"Protest gegen königliche Begnadigung von Verkehrssündern", titelt Gazet Van Antwerpen. "Straßenpiraten" schreibt gar Het Laatste Nieuws. "Der König gibt das falsche Signal", so die Schlagzeile von Het Belang Van Limburg.
Der flämische Fernsehsender VTM hat am Sonntag berichtet, dass König Philippe seit seiner Thronbesteigung am 21. Juli elf Straftäter begnadigt hat. In der Praxis ist das gleichbedeutend mit einer Strafmilderung. Unter den Nutznießern sind einige Verkehrssünder. "Wir verstehen den König nicht", notieren die Blätter den Vorsitzenden der Vereinigung der Eltern verunglückter Kinder Paul Vande Walle. Hier gehe es auch um Personen, die ein lebenslanges Fahrverbot auferlegt bekommen haben. "Und eine solche Maßnahme treffen die Behörden in der Regel nicht umsonst", sagt Vande Walle. "Keine Gnade für König Philippe", titelt denn auch De Morgen. Alle flämischen Parteien, mit Ausnahme der Sozialisten, wollen jetzt das Begnadigungsrecht abschaffen, schreibt das Blatt.
Königliche Begnadigung: Des Kaisers Daumen
Man kann sich fragen, wie es überhaupt sein kann, dass es das Begnadigungsrecht noch gibt, notiert dazu De Morgen in seinem Leitartikel. Man fühlt sich an das alte Rom erinnert, wo der Kaiser über das Schicksal von Menschen entschied, indem er den Daumen hob oder senkte. Hinzu kommt, dass der Palast hier ein nicht unerhebliches Risiko eingeht. Man stelle sich vor, einer der Begnadigten fährt irgendwann unter Alkoholeinfluss in eine Gruppe von Kindern. Prinzipiell ist es richtig, dass man Menschen eine zweite Chance gibt. Nur sollten darüber professionelle Magistrate entscheiden.
Man darf hier nicht in Karikaturen verfallen, warnt demgegenüber Het Nieuwsblad. Im Zusammenhang mit dem Begnadigungsrecht wird die Rolle des Königs nämlich häufig überschätzt. Über die Bewilligung eines Gnadengesuchs entscheidet nämlich in der Praxis eine eigens dafür vorgesehene Stelle innerhalb der Justiz. Der König setzt letztlich nur seine Unterschrift unter den Beschluss. Das Ganze ist aber wenig transparent. Und die Außenwirkung sorgt für ein wenig zeitgemäßes Bild. König Philippe wäre gut beraten gewesen, diese mystische Prozedur aus freien Stücken abzuschaffen. Jetzt könnte sich die Politik mit dem Thema befassen.
Die Mehrwertsteuer-Fee
Viele Zeitungen kommen in ihrem Leitartikel noch einmal auf den Konjunkturplan zurück, den die Regierungen des Landes am Freitag verabschiedet hatten. Herzstück ist ja die Senkung der Mehrwertsteuer auf Elektrizität von 21 auf sechs Prozent ab dem ersten April kommenden Jahres.
Die Bewertung der Zeitungen fällt durchwachsen aus. Die Mehrwertsteuersenkung erinnert irgendwie an die gute Fee, die mit einem Mal sämtliche Probleme lösen soll. Sicher: Belgien ist das Land mit der höchsten Mehrwertsteuer auf Strom. Die Maßnahme sorgt durchaus für eine Entlastung der Haushalte und auch der Unternehmen. Zugleich werden damit der Index im Zaum und die Entwicklung der Löhne in Grenzen gehalten. Allerdings: Die Mehrwertsteuersenkung kann nicht alle Probleme lösen. Und nicht vergessen: Die Maßnahme kostet Geld. Geld, das der Staat sich möglicherweise am Ende anderswo wieder holen muss.
Der Wettbewerbspakt wird das Lohn-Handicap der belgischen Unternehmen nicht aus der Welt schaffen, glaubt Gazet Van Antwerpen. Doch muss man zugeben, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das räumen sogar die Arbeitgeber ein. Das dicke Ende kommt allerdings noch. Um in der EU-Spur zu bleiben, muss die nächste Regierung gleich nach der Wahl wieder eine neue Sparrunde eröffnen. Das kann gleich wieder die Effekte des Konjunkturplans zunichtemachen.
Di Rupos Apothekerrechnungen
Dieser Konjunkturplan ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, glaubt Het Belang Van Limburg. Experten beziffern das Lohnkosten-Handicap der belgischen Unternehmen auf sieben Milliarden Euro. Die Regierung senkt die Lohnnebenkosten jedoch nur um 450 Millionen Euro, viel zu wenig also. Und die Kosten dafür werden quasi in die Zukunft verlegt. Die nächste Regierung wird wieder rund zehn Milliarden Euro einsparen müssen. Hier zeigt sich: Die Equipe Di Rupo hat ihren Sanierungsauftrag bislang nur teilweise erfüllt.
Di Rupo ist spezialisiert auf Apothekerrechnung, urteilt Het Laatste Nieuws. Diese Regierung beschließt eine solche Menge von Maßnahmen, dass deren Effekt eigentlich kaum zu beurteilen sein wird. Das ändert nichts daran, dass das Lohnkosten-Handicap zu langsam abgebaut wird. Außerdem agiert man viel zu trage. Wer glaubt, die wirtschaftliche Entwicklung bis 2019 simulieren zu können, der verkennt die Realität, der geht davon aus, dass die Wirtschaft ein stabiles, vorhersehbares System ist. Fazit: Diese Regierung und vor allem auch ihre Nachfolger müssen am Ball bleiben.
Ein Ufo namens Tecteo
Le Soir widmet heute den Interkommunalen ein großes Dossier. Unmittelbarer Anlass ist ein Reformprojekt, das der zuständige wallonische Minister Paul Furlan in den nächsten Tagen vorlegen will. Er reagiert damit auch auf die Aktivitäten der Lütticher Interkommunalen Tecteo. Tecteo hatte ja unter anderem mit dem Kauf der Zeitungsgruppe L'Avenir für Schlagzeilen gesorgt.
Tecteo hat den Interkommunalen in ihrer Gesamtheit damit keinen Gefallen getan, konstatiert Le Soir in seinem Leitartikel. Mit einer Interkommunalen hat das Geschäftsgebaren von Tecteo nämlich nichts mehr zu tun. Die Gesellschaft kann man allenfalls noch als halb-politisches, halb-unternehmerisches UFO bezeichnen, das sich in den Augen vieler scheinbar jeglicher externen Kontrolle entzieht. Es wird also Zeit, dass die Politik hier noch einmal für Klarheit sorgt.
Archivbild: Kristof Van Accom (belga)