"Panik in der Wallonie", titelt La Dernière Heure. "Gewaltstreich von Ryanair am Brussels Airport", so die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Michael O'Leary, der charismatische Chef des Billigfliegers Ryanair hat am Mittwoch einen spektakulären Strategiewechsel angekündigt. Ryanair will jetzt auch vom Brussels Airport in Zaventem aus operieren. Zehn Verbindungen sollen zunächst angeboten werden. Und dabei werden nicht mehr wie bisher kleine Provinzflughäfen angeflogen, sondern die großen Airports der Metropolen. Einer davon soll also Brüssel Zaventem sein. Am Brussels Airport dürfte der neue Wettbewerber Ryanair aber für erhebliche Unruhe sorgen. "Ryanair entfesselt einen Preiskrieg in Zaventem", schreiben etwa De Morgen und auch Het Laatste Nieuws.
"Vergiftetes Geschenk" für Zaventem, Unbehagen in Charleroi
De Standaard spricht von einem "vergifteten Geschenk" für den Brussels Airport. Und auch in der Wallonie beobachtet man die neue Entwicklung mit Unbehagen. Ryanair war ja bislang der privilegierte Partner am Regionalflughafen in Charleroi, wo der Billigflieger für einen Großteil des Umsatzes sorgt.
O'Leary hat am Mittwoch eine Luftmine platzen lassen, notiert La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Der Krieg zwischen den Airports ist ab jetzt vollends entbrannt. Da kann die Wallonische Region noch so ein harmonisches Miteinander beschwören. Das ändert nichts daran, dass die Luftfahrtbranche vor einer neuen Revolution steht. Ryanair will über sein Engagement in Zaventem seinen Kundenkreis erweitern und wird damit für die klassischen Linienflieger zu einer noch größeren Bedrohung. Möglich ist das auch, weil in Irland, dem Mutterland von Ryanair, günstige Tarifbedingungen herrschen. Insofern dürfte auch die Forderung nach einem sozialen Europa neuen Aufwind bekommen.
Konkurrenz unter Airports, das ist in der Regel eine rein wirtschaftliche Angelegenheit. In Belgien hat das jedoch immer gleich auch eine politische Dimension. Für die Wallonische Region ist der Flughafen Charleroi ein wirklicher wirtschaftsstrategischer Eckstein. Dass jetzt ausgerechnet der historische Partner Ryanair eine zweite Front eröffnet und damit quasi die beiden großen belgischen Airports zu direkten Konkurrenten macht, mischt die Karten neu. Möglicherweise wird man sehr bald schmerzlich feststellen müssen, dass zwei Flughäfen, die praktisch ein und dasselbe Einzugsgebiet bedienen, wirtschaftlich keinen Sinn machen.
Euthanasie für Minderjährige: weitgehende Zustimmung
"Belgien versetzt die Welt mit seinem neuen Euthanasiegesetz in Erstaunen", titelt derweil Het Nieuwsblad. Im Senat hat der zuständige Ausschuss am Mittwoch ja das Gesetz verabschiedet, dass Euthanasie für Minderjährige ermöglichen wird. Belgien ist damit weltweit erst das zweite Land, das eine solche Regelung vorsieht.
In den Leitartikeln gibt es dennoch im Großen und Ganzen nur Zustimmung für die Möglichkeit der Euthanasie für Minderjährige.
Het Belang van Limburg etwa hält zunächst mal grundsätzlich fest: Euthanasie ist ein Recht, keine Pflicht. Wer aus Gründen seiner Überzeugung oder seiner Religion gegen aktive Sterbehilfe ist, der kann sich immer noch für die Palliativpflege entscheiden. Die Kritiker vergessen häufig, diese Nuance zu erwähnen.
