"Die Arbeitslosigkeit zieht wieder an", titelt Le Soir. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Erwerbslosen erstmals nach zwei Jahren wieder gestiegen. 2013 waren demnach im Durchschnitt 432.000 Menschen in Belgien ohne Job. Am ausgeprägtesten war die Steigerung in Flandern mit einem Plus von knapp sieben Prozent.
De Morgen macht ebenfalls mit Arbeitsmarktzahlen auf: "70 Prozent der flämischen Frauen haben einen Job, dagegen nur 30 Prozent der Frauen mit türkischen oder marokkanischen Wurzeln", so die Schlagzeile. Grund dafür ist häufig, dass ihre Männer nicht wollen, dass die Frauen arbeiten. Hier wird viel Talent vergeudet, beklagen Experten und Politiker gleichermaßen.
"Eins von drei Kleinkindern nicht-belgisch"
Die Integration von ausländischstämmigen Mitbürgern steht heute im Mittelpunkt vieler Leitartikel in der flämischen Presse. Dies vor dem Hintergrund neuer Statistiken. Dazu eine beeindruckende Zahl: "Eins von drei Kleinkindern in Flandern ist ausländischer Herkunft", schreibt Het Nieuwsblad. Nach Erhebungen der flämischen Regierung gibt es in Flandern 1,1 Millionen Menschen, deren erste Nationalität "nicht belgisch" ist. Dazu zählen sowohl Menschen aus der EU als auch nicht EU-Ausländer. Einige Zeitungen heben regionale Unterschiede hervor: "Die Hälfte der Kinder in Mechelen ist ausländischer Herkunft", titelt etwa Gazet Van Antwerpen.
Vielfalt, multikulturelles Zusammenleben, das sind keine Worthülsen mehr, das ist die Realität, bemerkt dazu De Morgen. Statt das Miteinander mehrerer Kulturen als potentielle Gefahr hochzustilisieren, sollte man vielmehr diese Tatsache akzeptieren. Problematisch ist allerdings, dass viele dieser Menschen mit Migrationshintergrund in den Armuts- oder Arbeitslosenstatistiken auftauchen. Wir verschwenden hier den wichtigsten Rohstoff, den dieser Kontinent noch hat: menschliches Kapital nämlich. Die Schuld dafür und auch die möglichen Lösungen liegen auf beiden Seiten.
"Die" und "wir"
"Die, das sind wir", notiert auch De Standaard. Viel zu oft werden immer noch vor allem die Unterschiede hervorgehoben: Es gibt uns, und dann eben die anderen. Gemeint ist damit meistens aber ein Gegensatz: "Wir gegen die". Die neuesten Bevölkerungsstatistiken sollten uns da aber zum Umdenken bringen. Das setzt auch eine wirklich aktive Einwanderungspolitik voraus. Integration, so lautet das Zauberwort. Hier entsteht die Gesellschaft von morgen.
Und der Schlüssel, das sind die Sprachkenntnisse, unterstreicht Gazet Van Antwerpen. In Antwerpen sprechen vier von zehn Bürgern zu Hause kein Niederländisch. Dabei ist eine gute Beherrschung der Sprache der Schlüssel zu einer guten Ausbildung, zu einem Job, zu sozialem Zusammenhalt, schlicht und einfach: zu einem guten Grundgefühl. Hier sind beide Seiten gefragt: die Politik aber auch die Menschen mit Sprachdefiziten.
Goldene Berge
Einige flämische Zeitungen beklagen das bisherige Niveau des Wahlkampfs. Die Parteien schienen sich derzeit mit Ankündigungen von Steuersenkungen gegenseitig überbieten zu wollen. Die CD&V verspricht eine Erleichterung um 700 Euro, bei der SP.A sind es 720, bei der N-VA 1.200, und bei der Open Vld über 2.000 Euro. Het Nieuwsblad spricht vom "Winterschlussverkauf".
