanik. Hier geht es ja immer noch um die Harmonisierung der Rechte von Arbeitern und Angestellten als Folge der Schaffung des Einheitsstatus. Und beide Seiten, Arbeitgeber und Gewerkschaften, müssen ständig Wasser in ihren Wein gießen. Das Bemerkenswerte ist: Es funktioniert. Trotz spürbarer Spannungen arbeiten sie sich mit größer Reife durch ihre zwölf Herkules-Aufgaben.
Het Belang Van Limburg scheut sich nicht, das Wort "historisch" zu benutzen. Der Index wurde angepasst; die Rentensysteme von Arbeitern und Angestellten sollen einander angeglichen werden; der Kündigungsschutz für Angestellte wurde erweitert. Die Tatsache, dass die Sozialpartner ein solches Abkommen zustande bringen, ist ein Zeichen der Hoffnung. Das beweist, dass sie nach wie vor in der Lage sind, ihre Verantwortung zu übernehmen.
"Skandal" um einen "Mistkerl"
"Ein Skandal! Der Mörder von Iliaz ist frei", so die anklagende Schlagzeile von La Dernière Heure. Hintergrund ist die Entscheidung eines Brüsseler Gerichts. Der Mann, der vor knapp zwei Jahren einen Kontrollbeamten der Brüsseler Nahverkehrsgesellschaft STIB bei einem Handgemenge tödlich verletzt hat, wurde zu 40 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das heißt: Er muss nicht ins Gefängnis.
Auch Het Laatste Nieuws kann dieses Urteil nicht nachvollziehen. Alkohol hin oder her, Absicht oder nicht: Tot ist tot. Der STIB-Kontrolleur wurde in Ausübung seines Amts das Opfer eines 28-jährigen Wüstlings. Und doch sieht das Gericht da mildernde Umstände. Kann die Frau Staatsanwältin uns mal erklären, womit dieser Mistkerl das verdient hat? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder es liegt an uns, die wir möglicherweise zu wenig Mitgefühl für einen Täter zeigen. Oder aber, die Brüsseler Justiz hat jegliches Maß an Mitgefühl verloren. Vielleicht ist der Unterschied zwischen Täter und Opfer zu klein geworden.
Wirbel um Kilometer-Maut
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit dem Sturm der Entrüstung rund um eine mögliche Kilometer-Maut. In diesen Tagen läuft ein Pilot-Projekt an, bei dem Sinn oder Unsinn einer solchen Maßnahme ausgelotet werden soll. Inzwischen sprechen sich alle Parteien gegen eine Kilometer-Abgabe aus, selbst diejenigen, die die Durchführung des Pilot-Projekts beschlossen haben, wie unter anderem Le Soir und La Libre Belgique hervorheben.
Da sieht man mal, was ein Wahlkampf doch für seltsame Blüten treiben kann, mokiert sich L'Avenir. Die Vehemenz, mit der PS, cdH und Ecolo gestern zurückgerudert sind, sucht fast schon ihresgleichen. Und die oppositionelle MR lacht sich tot und profiliert sich gleich wieder als der Schutzschild der Mittelklasse. So schnell wird aus einer Umweltschutzmaßnahme Munition in einem Wahlkampf.
Das "Gerücht des Jahres"
Und dann geht's heute noch um das "Gerücht des Jahres", wie Het Laatste Nieuws schreibt. Der amerikanische Präsident Barack Obama soll eine Affäre haben mit der amerikanischen R&B-Sängerin Beyoncé. La Dernière Heure geht der Geschichte auf den Grund: Das Gerücht kommt von einem bekannten Paparazzo. Der hat später dementiert; er habe ja nicht gesagt, dass die beiden eine Affäre haben; nur, dass er und seine Kollegen an der Sache dran sind. Für Gazet Van Antwerpen ist das aber schon der Schlusspunkt; das Blatt schreibt sinngemäß: Die Affäre, die keine war.
Archivbild Bruno Fahy (belga)