"Parlamentarier wegen Mordverdachts in U-Haft", titelt Het Nieuwsblad. Auch De Standaard bringt heute die Meldung. Die Rede ist von dem wallonischen Regionalabgeordneten Bernard Wesphael. Seine Frau war in einem Hotelzimmer in Ostende tot aufgefunden worden. Wesphael, der ebenfalls anwesend war, sprach von einem Selbstmord. Die Ermittler ziehen aber Teile seiner Aussagen in Zweifel. Gegen den Mitbegründer von Ecolo und heutigen Präsidenten der von ihm gegründeten "Links Bewegung" wurde Haftbefehl erlassen.
N-VA auf allen Kanälen
Es ist aber vor allem die Führungsriege der flämischen Nationalistenpartei N- VA, die heute im Mittelpunkt steht. Parteichef Bart De Wever und zwei seiner Mitstreiter, Ben Weyts und Jan Jambon, sind heute buchstäblich auf allen Kanälen. "De Wever will 30- Prozent der Stimmen holen", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. De Wever erklärt aber in einem Interview mit der Zeitung, dass sein Konföderalismus nicht heilig ist: "Hauptsache, wir bekommen eine Regierung, die die Probleme schnell anpackt".
Andere N- VA-Führungsmitglieder sagen da heute etwas anderes. "Wer mit uns regiert, der muss auch den Konföderalismus wollen", sagt N- VA-Vizepräsident Ben Weyts auf Seite eins von De Standaard. Der N- VA-Fraktionschef Jan Jambon geht in De Morgen noch einen Schritt weiter: "Die N- VA tritt keiner Regierung bei ohne Grundsatzabkommen über die Einführung des Konföderalismus", sagt Jambon.
"Es geht um alles, aber vor allem um nichts"
Man könnte meinen, die N- VA pokere hoch, nach dem Motto "alles oder nichts", notiert De Standaard in seinem Leitartikel. Das stimmt aber nicht: Hier geht es - wenn überhaupt - dann um nichts. Mit einem solchen Programm stellt sich die Partei ins Abseits. Keine einzige frankophone Partei wird sich auf das konföderalistische Abenteuer der N- VA einlassen. Und auch auf flämischer Seite wird man wohl kaum Verbündete finden. Aber immerhin: Es ehrt die N- VA, dass sie endlich ihren Konföderalismus erklärt und dabei Ross und Reiter genannt hat.
De Wever verlangt allerdings viel von den Wählern, glaubt Het Nieuwsblad. Wenn die N- VA die von ihm erhofften 30- Prozent der Stimmen bekommt, dann wird De Wever diesen Wählern auf kurz oder lang erklären müssen, warum die versprochene Staatsreform nicht kommt. Wenn er auf der anderen Seite zu verstehen gibt, dass die N- VA auch ohne konföderale Revolution einer Regierung beitreten würde, und zwar allein um eine zweite Regierung Di Rupo zu verhindern, dann würde die N- VA zu einer Partei wie alle anderen. Die Wähler müssten dann darauf vertrauen, dass die N- VA ihren Konföderalismus später einführt. Ein solches Vertrauen muss man sich aber verdienen.
Tagträumen
De Morgen sucht seinerseits weiter nach einer inneren Logik in der Strategie der N- VA. Die Partei von Bart De Wever will eine tiefgreifende Staatsreform. Zugleich tönt sie vollmundig, dass sie nie einer Regierung mit der PS beitreten werde. Das ist reine Science Fiction. Die Stimmen der PS sind für eine Staatsreform zwingend nötig. Doch wer glaubt denn, dass die frankophonen Sozialisten der Spaltung der sozialen Sicherheit zustimmen würden? Und das noch dazu aus der Opposition, wenn man der N- VA-Hypothese folgt. Das ist schlicht und einfach undenkbar.
Das GrenzEcho spricht denn auch seinerseits von "Tagträumen". Inhaltlich hat die N-VA zwar alle Karten aufgedeckt, aber strategisch weiß man nicht, wo die Reise hingehen soll. Das Drehbuch ist geschrieben, aber ob es zu einem Film taugt, ist höchst fraglich.
Erste Umfragen mögen darauf hinweisen, dass die N- VA noch viel Überzeugungsarbeit leisten muss. "Keine Begeisterungsstürme in Flandern für den De Wever-Plan", titelt La Libre Belgique. In der Tat: 42 Prozent der Flamen unterstützen den Konföderalismus à la N- VA. 42 Prozent, das ist viel und nicht viel, führt La Libre Belgique aus. Es ist viel für ein Projekt, das so offen separatistisch ist. Es ist aber auch nicht ein lupenreines Mandat. Indem sie sich so radikal positioniert, will die Partei von Bart De Wever offensichtlich den Wähler vor die Gretchenfrage stellen. Man riskiert damit aber die Isolation.
Und anscheinend reiben sich die anderen flämischen Parteien die Hände, analysiert Le Soir. Das Blatt hat mit ungenannten Spitzenkräften der traditionellen Parteien in Flandern gesprochen. Und viele glauben, dass sich Bart De Wever verkalkuliert hat. Man könne doch nur feststellen, dass der Konföderalismus à la N- VA noch komplizierter ist, als das was wir jetzt haben. Das ist doch ein schlechter Witz. Bemerkenswert übrigens auch die Reaktion der anderen Parteien auf die Pläne der N- VA. Es gab nämlich gar keine: Kein Kommentar! Also nach dem Motto: Was dieser De Wever erzählt, das interessiert uns eigentlich gar nicht mehr. Laut La Libre Belgique gibt es denn auch schon ein stillschweigendes Abkommen zwischen den Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen in Flandern. Die wollen offenbar mit allen Mitteln die N- VA draußen halten.
Bart De Wever selbst scheint das zu spüren. Eben deswegen hofft er auf ein klares Mandat des Wählers: "Wenn wir 30 Prozent erringen, sind wir am Drücker", sagt er in Het Laatste Nieuws. In Het Nieuwsblad fügt er hinzu: "Selbst eine Verfassung kann eine demokratische Dynamik nicht aufhalten". Zugleich beruhigt er: "Ich predige keine Revolution".
Ein Parteichef reagiert übrigens heute offiziell auf die Pläne der N- VA, nämlich MR-Chef Charles Michel in der Zeitung L'Echo. Seine Antwort fällt wenig überraschend aus: "Die Vorschläge der N- VA sind ungenießbar. Das N-VA-Programm ist nicht mehr als ein Fliegenfänger, mit dem Ziel, das Land zu zerstören". Die Absage der MR ist insofern bemerkenswert, als De Wever in den frankophonen Liberalen einen potentiellen Partner sah.
Nicht nur Angela Merkel
"Die USA hacken die Mail von einer belgischen Parlamentarierin, schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen. Hier geht es um die N- VA-Abgeordnete Karolien Grosemans. Sie hat festgestellt, dass eine E-Mail von ihr auf einem US-Militärstützpunkt geöffnet wurde. Das sei der Beweis, dass die Amerikaner nicht nur Spitzenpolitiker wie Angela Merkel aushorchen, sondern auch Menschen wie du und ich, sagt Grosemans.
Das Ganze wird schon immer beängstigender, meint Het Belang Van Limburg in seinem Kommentar. Der Schutz des Privatlebens ist integraler Bestandteil der Menschenwürde und der persönlichen Freiheit. Eine Gesellschaft, die das aus den Augen verliert, droht zu entarten und zu einem totalitären Staat zu werden.
Bild: Benoit Doppagne (belga)