Im Einzelnen: "Minus 4,7 Prozent", steht groß auf Seite eins von La Libre Belgique. Im neuesten Politbarometer der Zeitung verlieren die flämischen Nationalisten der N-VA deutlich an Zuspruch. Die Zeitung wertet das als klares Zeichen: Die Tendenz ist gut.
Vor einem Jahr, daran sollten wir uns erinnern, war Flandern komplett im Griff von De Wever: Der N-VA-Chef diktierte die politische und mediale Agenda. Niemand im Norden wagte es, sich offen gegen ihn zu stellen. Man versuchte ihm auszuweichen oder zuzustimmen.
Heute sieht das anders aus. Die anderen Parteien, allen voran die CD&V, haben sich gefangen und treten wieder selbstbewusst auf. Diese pädagogische Arbeit muss weitergehen, damit am 25. Mai 2014 Flandern eine politische Mehrheit ohne die N-VA wählt, so La Libre Belgique.
Mehrheit der Flamen steht hinter N-VA-Ideen
Skeptischer geht Le Soir mit den Zahlen seines eigenen Politbarometers um. Zwar verliert die N-VA auch in dieser Zeitung an Stimmen. Aber Le Soir hat auch gefragt, wie die Flamen zum Programm der N-VA stehen. "Jeder zweite Flame findet das Projekt der N-VA gut", fasst das Blatt die Antworten in seiner Titelzeile zusammen. Im Kommentar heißt es dazu: 41 Prozent der Flamen finden die Idee des Konföderalismus attraktiv. 55 Prozent der Flamen wollen das System der Sozialleistungen von föderaler auf regionale Ebene bringen. Sprich: Die Solidarität mit den Wallonen beenden.
54 Prozent fänden es gut, wenn die Hauptstadtregion Brüssel sich klar entscheidet, zu wem sie gehören will, sprachlich, steuerlich und sozial: entweder zur Wallonie oder zu Flandern. Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache. Sie dürfen von den Frankophonen nicht einfach weggewischt werden, unter dem Stichwort "extreme Ideen". Man muss sich tatsächlich ernsthaft Gedanken über die Einheit unseres Landes machen: Man wird sicherlich nicht in alle Ewigkeit ein Flandern unter dem belgischen Dach halten können. Ein Flandern, das nicht auch die Werte des Südens teilt, schreibt Le Soir.
Neues Chaos oder viel Lärm um nichts?
Auch De Morgen ist trotz sinkender Wahlabsichten für die N-VA nicht glücklich über die neuesten Ergebnisse aus den Umfragen. Klar: Weniger Leute wollen die N-VA wählen, aber die Ideen dieser Partei sind bei den Flamen sehr populär. Das rückt die N-VA erneut in die glänzende Position des Außenseiters. Sie hat mit ihren Gedanken Rückhalt bei der Bevölkerung, wird bei den Wahlen so viel Stimmen bekommen, dass sie eine Rolle spielen wird bei der neuen Regierungsbildung. Und sei es auch nur als Verhinderer einfacher Mehrheiten. Die Umfragen machen deutlich: Wir sind wieder ein Stück näher an dem föderalen Chaos, das uns vor drei Jahren 541 Tage ohne Regierung beschert hat. Da kann man nur seufzen, meint De Morgen.
Ganz anders sieht das die Wirtschaftszeitung L'Echo. Die neuesten Zahlen zeigen: Eigentlich ist schon alles gelaufen. Wenn die Föderalregierung auf der Zielgeraden keinen großen Fehler mehr macht, dann kann sie sich dem Wähler mit einer beachtlichen Bilanz präsentieren. Wenn dann die N-VA so um die 30 Prozent bekäme, würden die Sozialisten die stärkste politische Kraft sein, wenn man die Genossen im Norden und Süden zusammenzählt. Folgerichtig wird es dann, nach einigem Geplänkel mit den Nationalisten, auf eine zweite Amtszeit von Di Rupo hinauslaufen. Denn Alternativen gibt es nicht. Kurz: viel Lärm um nichts, glaubt L'Echo.
MR punktet mit Familienpolitik
Die Wahlen 2014 rückt auch L'Avenir ins Zentrum seines Kommentars, der sich vordergründig mit der Anpassung des Kindergeldes für Angestellte und Freiberufler befasst: Die Entscheidung hat federführend die Ministerin Sabine Laruelle herbeigeführt. Das wird ihre Partei, die liberale MR, genüsslich ausschlachten. "Seht her, das haben wir gemacht", wird sie im Wahlkampf sagen und damit auf ein positives Echo bei vielen Wählern stoßen. Denn die Gleichbehandlung beim Kindergeld ist eine Sache, die jedem einleuchtet. Warum sollte ein Freiberufler weniger bekommen? Die MR hat also kräftig gepunktet, und wird uns sechs Monate daran erinnern, glaubt L'Avenir.
Wie blind können Eurokraten sein?
Gazet Van Antwerpen geht auf den Streit zwischen Staatssekretär John Crombez und der EU-Kommission ein. Crombez will Unternehmen aus anderen EU-Ländern die Arbeitserlaubnis in Belgien entziehen, wenn diese Unternehmen Sozialdumping betreiben, zum Beispiel durch zu niedrige Löhne. Die EU-Kommission sagt, dass das nicht geht. Die Zeitung findet: Crombez hat vollkommen recht. Wenn man sich bei der EU fragt, warum die Europa-Skepsis beim einfachen Mann auf der Straße wächst, dann gibt sie sich selbst die Antwort. Belgische Unternehmen müssen schließen, Belgier verlieren ihren Job, Familien rutschen in Armut ab, nur weil Polen, Rumänen, Portugiesen und Bulgaren für weniger Geld hier arbeiten.
Natürlich muss den Firmen, die diese Leute beschäftigen und damit böses Sozialdumping praktizieren, das Handwerk gelegt werden. Wie blind und unsozial kann man denn als Eurokrat nur sein, um solche Missstände zu tolerieren?, fragt empört Gazet Van Antwerpen.
Bild: Benoit Doppagne (belga)