"Der schlaue Schachzug von Koen Geens", titelt De Morgen. "Geens will alle Hintertürchen schließen bis auf eine", so die Schlagzeile von De Standaard.
Finanzminister Koen Geens hat am Montag im VRT-Fernsehen überraschend einen neuen Kompromissvorschlag gemacht. Es geht einmal mehr um die Besteuerung von Finanzprodukten. Quellensteuer wird ja erst erhoben ab einem Zinsertrag von 1.880 Euro. Diese Regelung gilt bislang nur für Sparbücher. Sie soll aber ausgeweitet werden auf andere Anlageprodukte wie Aktien, Obligationen oder Kassenbons.
Im Gegenzug wollte Geens bislang die Sparer und Anleger dazu bringen, ihre Erträge quasi offenzulegen, um in den Genuss der Freistellung zu kommen. Dagegen waren die flämischen Liberalen Sturm gelaufen. Sein neuer Vorschlag lautet jetzt: Es reicht, wenn man eine sogenannte "Erklärung auf Ehrenwort" abgibt und versichert, dass man keine Renditen kassiert, die über 1.880 Euro liegen. Am Nachmittag will die Regierung erneut über die Finanzmarktreform beraten.
Zu viele Kröten geschluckt?
Ob es dem Finanzminister mit seinem Kompromissvorschlag aber gelingt, die Open Vld doch noch zu überzeugen, ist fraglich. "Für die Open Vld ist das Maß der Demütigungen voll", analysiert De Standaard. Die Liberalen haben in den letzten Monaten einfach zu viele Kröten schlucken müssen. Ihre traditionelle Wählerschaft, also Unternehmer und Selbstständige, fühlen sich durch den Staat gemobbt.
Die Open Vld will jede neue Regelung vermeiden, die auch nur im Ansatz nach einer neuen Gängelung riecht, notiert auch De Morgen in seinem Leitartikel. Dabei hat die Partei aber offensichtlich Tomaten auf den Augen. Die Ausweitung der Steuervorteile auf andere Finanzprodukte käme der blauen Wählerschaft doch durchaus zugute. Statt dem hysterischen Teil ihrer Basis nach dem Mund zu reden, sollten die Liberalen vielleicht eher versuchen, ihre Truppen von den Vorzügen der neuen Regelung zu überzeugen.
Für Le Soir liegt der Fehler aber vor allem bei Koen Geens selbst. Erstens: Er hat den falschen Zeitpunkt gewählt. Sechs Monate vor einer Wahl muss man sich nicht wundern, wenn eine noch so gute Idee aus rein parteipolitischen Erwägungen im Papierkorb landet. Und zweitens: Geens greift zu kurz. Wir brauchen keine Neuordnung der Besteuerung von Finanzprodukten, wir brauchen eine allgemeine Steuerreform. Priorität muss sein, das belgische Steuerrecht aus der Steinzeit in die Moderne zu katapultieren.
Knies trotz Vollgas-Woche
Jedenfalls spielen Open Vld und CD&V ein gefährliches Spiel, glaubt Het Nieuwsblad. Beide Parteien schaukeln sich quasi gemeinsam in den Abgrund. Und das alles nur, weil sie gleichermaßen Angst vor der N-VA haben.
Dabei hat die Regierung in dieser Woche noch ein beeindruckendes Programm abzuarbeiten. L'Avenir spricht von einer "Vollgas-Woche": Bankenreform, Konjunkturpakt, Staatshaushalt, EU-Gipfel und nicht zuletzt die Staatsreform, all diese Akten sollten eigentlich noch vor Beginn der Weihnachtsferien unter Dach und Fach gebracht werden.
Sonntagsruhe bald Geschichte?
"Antwerpener Geschäfte werden künftig jeden Sonntag geöffnet sein", titelt heute De Standaard. In der Schelde-Stadt ist der "Heilige Sonntag" Geschichte. Die Geschäftswelt will sich damit auch gegenüber dem Internethandel neu positionieren.
Antwerpen, das ist nur der Anfang, orakelt De Standaard in seinem Leitartikel. Nach jahrzehntelangem Festhalten an der Sonntagsruhe fällt der erste Dominostein. Andere Städte werden folgen. Jetzt muss sich allerdings zeigen, ob all die Experten richtig lagen, die dem Einzelhandel durch das Sonntags-Shopping höhere Umsätze vorhergesagt haben. Hier fällt aber auch ein Symbol: ein Tag von kollektiver Ruhe, an dem die Welt mal innehielt. Allem Einkaufsvergnügen zum Trotz: Ein bisschen Heimweh schwingt schon mit, Sehnsucht nach einem Tag ohne Hektik.
Ein Betrug, der keiner war
"Die ACW muss 9,5 Millionen Euro an den Fiskus zahlen", titelt Het Nieuwsblad. Dies ist also der Epilog einer Geschichte, die die sogenannte "christliche Säule" vor einigen Monaten ins Wanken gebracht hat. Die ACW, das ist ja die Christliche Arbeiterbewegung. Die N-VA hatte der ACW vorgeworfen, die Steuer betrogen zu haben. Jetzt hat der Fiskus sein Urteil gefällt; von Betrug ist demnach keine Rede, wohl aber wird eine Nachzahlung fällig. Beide Protagonisten, die N-VA und auch die ACW, fühlen sich jetzt in ihrer Haltung bestätigt.
In dieser Geschichte gibt es aber nur Verlierer, urteilt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Die N-VA muss sich vorwerfen lassen, mit einer gigantischen Kanone letztlich auf Spatzen geschossen zu haben. Und die Christliche Arbeiterbewegung hat, indem sie, wenn auch legale, Steuerschlupflöcher genutzt hat, genau das getan, was sie der Unternehmenswelt vorwirft.
La Libre Belgique berichtet heute über einen Rettungsplan für die angeschlagene Fluggesellschaft Brussels Airlines. Im schlimmsten Fall droht eine Pleite der Gesellschaft. Bis zu 10.000 Arbeitsplätze wären bedroht.
Es ist richtig, dass die Regierung sich des Problems annimmt. Hier geht es nicht um Protektionismus. Fakt ist einfach, dass Airlines wie Ryanair in der EU von heute ganz legal den Wettbewerb verzerren können.
Eine sehr belgische deutsche Ministerin
"Angela Merkel bereit für eine dritte Amtszeit", schreibt L'Echo auf Seite eins. Das Blatt listet fünf große Herausforderungen auf, denen sich die neue deutsche Bundesregierung stellen muss.
Kleine Anekdote: Neue Verteidigungsministerin wird ja Ursula von der Leyen. Und das ist gewissermaßen eine belgische Ministerin, wie Gazet van Antwerpen und La Dernière Heure hervorheben. Von der Leyen wurde nämlich in Brüssel geboren und verbrachte dort auch ihre ersten Lebensjahre.
Foto: Siska Gremmelprez (afp, hier BRF-Archiv)