"Nehmt uns bitte ernst", wettert Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Bisher hat es doch immer geheißen, dass die Kassen leer seien. Woher soll denn plötzlich das Geld für Geschenke kommen? Als ob die Krise schon vorbei wäre. Als ob ab Mitte des Jahres wieder die Bäume in den Himmel wieder wachsen werden. Als ob man die Vergreisung der Bevölkerung mit Haarfärbemittel aufhalten könnte. Als ob die Staatsschuld wie Schnee in der Sonne schmilzt. Misstraut diesen Politikern, mahnt Het Laatste Nieuws. Misstraut denen, die euch goldene Berge versprechen.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich: Statt hier mit Steuersenkungen um sich zu werfen, von denen keiner weiß, wie die finanziert werden sollen, sollten die Parteien doch endlich mal über wirkliche Inhalte sprechen. Wo liegen ihre Schwerpunkte in Sachen Unterricht, beim Thema Asyl und Einwanderung, in der Energiepolitik? Wir wollen Zukunftsvisionen hören!
Auch Het Belang Van Limburg kann sich nur wundern: Plötzlich ist von Steuersenkungen die Rede. Dabei hieß es doch bis vor kurzem noch, dass die Lohnkosten in Belgien gesenkt werden müssen. Unser größtes Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit. Je mehr Menschen einen Job haben, desto besser ist das für die Staatsfinanzen.
Die tunesische Schwalbe
Die frankophonen Zeitungen beschäftigen sich ausnahmslos mit der neuen Verfassung in Tunesien, die gestern in Kraft getreten ist. Das ist einer der seltenen Hoffnungsschimmer, glaubt L'Avenir. Die neue Verfassung macht den Staat zum Garanten der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung. Das ist in Zeiten religiöser Extremismen durchaus bemerkenswert. Doch steht die größte Herausforderung noch bevor: Die Arbeitslosigkeit in Tunesien ist höher denn je.
Le Soir ist hin und her gerissen: Auf der einen Seite: Tunesien mit seiner neuen Verfassung und einer Koexistenz von laizistischen und religiösen politischen Kräften. Auf der anderen Seite: Ägypten, wo die Moslimbruderschaft wieder zur terroristischen Vereinigung gestempelt wurde. Der Arabische Frühling lässt die unterschiedlichsten Pflänzchen blühen, von der Hoffnung bis zur Furcht.
Auch L'Echo freut sich über die neue tunesische Verfassung. Sie war zwar überfällig, das wichtigste ist aber, dass der Text existiert. Vielleicht ist es ja die Schwalbe, die jetzt doch die Rückkehr des Arabischen Frühlings ankündigt. Wenn man sich allerdings Ägypten, geschweige denn Libyen oder Syrien anschaut, dann sind ernste Zweifel erlaubt.
Obdachlose, Spitzenkandidatinnen, Fernsehgewohnheiten
"Die Auffangstrukturen für den Winter können nicht alle Obdachlosen aufnehmen", titelt De Standaard. Hier geht es um die Situation in Brüssel; da müssen jeden Abend bis zu 200 Obdachlose abgewiesen werden, die dann also die Nacht auf der Straße verbringen müssen.
Ganz anderes Thema auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: "Es gab noch nie so viele weibliche Spitzenkandidaten", schreibt das Blatt. Bei der Wahl am 25. Mai werden 30 Prozent aller Listen von Frauen angeführt. Die Quotenregelungen zeigen also Wirkung, allerdings geht das sehr langsam, schreibt das Blatt.
"Ihre Fernsehgewohnheiten werden sich verändern", orakelt La Libre Belgique heute auf Seite eins. Grund für die Feststellung ist die Tatsache, dass es bald einen neuen Player geben wird: Netflix, nämlich, der US-amerikanische Marktführer für Videos im Internet. La Libre Belgique stellt sich schon die Frage, ob Voo, Belgacom oder Telenet dieser Konkurrenz etwas entgegensetzen können.
Bild: Siska Gremmelprez/BELGA