"1.429 Tote, darunter 426 Kinder". Die Zeitung De Morgen zieht auf ihrer Titelseite die furchtbare Bilanz des mutmaßlichen Giftgasangriffs in einem Vorort von Damaskus. Vorgelegt haben diese Zahlen die USA, genauer gesagt US-Außenminister John Kerry. Nach seinen Worten steht ein Militärschlag gegen Syrien kurz bevor.
"Die USA bekräftigen ihre Absicht, gegen Assad vorgehen zu wollen", schreibt auch Le Soir auf Seite eins. Das ist insofern erwähnenswert, als Großbritannien ja mittlerweile als Mitstreiter ausfällt. Das britische Unterhaus hat ja den Angriffsplänen von Premier Cameron erst einmal eine Absage erteilt.
Zunehmende Isolation der USA
Eine breite Koalition für eine Strafexpedition gegen das Regime von Baschar al-Assad, die kann Amerika erst mal vergessen, notiert dazu Gazet van Antwerpen. Die meisten westlichen Staaten wollen erst unwiderlegbare Beweise sehen. Es zeigt sich: US-Präsident Obama und der britische Premier Cameron haben die Widerstände gegen eine Intervention in Syrien gewaltig unterschätzt. Und ganz nebenbei gesagt, ist die Niederlage im Parlament für Cameron eine gehörige Blamage. China und Russland lachen sich jedenfalls ins Fäustchen angesichts der Uneinigkeit des Westens.
Zumal auch der französische Präsident François Hollande inzwischen spürbar gemäßigtere Töne anschlägt, konstatiert L'Avenir. Zunächst versprach er noch eine Strafe für diejenigen, die eine niederträchtige Entscheidung getroffen haben. Jetzt plötzlich stellt er eine politische Lösung wieder in den Vordergrund. Das macht es für die USA nicht einfacher, wohlwissend, dass es von Anfang an ein Legitimitätsproblem für einen Militärschlag gegen Syrien gab.
Je isolierter man ist, desto schwieriger ist es, einen Angriff zu rechtfertigen, hält auch De Standaard fest. Hinzu kommt das Erbe des Irak-Kriegs, wo die USA ja gefälschte Beweise vorgelegt hatten, um die Intervention zu rechtfertigen. US-Präsident Obama sollte jetzt jeden Schritt reiflich überdenken, es ist von entscheidender Bedeutung, dass die USA mit ihrer wahrscheinlichen Intervention keinen größeren Schaden verursachen als das Übel, das sie bekämpfen wollen.
Die nationalen Parlamente und die Syrienfrage
Het Laatste Nieuws stellt sich indes die Frage, wie wohl das belgische Parlament entschieden hätte. Dass wir Belgier das „Nein“ des britischen Parlaments zu einem Syrien-Einsatz bemerkenswert finden, das spricht Bände. Die Parlamentarier in Belgien haben uns an etwas anderes gewöhnt. Sie entscheiden nie gemäß ihres Willens oder Gewissens, sondern haben einzig ihrer Partei die Treue geschworen. Dennoch wäre es mal interessant zu sehen, ob denn alle Mitglieder der Sozialisten, der Grünen oder der N-VA tatsächlich der Parteilinie folgen und gegen einen Angriff stimmen würden.
L'Echo jedenfalls hält die Entscheidung des britischen Unterhauses für einen schweren Fehler. Bislang konnte man noch die militärische Allianz zwischen Frankreich und Großbritannien als so etwas wie den bewaffneten Arm der Europäischen Union betrachten. Durch ihren Rückzieher schwächen die Briten jetzt Europa: wieder einmal bleibt es an den USA hängen, in unserem Vorgarten für Ordnung zu sorgen.
Doch es gibt inzwischen schon wieder neue Horrormeldungen aus Syrien. Nach einem Bericht der BBC wurde eine Schule in Aleppo in den vergangenen Tagen mit Napalmbomben angegriffen. Die Folgen für die Opfer sind dramatisch. "Brandbombe auf Schule", schreibt denn auch Het Nieuwsblad auf Seite eins. Fast alle Zeitungen zeigen schreckliche Bilder aus der Reportage.
Politische Kehrtwende der N-VA
"Die Wirtschaft ist wichtiger als eine Konföderation", so die Schlagzeile von De Standaard. Und hierbei handelt es sich um ein Zitat des N-VA Spitzenpolitikers Siegfried Bracke. "Die N-VA vollzieht eine Kehrtwende", notiert denn auch Het Nieuwsblad auf Seite eins. Für die N-VA hat eine neue Staatsreform also keine Priorität mehr. "Wir legen es nicht auf eine neue Blockade an. Das ist ein Versprechen", sagt Bracke in dem Interview, das De Standaard und Het Nieuwsblad abdrucken.
Diese Aussagen sind geradezu verblüffend, meint Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Diese Kehrtwende erklärt sich wohl zunächst aus einer gewissen Notwendigkeit heraus: Ddie Wirtschaftskrise ist noch nicht vorbei, wir stehen vor gigantischen Herausforderungen. Eine Neuauflage der 541-Tage-Krise ist da schlichtweg keine Option. Hinzu kommt: Selbst auf flämischer Seite stand die N-VA mit ihren konföderalen Träumen alleine da. Nichtsdestotrotz: Einen solchen Sinneswandel, den muss man erst mal seinen Wählern glaubwürdig erklären.
Die Zeitung De Morgen veröffentlicht heute eine bemerkenswerte Umfrage. Demnach vertrauen die Flamen immer noch eher dem amtierenden flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters als seinem Herausforderer Bart De Wever. Drei Viertel der Befragten wünschen sich Peeters am flämischen Ruder, nur knapp die Hälfte der Wähler bevorzugt De Wever.
Möglicher neuer europäischer Pferdefleischskandal
"Neuer Skandal mit Pferdefleisch", schreibt Het Laatste Nieuws. Da geht es um einen Skandal mit europäischen Ausmaßen. Es soll wieder Pferdefleisch in den Handel geraten sein, das nicht für den Verzehr bestimmt war. Und im Mittelpunkt soll eine "belgische Mafia-Organisation" stehen, zitiert Het Laatste Nieuws die französischen Behörden, die die Sache anscheinend aufgedeckt haben.
Die steigende Beliebtheit König Philippes in Flandern
"König Philippe kommt endlich auch in Flandern an", schreibt Le Soir heute auf Seite eins. Das Blatt veröffentlicht erste Resultate seines Polit-Barometers, dabei hatte man eben auch die Frage gestellt, wie es um die Akzeptanz des neuen Königs steht. Resultat: zum ersten Mal steht eine Mehrheit der Flamen hinter Philippe. Innerhalb von drei Monaten hat sich das Vertrauen in den neuen König grundlegend gewandelt, stellt Le Soir in seinem Leitartikel fest. Allerdings: diese scheinbare Sympathiewelle ist eine Momentaufnahme. Das kann sich sehr schnell ändern. Es reicht ein Misston und die Vertrauenswerte fallen gleich wieder ins Bodenlose. Deswegen ist es wichtig, die Zuständigkeiten des Königs, seinen Handlungsspielraum genauestens zu definieren. Der neue König sollte genau wissen, was man in einer modernen Monarchie von ihm erwartet.
Bld: Pete Souza (afp)