"EU-Gipfel im Bann der Spionage", titelt De Morgen. "Das Handy von Angela Merkel bringt den EU-Gipfel durcheinander, schreibt Le Soir auf Seite eins. La Libre Belgique hat eine Schlagzeile gefunden auf halbem Weg zwischen Rotkäppchen und George Orwell: "Oh! Großer Bruder, was hast du doch für große Ohren".
Der mutmaßliche Lauschangriff des amerikanischen Geheimdienstes NSA auf das Telefon der deutschen Bundeskanzlerin sorgt europaweit für Empörung. US-Präsident Barack Obama dementiert zwar die entsprechenden Presseberichte, vieles spricht aber dafür, dass die Geschichte stimmt.
De Standaard zitiert auf seiner Titelseite die Kollegen von der Londoner Zeitung The Guardian: "Die NSA hörte 35 internationale Spitzenpolitiker ab". Die britische Zeitung beruft sich auf Geheimdokumente, die im Besitz des Whistleblowers Edward Snowden sind.
"Abhören unter Freunden, das geht gar nicht", zitiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Merkel sei "rasend auf Obama", fügt das Blatt hinzu. L'Echo sieht auf Seite eins die Europäer "vereint durch die Spionage-Affäre". De Morgen hingegen hat Misstöne ausgemacht und wundert sich vor allem über die Haltung der deutschen Bundeskanzlerin: Während die Wut über die Praktiken der amerikanischen Geheimdienste groß ist, weigern sich Deutschland und Großbritannien, die europäischen Datenschutzrichtlinien zu verschärfen. Das Projekt soll um ein Jahr aufgeschoben werden, schreibt De Morgen.
Wenn die Affäre nicht zu ernst wäre, könnte man eigentlich darüber lachen, meint Le Soir dazu in seinem Leitartikel. Seien wir mal ehrlich: Die deutsche Bundeskanzlerin ist wohl keine Terroristin und stellt auch keine unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit der USA dar. Warum also verschwenden die amerikanischen Geheimdienste ihre Zeit damit, Frau Merkel abzuhören? Beängstigend ist bei alldem aber vor allem der amerikanische Geheimdienst NSA selbst. Anscheinend ist die NSA so eine Art Selbstläufer, abgekoppelt von jeglicher politischer Kontrolle, eine Maschine, die sich der Kontrolle ihres Schöpfers entzogen hat. Wer leitet die amerikanischen Dienste? Anscheinend nicht der Präsident. Und das ist sehr bedenklich.
Diese Affäre ist für die Europäer DIE Gelegenheit, sich ein für alle Mal von den Amerikanern zu emanzipieren, glaubt L'Echo. Wie sagte schon der ehemalige Kommissionspräsident Jaques Delors: Europa wird erst dann erwachsen sein, wenn es gegenüber dem amerikanischen Alliierten einmal entschlossen und gemeinsam Nein sagt. Es wäre jedenfalls im vorliegenden Fall eine Reaktion, die der Empörung in der öffentlichen Meinung gerecht würde.
La Libre Belgique verweist in ihrem Kommentar auf den berühmten Spruch des früheren US-Außenministers Henry Kissinger. Der hatte sich ja über die europäische Uneinigkeit lustig gemacht und ironisch gefragt, welche denn die Telefonnummer Europas sei? Nun: Die NSA hat da offensichtlich Telefonnummern gefunden. Es wird höchste Zeit, dass Europa mit den USA Spielregeln im puncto Datenaustausch festlegt und auch dafür sorgt, dass die eingehalten werden.
Wahlpflicht im Fokus
"1,1 Millionen Belgier haben bei den Gemeinderatswahlen nicht gewählt", schreiben De Standaard und Het Nieuwsblad. Das ist einer von sechs Belgiern. Noch nie war diese Zahl so groß. Damit ist die Diskussion über die Wahlpflicht jedenfalls wieder neuentbrannt, glaubt Het Nieuwsblad. Dabei vergessen die Menschen viel zu häufig, dass diejenigen, die ihre Stimme nicht abgeben, sehr schnell vergessen werden. Beispiel: Der Vlaams Blok. Die Rechtsextremisten wären in den 1990er Jahren ohne die Wahlpflicht wohl nie so stark geworden. Doch hätte man dann auch nicht das Unbehagen vieler Menschen erkannt. Unsere Wahlpflicht hat noch einen Vorteil: Es ist wie der Teller Spinat, den man den Kindern vorsetzt, weil es ja gut für sie ist. In der Hoffnung, dass sie daran Geschmack bekommen.
De Standaard hingegen will die Politik in die Pflicht nehmen. Den Parteien ist es wohl egal, wie viele enttäuschte und desillusionierte Bürger auf der Strecke bleiben. Da gibt es nur eins: Man sollte die Parteienfinanzierung an die Wahlbeteiligung koppeln: Je weniger Leute wählen, desto weniger Geld bekommen die Parteien. Dann würden sie sich jedenfalls wieder ins Zeug legen, um die Bürger zu motivieren, ihre Stimme abzugeben.
Von Luxuswohnungen und Winterzeit
Unter anderem L'Echo und De Morgen berichten heute über die Praktiken des bisherigen Chefs der Flugaufsichtsbehörde Belgocontrol, Jean-Claude Tintin. Tintin hatte sich in den Räumlichkeiten von Belgocontrol ein Luxusappartement einrichten lassen, sogar mit einem privaten Aufzug versehen. Dabei hat Belgocontrol inzwischen 54 Millionen Schulden. Das hindert Tintin aber nicht daran, auf eine Abschiedsprämie von 530.000 Euro zu pochen.
De Standaard und Het Nieuwsblad bringen heute auf ihrer Titelseite explosive Fotos. Zu sehen ist Jan Jambon, ein Schwergewicht der N-VA, in nicht ganz so illustrer Gesellschaft: Jan Jambon hält eine Rede vor ehemaligen SS-Mitgliedern. Ein anderes Bild zeigt ihn auf einer Veranstaltung von Jean-Marie Le Pen. Die Fotos sind mitunter über 10 Jahre alt. Das Pikante: Veröffentlicht wurden die Fotos von der rechtsextremistischen Organisation NSA. Die NSA will offensichtlich der N-VA eins auswischen, weil die Partei von Bart De Wever anscheinend in den Augen der Rechtsextremisten die flämische Sache verrät.
"Rekordbetrag beim Pensionssparen", so die Schlagzeile von Le Soir. Das Sparprodukt ist anscheinend so populär wie nie: Mehr als 13 Milliarden Euro befinden sich inzwischen in den verschiedenen Töpfen.
Ganz andere Geschichte auf Seite eins von Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen: "Ein Viertel mehr Unfälle mit Fußgängern wegen Winterzeit", so die Schlagzeile. Dies schlicht und einfach aufgrund der Tatsache, dass es früher dunkel sein wird. Und das erinnert uns zugleich daran: Am Wochenende werden die Uhren zurückgestellt ...
Bild: Georges Gobet (afp)