"Breite Front gegen Finanzmarkt-Reform", titelt De Morgen. "Keiner will die Reform des Finanzministers", so die Schlagzeile von De Standaard.
Die Regierungsspitze hat gestern über den Vorschlag von Finanzminister Koen Geens beraten. Dabei gab es erst mal keine Einigung. Strittig ist vor allem eine Neuordnung der Besteuerung auf Sparprodukte. Bislang sind nur Zinserträge von Sparbüchern bis zu einer Höhe von 1880 Euro von der Quellensteuer befreit. Auf Druck der EU soll diese Regelung ausgeweitet werden auf andere Anlagen wie Kassenbons und Obligationen. Im Gegenzug soll die Steuerbefreiung aber nicht mehr pro Konto, sondern pro Sparer gelten. Es soll also nicht mehr möglich sein, sein Geld auf verschiedene Sparbücher zu verteilen.
Die flämischen Liberalen OpenVLD hatten den Plan aber gleich nach Bekanntwerden der ersten Details abgeschossen. "Geens ist fuchsteufelswild auf die OpenVLD", so denn auch die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg. La Libre Belgique ahnt ihrerseits, was hinter dem Getöse steckt: "Es ist die letzte Woche vor dem Wahlkampf". Ende der Woche beginnen die Weihnachtsferien; und danach stehen die Zeichen definitiv auf Wahlen.
"Mit gezückten Pistolen"
Und im Moment fühlt man sich an einen Gangsterfilm von Quentin Tarantino erinnert, notiert De Morgen. Die Parteien stehen sich mit gezückten Pistolen gegenüber. Jeder will mit der Finanzmarkt-Reform noch eine letzte Trophäe nach Hause bringen. Die linken Parteien wollen eine klare Trennung zwischen Geschäfts- und Investment-Banken. Die rechten Parteien stemmen sich gegen ein Vermögenskataster, in dem also sämtliche Geldanlagen der Bürger aufgelistet wären. Die OpenVLD macht hier insbesondere den Schutz der Privatsphäre geltend. Die Liberalen haben hier definitiv nicht den Nutzen für die Gesellschaft vor Augen.
Hier üben sich viele der Beteiligten mal wieder in Scheinheiligkeit, kritisiert De Standaard. Weder Finanzminister Geens und erst recht nicht die OpenVLD wollen hier über die Lippen bringen, worum es geht: Hier soll doch nur eine Steuer korrekt eingetrieben werden. Das ist aber anscheinend dem Wähler nicht zu vermitteln. Steuerhinterziehung wird also de facto weiter geduldet. Jeder Belgier befindet sich offenbar gegenüber dem Fiskus in einer Situation, die man als "gesetzliche Notwehr" bezeichnen könnte. Die Steuer als Feind und die Politik unterstützt die Bürger in dieser Haltung.
Eine Steuerreform, das wird DAS große Thema in der nächsten Legislaturperiode sein, glaubt L'Avenir. Doch man weiß jetzt schon, dass sich Rechts und Links da wieder in die alten, dogmatischen Muster einmauern werden. Die liberale MR forderte am Wochenende noch Steuersenkungen im Gegenwert von fünf Milliarden Euro; die Sozialisten wollen sich traditionell das Geld bei den Reichen holen. Der Wahlkampf ist insofern ziemlich vorhersehbar.
Bewunderung für deutsche Vernunftehe
Einige Zeitungen werfen einen Blick auf die benachbarte Bundesrepublik Deutschland. "Deutschland ist bereit für Merkel III", schreibt De Standaard. La Libre Belgique bezeichnet die Große Koalition als "Vernunftehe".
In ihrem Kommentar blickt La Libre mit einer gewissen Bewunderung auf das Nachbarland. Die Regierung hat einen Plan. Das zeichnet Deutschland im Übrigen aus. Der heutige Erfolg der deutschen Wirtschaft ist das Resultat der Arbeitsmarktreformen unter Gerhard Schröder. Die große Stärke der Deutschen ist es, sich langfristige Ziele zu stecken und die dann auch einzuhalten. Welch ein Kontrast zu Frankreich, wo die Politik inzwischen zum Theater verkommen ist.
Welche Staatsbahn wollen wir?
Le Soir bringt heute den ersten Teil einer Artikelserie über die Nationale Eisenbahngesellschaft SNCB. Bis zum Samstag will das Blatt quasi ein Röntgenbild der Staatsbahn erstellen, insbesondere mit Blick auf die großen Herausforderungen der Zukunft.
