"Abschied", titelt De Morgen. "Ein großer Staatsmann ist von uns gegangen", meint De Standaard. "Pflichtbewusst bis zum letzten Atemzug", schreibt Gazet Van Antwerpen. Le Soir notiert: "Wilfried Martens, der Regierungschef mit den neun Leben". Belgiens ehemaliger Premierminister ist in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 77 Jahren verstorben. Solange wie kein anderer hat er an der Spitze des Landes gestanden. Während seiner 13-jährigen Amtszeit leitete er sage und schreibe neun Koalitionen.
Het Nieuwsblad bemerkt: Für ganze Generationen von Belgiern war Premierminister Martens die einzige Konstante in politisch turbulenten Zeiten. Martens kennen wir vor allem mit einer römischen Zahl hinter seinem Namen. Die Regierungen fielen in den 1980er Jahren um wie die Fliegen, aber Martens war immer da.
Martens: Vom Hardliner zum Staatsmann
Alle Zeitungen loben die Verdienste des christdemokratischen Politikers. Le Soir nennt ihn einen beispiellosen Belgier und Europäer. Wilfried Martens hat Belgien verändert, weiß auch Het Belang Van Limburg. Er hat den Föderalismus und die wichtigen Staatsreformen erst möglich gemacht.
Wilfried Martens hat dem Land seinen Stempel aufgedrückt, ist La Libre Belgique überzeugt. Die Zeitung kommt auf den Werdegang des Spitzenpolitikers zurück: Vom flämischen Hardliner in seinen Jugendjahren hat er sich zum Premierminister eines modernen Belgiens gemausert, das sowohl aus starken Teilstaaten besteht als auch aus einer starken föderalen Ebene.
Loyalität und die so genannte Bundestreue waren für ihn zwei sehr wichtige Begriffe. Daran sollten sich heute viele Politiker in Flandern ein Beispiel nehmen, meint La Dernière Heure. In die gleiche Kerbe schlägt L'Avenir: Mittlerweile haben sich die Gemeinschaften im Land so sehr voneinander entfremdet, dass einige sogar von der Unabhängigkeit träumen. Das hätte Wilfried Martens mit Sicherheit nicht gewollt, ist das Blatt überzeugt.
Eine Laufbahn wie sie Martens in den 1980er Jahren hingelegt hat, wäre heute nicht mehr möglich, bemerkt De Standaard. Aber: Die Demokratie hat Leitfiguren wie ihn nötig, die sich trauen, auch drastische Entscheidungen zu treffen und diese dann mit aller Kraft verteidigen. Zu Martens' Zeiten waren dazu Mut und Überzeugung nötig. Heute braucht es dazu schon Todesmut.
Föderalismus und Sanierung der Staatsfinanzen
Auch sozialwirtschaftlich gilt Wilfried Martens als großer Reformer. Während seiner Amtszeit wurde ein drastischer Sparkurs eingeführt, der belgische Franken abgewertet. Die Proteste waren heftig, erinnert sich De Morgen.
Martens hat unser Land zwar positiv verändert, doch auch die Todsünden seiner Zeit werden uns in Erinnerung bleiben, meint Het Nieuwsblad. Belgien stand am Rande des finanziellen Ruins, weil eine ganze Politiker-Generation nur gemeinschaftspolitische Streitigkeiten und die Staatsreformen im Kopf hatten. Unter Martens' ersten Regierungsjahren explodierte die Staatsschuld, das Land stand kurz vor dem Bankrott. Mit einem drastischen Sanierungskurs hat er zwar noch versucht, das Ruder herumzureißen, doch heute noch zahlen wir die Rechnung dafür. Die andere Todsünde: Dadurch, dass die belgischen Parteien nur mit der Staatsreform und der Sparpolitik beschäftigt waren, haben sie gesellschaftliche Veränderungen und das Unbehagen in der Bevölkerung nicht oder erst zu spät wahrgenommen. Die Folge war der so genannte "Schwarze Sonntag" im November 1991, als der rechtsextreme Vlaams Blok sein Wahlergebnis plötzlich verdreifachen konnte. Das war zugleich der Absturz von Wilfried Martens, das unrühmliche Ende seiner belgischen Karriere.
"Martens auch großer Europäer"
Später ist er in Europa noch mal so richtig durchgestartet, zunächst als Abgeordneter im Europäischen Parlament und bis zuletzt als Vorsitzender der europäischen Volkspartei. Seine Verdienste auf EU-Ebene sind uns weniger bekannt, aber ebenso wichtig, hält Gazet Van Antwerpen fest. Auch hier hat sich Martens als großer Staatsmann erwiesen. Zu Martens' Begräbnis werden neben allen wichtigen belgischen Politikern auch EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet, berichtet Het Belang Van Limburg.
Brasil…
Alle Blätter blicken außerdem ausführlich auf die Fußballbegegnung des Abends. Belgien trifft auf Kroatien und braucht nur noch einen Punkt, um sich für die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr zu qualifizieren. Die Roten Teufel sollten ihre Gegner nicht unterschätzen, warnt Het Laatste Nieuws. Aber danach sieht es nicht aus. Die Nationalmannschaft hat sich gewissenhaft auf das Spiel vorbereitet, erklärt ein Kenner der Mannschaft.
Het Nieuwsblad schreibt an die Adresse der Roten Teufel: "Bitte macht die Sache heute schon klar und schenkt uns und euch das Ticket für Brasilien".
Nicolas Maeterlinck (belga)