"Knallhart auf die Straße gesetzt", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Auf einigen Titelseiten prangen Fotos von weinenden afghanischen Kindern. Zusammen mit ihren Eltern hatten sie ein Haus im Brüsseler Stadtzentrum besetzt gehalten. Am Donnerstag hat die Polizei das Gebäude gestürmt. "Die herausgesetzten Afghanen wussten nicht wohin", notiert Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. 60 Kinder und 140 Erwachsene hatten mit einem Mal kein Obdach mehr. "Die Situation war haarsträubend", zitiert Het Nieuwsblad einen Augenzeugen.
Das Schicksal von afghanischen Asylbewerbern, die in ihr Heimatland abgeschoben werden sollen, sorgt schon seit einigen Tagen für Diskussionsstoff. Beispielhaft ist die Situation des Klempners Navid Sharifi aus Waregem. Der Mann ist perfekt integriert, spricht Niederländisch und hat einen Job gefunden.
Einige Leitartikler sehen die Geschichte mit gemischten Gefühlen. Gesetz ist nun mal Gesetz, meint sinngemäß Het Laatste Nieuws. Wobei: Natürlich wäre es nicht wirklich nachvollziehbar, wenn man einen solchen Menschen, der im Grunde alles richtig gemacht hat, jetzt in ein Flugzeug Richtung Afghanistan steckt. Der Punkt ist: Man kann im Fall des afghanischen Klempners keine Ausnahme machen, nur weil sein Name jetzt durch die Medien geistert. Was würde man denn mit den anderen Afghanen machen, die dann auch auf eine Sonderbehandlung pochen würden. Nichts ist unmenschlicher, als eine Asylpolitik, die sich von Emotionen leiten lässt.
Het Nieuwsblad sieht das ein bisschen anders. Natürlich gibt es das Gesetz; und vor dem Gesetz sind alle gleich. Damit ist die Diskussion aber nicht beendet. Ein Gesetz ist nicht das Evangelium. Gerade in dem Moment, wo man die Regeln peinlichst genau einhält, müssen eben diese Regeln auch umso kritischer hinterfragt werden. Fälle wie der des Klempners Navid zeigen jedenfalls, dass es da Nachbesserungsbedarf gibt.
Feiertag ohne Feierstimmung
Für die frankophonen Zeitungen steht indes ein Feiertag im Mittelpunkt. Kein gewöhnlicher, sondern IHR Feiertag, das Fest der Französischen Gemeinschaft, die von der Politik ja in "Föderation Wallonie-Brüssel" umgetauft wurde. Zum Feiern ist den Leitartiklern aber nicht zumute.
Lasst uns doch aufhören, uns gegenseitig zu belügen, mahnt eindringlich Le Soir. Ob nun umgetauft oder nicht: Die Französische Gemeinschaft existiert doch nur noch, weil wir noch keine Alternative erfunden haben. Spätestens mit der sechsten Staatsreform haben sich die Regionen als die dominanten Teilstaaten durchgesetzt. Man kann den Brüsselern und Wallonen keine gemeinsame Zukunft aufzwingen. Wer so tut, als sei die Französische Gemeinschaft von zentraler Bedeutung, der verkennt die Realität.
Wozu dient noch die Französische Gemeinschaft, fragt sich auch L'Avenir. Im Grunde hat die Politik doch schon einen neuen Weg eingeschlagen. Immerhin gibt es nur noch einen Ministerpräsidenten für die Wallonische Region und die Französische Gemeinschaft. Man sollte also vielleicht auch darüber nachdenken, dass die Parlamente, wenn sie nicht fusionieren, dann zumindest enger zusammenrücken. Es läuft wohl darauf hinaus, dass die Französische Gemeinschaft am Ende nur noch Symbolcharakter haben wird, ein bloßer Bindestrich zwischen der Wallonie und Brüssel sein wird.
