"Die Chefs der öffentlichen Unternehmen höhlen die Gehaltsdeckelung aus", titelt L'Echo. Die Föderalregierung hatte beschlossen, dass Chefs von staatlichen Unternehmen künftig nicht mehr als 650.000 Euro im Jahr verdienen dürfen. Jetzt ist bekannt geworden, dass die neue Frau an der Spitze von Belgacom durch verschiedene Zusatzzahlungen auf ein Jahresgehalt von 800.000 Euro kommen wird.
Die Wirtschaftszeitung kommentiert: Die Absicht der Föderalregierung war löblich. Eine Gehaltsobergrenze für Spitzenpositionen in Staatsunternehmen scheint sinnvoll, weil es hier ja um Geld der Steuerzahler geht. Aber die Wahl der Mittel war schlecht. Einen Betrag von 650.000 Euro festzulegen, ist realitätsfern.
L'Echo verweist auf den Industriepionier Henry Ford: Er hatte gesagt, dass in einem gesunden Unternehmen ein Firmenchef bis zu 40 Mal mehr als ein einfacher Arbeiter verdienen dürfe. Die Tinte, mit der die Gehaltsdeckelung in Belgien festgeschrieben wurde, ist noch nicht getrocknet. Noch ist Zeit, die Regelung flexibler zu gestalten. Henry Ford könnte hierbei als Vorbild dienen, meint L'Echo.
"Minister soll zurücktreten"
Empört dagegen zeigt sich Het Nieuwsblad: Der Maximallohn von 650.000 Euro hat keinen Deckel aus Beton, sondern aus Papier. Und was das Schlimme daran ist: Die Politiker scheinen das von Anfang an gewusst zu haben. So sagt es zumindest der zuständige Minister, Jean-Pascal Labille. Das ist unverschämt.
Zunächst stellen sich diese Politiker als Moralapostel hin und sagen, alles zu tun, um Exzessen Einhalt zu gebieten. Und jetzt kommt eher zufällig heraus, dass schon im Kleingedruckten Möglichkeiten aufgeführt werden, die neue Regel zu umgehen. Was soll der Wähler von solchen Politikern halten?, fragt Het Nieuwsblad.
Und auch De Standaard geht hart ins Gericht mit der Regierung, spricht von Betrug und fordert sogar den Rücktritt von Jean-Pascal Labille.
Zu hohe Steuern für zu wenig Leistung
"Das schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis des öffentlichen Dienstes", schreibt La Libre Belgique auf ihrer Titelseite. Neueste Zahlen der EU-Kommission zeigen, dass die Belgier zwar so viel Steuern zahlen wie fast nirgendwo anders, aber die Leistungen des öffentlichen Dienstes diesem Niveau nicht entsprechen.
Da gibt es also ein Problem, kommentiert die Zeitung, und führt drei Punkte auf: Ganz unabhängig von der Frage, ob wir zu viele Steuern zahlen oder nicht, bleiben die nackten Zahlen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der öffentlichen Dienste in Belgien stimmt nicht. Die Verwaltung in Deutschland kostet viel weniger: Ist sie weniger effektiv? Zweitens: Für den Bildungssektor geben wir besonders viel Geld aus. Viel mehr als unsere Nachbarn. Dies wirkt sich aber nicht positiv auf die Ergebnisse aus.
Drittens: Die Steuergelder werden ungerecht verteilt. Deshalb klagen wir auch über unsere hohe Steuerbelastung. Anders die Dänen. Auch sie müssen viel an den Fiskus abdrücken, sind aber zufrieden mit dem, was der Staat ihnen dafür bietet. Es gibt also viel zu tun, schlussfolgert La Libre Belgique.
Katholische Reconquista
Erzbischof Léonard hat die Belgier für heute zu einem Tag des Fastens aufgerufen. Anlass ist das Gesetz, das Euthanasie bei Kindern künftig erlaubt. Es soll kommenden Donnerstag in der Kammer verabschiedet werden. Le Soir schreibt dazu: Der Fasten-Aufruf ist vor allem symbolisch zu werten. Der Erzbischof weiß genau, dass er das Gesetz nicht mehr aufhalten kann.
Aber sein Appell spiegelt eine Tendenz wieder, die überall auf der Welt zu beobachten ist. Konservative Kräfte versuchen, verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Sie haben genug von dem Staat, der meint, Gott aus der Gesellschaft fernhalten zu müssen. Diese "Reconquista" der katholischen Kirche ist bewusst als ein Kampf mit langem Atem angelegt, schreibt Le Soir.
"Feminismus ist nicht überholt"
De Morgen greift eine Studie der Universität Gent auf. Sie hat herausgefunden, dass Frauen in Belgien bei gleichem Bildungsniveau immer noch weniger Geld verdienen als Männer. "1.866 Euro weniger im Jahr", lautet die Schlagzeile. Im Kommentar schüttelt die Zeitung darüber den Kopf: Dieser Befund ist in Zeiten der Geschlechtergleichstellung doch wirklich als unbegreiflich zu bezeichnen.
Alle Forderungen, mit denen der Feminismus in den 1960er Jahren schon auf sich aufmerksam machte, sind heute noch aktuell. Ob es um Lohngleichheit, Aufstiegsmöglichkeiten oder Frauen-Quote in der Politik geht, überall noch offene Baustellen. Feminismus ist also alles andere als überholt, findet De Morgen.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)