Die Affäre um den mittlerweile zurückgetretenen Präsidenten von Belgacom, Michel Moll, schlägt hohe Wellen. Gestern war bekannt geworden, dass er neben seinem Amt bei Belgacom auch eine chinesische Firma beraten hat, die im Verdacht steht, in Spionagefälle verwickelt zu sein. Erst Anfang der Woche kam ans Licht, dass Belgacom selbst Opfer eines Cyberangriffs geworden war.
Le Soir meint dazu: Da ist eine Bombe geplatzt! Es bleibt völlig unverständlich, wie Moll als Präsident eines öffentlichen Unternehmens gleichzeitig für die chinesische Firma Huawei arbeiten konnte. Eine Firma, die der größte Zulieferer von Belgacom ist. Was sagt der Angeklagte dazu: "Ich habe keine Informationen über Belgien und Europa gegeben." Das ist lächerlich! Welches Interesse sollte eine chinesische Firma denn haben, gerade einen Belgier als strategischen Berater zu engagieren, wenn sie nicht an Informationen über Belgien und Europa interessiert wäre? Außerdem hat Moll gegen ein Gesetz verstoßen. Seit 1991 ist es nämlich Führungskräften von öffentlichen Unternehmen verboten, mehrere Posten gleichzeitig auszuüben, stellt Le Soir fest.
Wo war der Aufsichtsrat?
Auch La Libre Belgique ist kritisch: Es ist zwar noch nicht bewiesen, dass Moll tatsächlich sensible Daten von Belgacom an die Chinesen weitergeleitet hat. Aber Moll hätte doch auch klar sein müssen, dass diese Doppelfunktion alles andere als geschickt war. Außerdem ist auch zu fragen, warum der Aufsichtsrat von Belgacom dies nicht unterbunden hat, so La Libre Belgique.
L'Echo nimmt den Fall Moll zum Anlass, sich allgemeine Gedanken über den Einfluss des Staates in öffentlichen Unternehmen zu machen: die Nominierung des Führungspersonals, die Gehaltsstrukturen, die Abfindungssummen, die Entscheidungsfindung: All das sind Dinge, über die in den vergangenen Wochen und Monaten kontrovers berichtet wurde. Die Rolle, die die Politik dabei gespielt hat, war meist nicht sehr glücklich. Da geht es oft nicht um das Wohl der Firma, sondern um die Befriedigung parteiinterner Interessen. Gutes Wirtschaften ist so nicht möglich. Eines Tages muss man sich entscheiden: Man kann nicht gleichzeitig ein öffentliches Unternehmen haben, das vom Diktat der Politik abhängig ist, und ein Privatunternehmen, das nach den Regeln des Marktes funktionieren soll. Und dass ein öffentliches Unternehmen besser funktioniert als ein privates, den Beweis haben die belgischen Unternehmen bislang noch nicht erbracht, urteilt L'Echo.
Melken des Mittelstands
De Standaard schreibt zu den Gedanken der flämischen Regierung, den sogenannten Wohn-Bonus für den Bau von Wohnungen und Häusern zu begrenzen: Der Aufschrei ist groß, weil man eine heilige Kuh angefasst hat. Denn in Flandern glaubt ja jeder, dass es quasi ein Grundrecht ist, sich seine eigenen vier Wände zu bauen. Doch ist es wirklich Aufgabe des Staates, solche Sachen zu finanzieren? Die Frage liegt jetzt auf dem Tisch, und das ist gut. Denn man darf nicht vergessen: Der belgische Immobilienmarkt ist überhitzt. Ihn mit Steuergeldern noch weiter aufzuheizen ist vielleicht nicht das Beste, was man tun kann, findet De Standaard.
Het Laatste Nieuws schreibt zum gleichen Thema: Die Sozialisten haben jetzt die Pläne, den Wohn-Bonus vielleicht zu kürzen, aber nicht für die untersten Einkommensstufen. Das heißt im Umkehrschluss: Die Zeche bezahlen soll mal wieder der Mittelstand: Menschen, die fleißig arbeiten gehen, hohe Steuern zahlen, nirgends von Vergünstigungen profitieren. Flandern kann zu Recht stolz auf seinen Sozialstaat sein, aber irgendwo hört das Melken des Mittelstands auch auf, so Het Laatste Nieuws.
L'Avenir schreibt zur Rolle der Interkommunalen: Gestern hat das wallonische Parlament es äußerst kritisch gesehen, dass die Interkommunale Tecteo die Zeitung L'Avenir gekauft hat. Im Mittelpunkt der Kritik stand der Minister Paul Furlan. Er habe seine Aufsichtsfunktion über die Interkommunalen vernachlässigt. Das ist scheinheilig. Denn die gleichen Parteien, die jetzt so laut aufschreien, sind dafür verantwortlich, dass die Interkommunalen heute zu solch undurchsichtigen Gebilden geworden sind. Außerdem sollten sie bedenken, dass es neben politischen Spielchen auch um die Zukunft von hunderten von Arbeitsplätzen und um die frankophone Presse allgemein geht, schreibt L'Avenir.
Erst Blabla, dann Bumm-bumm
Der Oberste Gesundheitsrat schreibt in seinen neuesten Empfehlungen, dass Menschen, die mit HIV infiziert sind, nicht unbedingt immer ein Kondom beim Geschlechtsverkehr benutzen müssen. Het Nieuwsblad kommentiert: Diese Empfehlung geht gegen alles, was wir in den vergangenen Jahrzehnten gehört haben. Sicher: Der Gesundheitsrat schreibt auch, dass der ungeschützte Geschlechtsverkehr nur unter ganz bestimmten Umständen problemlos sein kann. Aber machen wir uns nichts vor: Das Kleingedruckte lesen gerade junge Menschen nicht. Und um sie geht es doch meistens beim Thema Aids. Deshalb muss die Regel weiterhin lauten: Erst Blabla, dann Bumm-bumm. Aufklärung bleibt dringend nötig, so Het Nieuwsblad.
Bild: Herwig Vergult (belga)