"Ein historischer Nobelpreis", jubelt heute Le Soir auf Seite eins. Der Brüsseler Professor François Englert wird mit dem Physiknobelpreis geehrt. Er teilt sich die Auszeichnung mit dem britischen Forscher Peter Higgs. Beide haben, unabhängig voneinander, 1964 ein Elementarteilchen erdacht, das einen tieferen Einblick in die Entstehung des Universums eröffnet. Erst knapp 50 Jahre später konnte die Existenz dieses Teilchens im Experiment bewiesen werden. Und dafür werden die Entdecker jetzt also belohnt. "Größte Ehre für kleinstes Teilchen", fasst es denn auch Het Nieuwsblad zusammen.
Einsteins-Brain
"Endlich!", titelt seinerseits De Standaard. Endlich wird François Englert für seine Arbeit ausgezeichnet. "Endlich!" aber auch, weil Belgien seit über 35 Jahren auf einen Nobelpreis wartet. Seit 1977 hat Belgien Hunger auf einen Nobelpreis", bemerkt Le Soir.
Und es ist noch dazu der Nobelpreis für Physik, wie L'Avenir und L'Echo auf ihrer Titelseite hervorheben. Englert ist damit in illustrer Gesellschaft, auf Augenhöhe mit Albert Einstein oder Marie Curie. De Morgen titelt denn auch kurz und knapp: "Einstein Gehirn".
"Ich bin glücklich aber auch ein bisschen traurig", zitiert derweil Het Laatste Nieuws den sympathischen Physiker. Englert bedauert nämlich, dass sein langjähriger Weggefährte, Robert Brout, diesen Tag nicht mehr erleben konnte. Die beiden hatten ihre Theorie gemeinsam entwickelt.
Der belgische Nobelpreis steht auch im Mittelpunkt der Leitartikel.
Es gibt besondere Momente in der Menschheitsgeschichte, notiert La Libre Belgique: Etwa als Bach seine Sonaten komponierte oder Rembrandt mit seiner Malerei das Wesen des Menschen ergründete. Große wissenschaftliche Entdeckungen sorgen für die gleichen Emotionen. Die Entdeckung des Brout-Englert-Higgs-Teilchens vor knapp 50 Jahren, das ist ein solcher Moment. Es ist die Krönung der menschlichen Intelligenz, der unermüdlichen Suche nach dem Ursprung der Welt. François Englert beflügelt unsere Träume. Und es wäre schön, wenn sein Beispiel die Jugend anspornt und inspiriert.
François Englert - ein Ansporn
Ganz Belgien steht heute mit stolz geschwellter Brust da, bemerkt L'Echo. Die vollzählige wissenschaftliche Gemeinschaft des Landes feiert gemeinsam den Physiknobelpreis. Allerdings: Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling. Zwar genießt die belgische Grundlagenforschung international einen guten Ruf. Doch bangen immer noch zu viele Forscher um ihre Existenz. Aber zugegeben: Die Politik hat in den letzten Jahren schon spürbare Anstrengungen unternommen, um den Forschungsstandort Belgien zu festigen.
Es passiert etwas an unseren Unis, das der Rede wert ist, glaubt auch Gazet Van Antwerpen. Die Bestätigung dafür gab es am Dienstag aus Stockholm. Den Schwung des Nobelpreises, den muss man aber jetzt mitnehmen.
De Standaard sieht seinerseits noch Luft nach oben. Wir müssen zugeben, dass Belgien sich bestenfalls im Mittelfeld bewegt. François Englert und seine Leistungen sollte sich die Jugend als Beispiel nehmen. Es geht nicht nur darum, Geschmack an der wissenschaftlichen Forschung zu bekommen; man muss auch die Ambition haben, der Beste zu sein. Das entspricht aber leider nicht, der Mentalität in diesem Land.
Wer bringt uns ein Gottesteilchen?
Het Laatste Nieuws sieht hier aber auch ein gesellschaftliches Problem. Wer behauptet, François Englert vor dem gestrigen Tag gekannt zu haben, der ist entweder Physiker oder ein Lügner. Wir interessieren uns heute mehr für die Karriere von Fußballspielern oder Soap-Sternchen. Wenn ein Radfahrer zum neunten Mal dasselbe Rennen gewinnt, dann sprechen wir von einer "historischen Leistung". Wie lächerlich ist das angesichts eines brillanten Genies wie François Englert?
Ein weiteres Problem ist, dass viel zu oft die Frage nach dem praktischen Nutzen gestellt wird, stellt Het Nieuwsblad fest. Was bringt uns das Gottesteilchen? Eine solche Frage zu stellen ist vollkommen idiotisch. So nutzlos das Wissen um ein Elementarteilchen auch für unseren Alltag sein mag, es hilft uns dabei, besser zu verstehen, wie unser Universum funktioniert. Das ist ein wesentliches Merkmal der menschlichen Natur. Englert erinnert uns daran, dass Wissenschaft mehr ist als die Entwicklung von unmittelbar anwendbaren Technologien.
François Englert selbst geht da noch einen Schritt weiter, wie Le Soir hervorhebt. Welchen Nutzen hat ihr Elementarteilchen? Diese Frage birgt in sich die Missachtung des Wissens und der Erkenntnis. Und Anti-Intellektualismus ist der erste Schritt zur Intoleranz und zum Faschismus. Und ganz nebenbei zeigt François Englert mit seinem Beispiel, dass jeder von uns dazu im Stande sein kann, die Sterne vom Himmel zu holen.
Der "Minipakt"
Die Regierung hat ja unterdessen ihre Haushaltsberatungen abgeschlossen. Dabei ging es auch um Maßnahmen zur Konjunkturbelebung. Das Ergebnis fällt aber eher bescheiden aus, sind sich die Zeitungen einig. "Die Regierung präsentiert einen Mini-Konjunkturplan", so etwa die Schlagzeile von De Standaard. Hinzu kommt: Die dringend nötige Debatte über die zu hohen belgischen Lohnkosten wurde verschoben.
Het Belang Van Limburg hat dafür kein Verständnis. Man muss sich das mal vorstellen: Hier geht es um die korrekte Anwendung eines Gesetzes von 1996. Sie hören richtig, schreibt das Blatt: 1996. In der Zwischenzeit nimmt die Wettbewerbsfähigkeit Belgiens im Vergleich zu den Nachbarländern weiter ab. Und die Regierung bringt nichts anders zustande als einen "Minipakt".
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)