Die Grundfeststellung ist eigentlich beängstigend, meint Le Soir in seinem Leitartikel.
Auf der einen Seite wird der Schienenverkehr allgemein als zentraler Faktor der Mobilitätspolitik von morgen betrachtet. Auf der anderen Seite vermittelt die SNCB aber den Eindruck, dieser Herausforderung nicht gewachsen zu sein. Die Staatsbahn verfügt über ein üppiges Budget, drei Milliarden Euro jährlich; die Resultate sind aber demgegenüber eher mager. Eine Frage ist längst überfällig: Welche Staatsbahn wollen wir eigentlich?
Von Flugzeugen und einer Pilatus-Mentalität
Gazet van Antwerpen beschäftigt sich mit der jüngsten Polemik um die mögliche Erneuerung der Kampfjet-Flotte. Verteidigungsminister Pieter De Crem plädiert für den Ankauf von 40 neuen Kampflugzeugen; die Kosten würden sich auf bis zu sechs Milliarden Euro belaufen. Vor allem die flämischen Sozialisten sp.a sind strikt dagegen.
Das ist reiner Populismus, wettert Gazet van Antwerpen. Wenn Belgien Mitglied der NATO bleiben will, dann muss das Land seinen Verpflichtungen nachkommen. Der Pazifismus der sp.a entspricht im Grunde einer Pilatus-Mentalität: Man wäscht seine Hände in Unschuld und lässt die Partner die Drecksarbeit machen.
Menschliche Pyramide
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit einem spektakulären Ausbruch aus dem Gefängnis von Lantin. "Der Häftling bekam Hilfe von einer menschlichen Pyramide", bringt Het Nieuwsblad es auf den Punkt. "Der 29jährige Ausbrecher gilt als gefährlich und gewalttätig", bemerkt La Dernière Heure. Het Laatste Nieuws bescheinigt ihm aber die Fähigkeiten eines Zirkusartisten. In der Tat gelang es ihm, eine sechs Meter hohe Mauer zu überwinden. Hilfe bekam er dabei von mehreren Mithäftlingen, die sich aufeinander stellten. Das Fazit eines Wärters in Het Laatste Nieuws: "So jemanden kann man nur festhalten, wenn man ihn in einen Keller steckt".
Rettungsplan für Gaskraftwerke
"Wie Belgien eine Strompanne vermeiden will", so die Aufmachergeschichte von Le Soir heute. Hintergrund sind nicht die Mikrorisse in den Kernreaktoren; Doel 3 und Tihange 2 sind ja wieder am Netz. Es geht vielmehr um Gaskraftwerke. Die sind im Moment nicht rentabel; viele müssen schließen. Man hätte diese Gaskraftwerke aber gerne weiter in der Hinterhand; für den Notfall; also will die Regierung jetzt nach Wegen suchen, diese Gaskraftwerke zu unterstützen.
"6,75 Millionen Bezahlungen mit Bankkarte", so die Schlagzeile von Het Laatste Nieuws. Es war also ein absolutes Spitzenwochenende. Der Einzelhandel verzeichnet im Vergleich zur gleichen Periode im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 1,5 Prozent. Fazit: "Die Kauflaune ist zurück".
Illustrationsbild: Herwig Vergult (belga)
@Bewunderung für deutsche Vernunftehe
Es erschließt sich mir in keinster Weise, wie man dem deutschen "Wirtschaftswunder" so den A..., pardon, Hintern pudern kann. Offensichtlich hat La Libre "übersehen", das das mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, Leiharbeitern, Niedriglöhnen, HARTZ IV-Aufstockern usw. erreicht wurde. Würde Deutschland flächendeckend moderate Löhne zahlen, wie in vielen Ländern der EU üblich, würde man dann mal sehen, was die deutsche Wirtschaft wirklich noch leisten kann!
Nun Herr Baacke,
Vielleicht liebäugelte dieses Blatt schon immer etwas mit liberalem Gedankengut. Der Name LA LIBRE sagt doch alles. Es gibt auch in Belgien einige viele die diesen Trend auch bei uns gerne sehen würden. Schauen Sie sich die Wahlprognosen dieser Partei an. Leider wird auch hier oft ein Gesicht in Form einesKanditatn oder einer Kanditatin gewählt ohne das Programm zu hinterfragen. Der Bürger bestraft sich selbst.