Den Sieg der Christdemokraten bei den gestrigen Wahlen in Deutschland werten die Zeitungen eindeutig als persönlichen Erfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Angela Merkel - Der Triumph", titelt Le Soir. "Merkel fegt Konkurrenten weg", schreibt De Standaard. "Historischer Triumph für 'Mutti' Merkel", vermeldet Het Belang Van Limburg.
La Libre Belgique kommentiert: Das ist eine gute Nachricht für Deutschland und für Europa. Merkel hat die Euro-Krise überlebt, populistische Clowns à la Berlusconi blass aussehen lassen und das Gefühl vermittelt, dass Deutschland regiert wird.
Klar: Die Griechen lieben sie nicht, aber was wären Griechenland und der Euro heute, wenn Merkel nicht darauf bestanden hätte, dass die Griechen den Gürtel enger schnallen, bevor sie die europäischen Geldgeschenke erhalten?, fragt rhetorisch La Libre Belgique.
Le Soir schreibt: Alle europäischen Staats-und Regierungschefs sind seit 2008 für die Krise an der Wahlurne abgestraft worden. Nicht Angela Merkel. Das liegt natürlich daran, dass Deutschland viel weniger von der Krise getroffen wurde, heute glänzend dasteht, und selbst, wenn das nur auf die Reformen von Gerhard Schröder zurückzuführen ist, so hat Merkel dieses Erbe doch hervorragend verwaltet.
Merkel und Europa - wie geht es weiter?
Dieses Deutschland nach den Wahlen wird seine Haltung gegenüber Europa nicht radikal ändern. Europa wird für sein Wohlergehen weiter abhängig vom deutschen Willen bleiben. Mit Merkel wird jede weitere Unterstützung genauestens im Voraus durchgerechnet sein - im Dienst der deutschen Interessen. Für die europäische Linke geht die Zeit der Desillusion weiter, glaubt Le Soir.
Anders De Standaard: In Deutschland wird es jetzt wohl zu einer Großen Koalition kommen. Europa sieht das gerne, denn die SPD hat sich in den vergangenen Jahren als sehr europafreundlich gezeigt. Mit ihr als Partner in der Regierung könnte es einfacher sein, wenn es bald wieder um finanzielle Hilfen gehen wird, zum Beispiel für Griechenland, Portugal und vielleicht auch Irland.
Merkel ist aber auch dazu aufgerufen, vorsichtig zu bleiben. Gerade in ihrer Europa-Politik. Der Achtungserfolg der eurokritischen Alternative für Deutschland sollte für sie ein Warnschuss sein, meint De Standaard.
Wie andere Zeitungen auch, sieht De Morgen den Erfolg Merkels als ein Zeichen der Kontinuität. Mit einer Stimme für Merkel wählt man kein Programm, sondern ein Gefühl: Vertrauen. In Zeiten der großen Veränderungen und Krisen, die wir zurzeit erleben, ist das keine schlechte Wahl.
Auch wir in Belgien sollten das erkennen, in Hinsicht auf die N-VA. Denn eine Staatsreform wie die flämischen Nationalisten sie fordern, ist in solchen unruhigen Zeiten kein Zuckerschlecken. Es ist Aufgabe der etablierten Parteien, das den Wählern in den kommenden Monaten klar zu machen, so De Morgen.
Zynische Fortis-Manager vor Gericht
Het Nieuwsblad schreibt zu dem Prozess, der diese Woche gegen die ehemaligen Topmanager der Fortis-Bank beginnt: Es ist unglaublich, was bei Fortis geschehen ist. Die jüngsten Neuigkeiten, dass die Topmanager schon lange vorher wussten, dass die Bank pleitegehen wird, schlägt dem Fass den Boden aus.
Wie konnte der Aufsichtsratsvorsitzende Lippens mit diesem Wissen braven Menschen empfehlen, ihr Geld bei Fortis anzulegen, dort wo es sicher sei? Wie zynisch muss man dafür sein? Außerdem haben Lippens und Co. die Warnungen ihrer eigenen Juristen missachtet. Sie haben die Manager darauf hingewiesen, die katastrophale Lage an die Aufsichtsbehörden zu melden.
Nichts haben die Manager getan, und bis heute fühlen sie sich unschuldig an dem Desaster, das viele Menschen viel Geld gekostet hat. Es ist gut, dass jetzt ein Gericht im Namen dieser Menschen die Manager vor ihre Verantwortung stellt, meint Het Nieuwsblad.
Lobby für Fahrrad und Co.
L'Avenir bemerkt zum gestrigen autofreien Sonntag in Brüssel: Der Tag war ein Erfolg, er spiegelt die Tendenz wieder, die in Brüssel zu beobachten ist. Das Auto wird dort immer weniger als Verkehrsmittel benutzt; öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und die eigenen Füße sind auf dem Vormarsch. Da ist es ganz unverständlich, dass eine Partei, deren Namen wir lieber nicht nennen, erneut darauf hingewiesen hat, dass der autofreie Sonntag illegal sei und nur dazu diene, Autofahrer an den Pranger zu stellen, ihre Rechte und Freiheiten einzuschränken.
Wie man so argumentieren kann, wenn man weiß, dass Staus und Verkehrsbehinderungen in Brüssel jährlich Kosten von einer halben Milliarde Euro verursachen - so rechnet es die Industrie- und Handelskammer vor - verstehen wir nicht, aber es zeigt: Der Mentalitätswandel, weg vom Auto, hat gerade erst begonnen, findet L'Avenir.
kw - Bild: Bernal Revert (belga)