Zu den Gegnern gehören ja auch die beiden christlichen Parteien CD&V und CDH. Und die führen da manchmal doch abenteuerliche Vergleiche ins Feld, meint Het Nieuwsblad. Zum Beispiel das folgende Bild: Kinder unter 16 dürfen keinen Alkohol und keine Zigaretten kaufen, aber bald wohl über ihren eigenen Tod entscheiden. Klingt nach einem schlagenden Argument, doch hinkt dieser Vergleich. Im vorliegenden Fall geht es wohlgemerkt um Kinder, die schon einen langen Leidensweg hinter sich haben, bestimmt nicht um Liebeskummer von Pubertierenden. So lange es ausreichend Sicherheitsriegel gibt, besteht kein Grund, das Recht auf Euthanasie an eine Altersgrenze zu koppeln. Denn nicht vergessen: Euthanasie ist eine Option, die erst dann offen steht, wenn es keine guten Optionen mehr gibt.
Was glauben denn die christlichen Parteien, fragt provokativ Het Laatste Nieuws. Gehen CD&V und CDH davon aus, dass man sein Kind in Krisenzeiten eher sterben lässt als in einer Zeit, in der die Wirtschaft boomt? Verdächtigen diese Parteien tatsächlich die Eltern von todkranken Kindern, Druck auf ihr eigen Fleisch und Blut auszuüben, damit diese früher aus dem Leben scheiden? Wacht auf, CD&V und CDH! Vertraut den Menschen, die Euch so heilig sind!
Gazet van Antwerpen glaubt dennoch, dass die Debatte Spuren hinterlassen wird. Das Gesetz kommt voraussichtlich mit einer Wechselmehrheit zustande. Liberale und Sozialisten bekommen Unterstützung aus der Opposition, genauer gesagt von den Grünen und der N-VA. Die Koalitionsparteien CD&V und CDH fühlen sich aber von den Partnern betrogen. Da muss man womöglich mit Racheaktionen rechnen.
Strafrechtliche Jungfräulichkeit für neun Millionen Euro
Anderes großes Thema ist heute das wahrscheinliche Ende des Prozesses gegen die Holding "Bois Sauvage". Der Gesellschaft und ihren Verantwortlichen wurden Insidergeschäfte zur Last gelegt. Konkret: Kurz vor der Zerschlagung der Fortis hat Bois Sauvage noch seine Fortis-Aktien verkauft. Der Punkt: Luc Vansteenkiste, Mitglied des Aufsichtsrats von Bois Sauvage, war auch im Aufsichtsrat von Fortis. Der Verdacht: Vansteenkiste hat seine Kollegen von Bois Sauvage über die anstehenden Ereignisse informiert. Zu einem Prozess wird es aber wahrscheinlich nicht kommen; Bois Sauvage hat sich mit der Justiz auf einen Vergleich geeinigt: Man zahlt knapp 9 Millionen Euro und das Verfahren wird eingestellt. "Bois Sauvage und seine Verantwortlichen erkaufen sich ihre strafrechtliche Jungfräulichkeit", so denn auch die Schlagzeile von L'Echo. "Für uns sind 9 Millionen nicht das Ende der Welt", zitiert De Standaard auf Seite eins einen Vertreter von Bois Sauvage.
"Klassenjustiz" und Glaubwürdigkeit
De Morgen spricht in diesem Zusammenhang von "Klassenjustiz". Wer weggeschmissene Lebensmittel aus der Mülltonne eines Supermarkts nimmt, der muss sich wegen Diebstahl verantworten. Wer auf betrügerische Art und Weise Millionen verdient, der kann einem Urteil entgehen, unter der Voraussetzung, dass er über das nötige Kleingeld verfügt.
Le Soir sieht das ähnlich. Wenn man will, dann kann man ja noch den Ausgang der Geschichte als "pragmatisch" bezeichnen. Hier wird ein möglicherweise endloses Verfahren abgekürzt. Insidergeschäfte sind in der Tat nur sehr schwer zu beweisen. Schade nur, dass mit dem Prozess auch seine abschreckende und symbolische Wirkung jetzt verpuffen.
De Standaard schlägt in dieselbe Kerbe: Hier geht es um Glaubwürdigkeit, nicht um Geld. Aus Gründen der Außenwirkung wäre ein Prozess immer die bessere Option gewesen. Selbst auf die Gefahr hin, dass die Angeklagten am Ende freigesprochen worden wären.
Bild: Jorge Dirkx (belga)