Ähnlich sieht das L'Echo. Die Französische Gemeinschaft berührt quasi niemanden mehr. Würde das Unterrichtswesen regionalisiert, selbst das würde niemanden mehr auf die Barrikaden bringen. Einziges Problem: Die Französische Gemeinschaft ist in der Verfassung festgeschrieben. Das heißt: Sie wird wohl einen stillen Tod sterben, ohne dass es jemanden kümmern würde.
Muss uns das Angst machen, hakt La Libre Belgique ein. Nein! Im, Prinzip nicht. Es ist deutlich, dass die Zukunft den Regionen gehört, dass Belgien am Ende aus drei, vielleicht auch vier Regionen bestehen wird, wenn man die Deutschsprachigen berücksichtigt. Wichtig ist aber, dass diese Regionen sich künftig nicht einigeln, dass es ein belgisches Miteinander gibt. In diesem Sinne: Frohes Fest!
Fortis-Akte: Droht eine Verjährung?
"Fortis-Fall" noch nicht vor Gericht, schreibt derweil das Grenzecho auf Seite eins. Die zuständige Ratskammer hat sich gestern zunächst vertagt. Es ging ja um die Frage, ob sieben frühere Spitzenverantwortliche der Finanzgruppe Fortis an ein Strafgericht verwiesen werden sollen. Ihnen wird insbesondere vorgeworfen, die Anleger bewusst getäuscht und die Wahrheit über die finanzielle Schieflage der Fortis verschwiegen zu haben.
Es dürfte wohl nicht die letzte Verzögerung in dem Verfahren sein, orakelt Gazet van Antwerpen. Die Anwälte von Lippens, Votron und Co. dürften wohl alle Register ziehen. Hoffentlich lässt sich die Justiz dadurch aber nicht beirren. Die früheren Fortis-Bosse, die einst ungekrönten Könige der belgischen Finanzwelt, müssen für ihr kriminelles Verhalten büßen. Darüber ist sich wohl ganz Belgien einig.
De Morgen ist seinerseits skeptisch. Man muss kein Berufszyniker sein, um davon auszugehen, dass die Fortis-Affäre genauso enden wird wie die meisten großen belgischen Finanzdossiers, nämlich mit einer Verjährung. Die Verdächtigen jedenfalls scheinen keinerlei Schuldbewusstsein an den Tag zu legen: Man schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu oder verweist im Zweifel auf den damaligen Kontext, sprich die weltweite Finanzkrise. Das eigentlich Beängstigende ist aber, dass auch fünf Jahre nach dem Fortis-Debakel sich nicht wirklich viel verändert hat. Die Finanzbranche rührt wieder exakt dieselben Zutaten zusammen, die seinerzeit zur Explosion geführt haben. Will heißen: Die nächste Systemkrise kommt bestimmt.
"Votron belastet Lippens", schreiben unter anderem Le Soir und L'Echo. Der ehemalige Fortis-Aufsichtsratschef Maurice Lippens hatte immer seine Unschuld beteuert; er habe die Menschen gar nicht richtig informieren können, weil er selbst nicht alles gewusst habe; "Unfug", sagt jetzt also der damalige Hauptgeschäftsführer Jean-Paul Votron: Lippens sei über alles im Bilde gewesen...
Belgien, ein Cybersieb?
Eine kryptische Schlagzeile heute auf Seite eins von De Morgen: "Chinesen.hacken@premier.fed.be". Damit ist trotzdem fast alles gesagt: Belgien wird immer häufiger das Opfer von Cyberattacken. Oft kommen diese Internet-Angriffe aus China. Das Problem: die belgischen Netze sind nicht ausreichend gesichert. De Morgen formuliert es so: "Belgien ist so löchrig wie ein Sieb".
"Belgacom wird mehr als 10 Prozent seiner Teleboutiquen schließen", so die Titelgeschichte von L'Echo. Die Maßnahme tritt schon am 1. Oktober in Kraft, also am nächsten Dienstag. 10 der 91 Belgacom-Center werden also geschlossen; die Maßnahme sei aber nicht mit Entlassungen verbunden, heißt es. Laut L'Echo ist Ostbelgien nicht betroffen.
rop / Bild: Olivier Vin (belga)