„Giftgasangriff auf Kinder“, titelt Het Nieuwsblad. „Syrische Kinder sterben einen stillen Tod - und wir, wir tun nichts“, klagt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite an. De Standaard spricht auf Seiten eins von einem „Massenmord mit Giftgas“.
Vor allem die flämischen Zeitungen berichten heute in großer Aufmachung über die neuen, schrecklichen Bilder aus Syrien. Auf vielen Titelseiten prangen unerträgliche Fotos von toten Kindern, die nebeneinander aufgebahrt sind.
„Vergiftet in ihrem Bett“, schreibt Het Nieuwsblad. Die Titelseite von De Morgen ist ganz in Weiß gehalten. Zu sehen sind tote Männer, Frauen und Kinder, die in weiße Leinen eingehüllt sind. Darunter ein Zitat von US-Präsident Obama, das genau ein Jahr alt ist: „Wenn Assad Chemiewaffen einsetzt, dann ist eine rote Linie überschritten“.
Der UNO-Sicherheitsrat kam schon zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Quasi zeitgleich mit dem Massaker trafen gestern UN-Inspekteure in Syrien ein, die den potenziellen Einsatz von Chemiewaffen untersuchen sollen. Nach Angaben des syrischen Widerstands sollen gestern bis zu 1.300 Menschen getötet worden sein. Demnach eben durch Giftgas.
Der Westen muss handeln - Aber wie?
Bislang ist das aber nur ein Verdacht, was womöglich auch eine Erklärung dafür ist, dass die frankophonen Zeitungen deutlich zurückhaltender über die Ereignisse in Syrien berichten. Für Het Laatste Nieuws besteht indes überhaupt kein Zweifel. Wer glaubt, dass der Massenmord vielleicht von den Rebellen inszeniert sein könnte, der ist kein kritischer Geist, sondern ein Zyniker. Nein, dieser Massenmord ist das Werk eines gewissenlosen Regimes, das die Uneinigkeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft für sich zu nutzen weiß und das mit einer selten gesehenen Arroganz. Wir dürfen nicht mehr länger zusehen. Allerdings ist die Lage ziemlich hoffnungslos. Wenn Assad die Pest ist, dann wäre ein möglicher Nachfolger bestenfalls die Cholera.
„Traum von Arabischem Frühling ausgeträumt“
Wenn jemand noch an den Arabischen Frühling glaubte, dann ist dieser Traum in den letzten Tagen wohl endgültig in Scherben geflogen, glaubt auch Het Nieuwsblad. In Ägypten wird der frühere Machthaber Mubarak freigelassen. Und in Syrien zögert Assad Junior nicht, die Methoden von Saddam Hussein anzuwenden. Da gibt es nur noch eine mögliche Konsequenz: Der Westen muss eingreifen. Und wenn auch noch völlig unklar ist, wie man im Einzelnen vorgehen sollte, so steht für den Westen dennoch seine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Wenn wir die syrische Bevölkerung noch länger im Stich lassen, verraten wir unsere moralischen Werte.
Jeder ist doch nur auf der Suche nach einer Entschuldigung, konstatiert De Morgen. Klar: Die internationale Gemeinschaft ist gespalten; Moskau und Peking halten faktisch die Hand über Assad. Fakt ist aber auch: Die USA haben nicht die Mittel, ihre Drohung umzusetzen und eine neue Front zu eröffnen. Und so bleibt Syrien die ekelerregendste humanitäre Katastrophe seit dem Völkermord von Ruanda im Jahr 1994.
Wallonischer Nationalismus
Die frankophonen Zeitungen richten ausnahmslos ihre Blicke auf den wallonischen Ministerpräsidenten Rudy Demotte. Der hatte vor einigen Tagen einen „wallonischen Nationalismus“ beschworen; und dann fügte er einen Satz hinzu, der jetzt für viele Diskussionen sorgt: „Der wallonische Nationalismus ist positiv, der flämische ist Gift.“
Welcher Teufel hat denn Rudy Demotte geritten?, fragt sich Le Soir. Unterschiede zwischen verschiedenen Formen von Nationalismus zu machen ist grober Unfug. Demotte hat damit das bewiesen, wovon er sich eigentlich distanzieren wollte: Wenn der wallonische Nationalismus wirklich besser sein soll als der flämische, dann sind wir doch schon wieder beim Konzept der Überlegenheit. Deswegen, um Himmels Willen, erfindet bitte keinen neuen Nationalismus; es gibt deren schon genug.
Demotte übt sich hier in sprachlichen Spitzfindigkeiten, bemerkt L’Avenir. Und das Eis ist hier gefährlich dünn. Demotte hat denn auch schnell nuanciert und von einem „wallonischen Stolz“ gesprochen. Zugleich äußerte er den Wunsch, dass sich die Menschen sozusagen um ein wallonisches Projekt scharen. Das klingt ja schon mal etwas besser, meint L’Avenir.
Prinzipiell hat Demotte nicht ganz unrecht, glaubt auch La Libre Belgique. Mehr wallonisches Zusammengehörigkeitsgefühl kann nützlich sein, gerade auch angesichts der neuen Herausforderungen, die mit der Sechsten Staatsreform verbunden sind. Doch sollte man auf die Wortwahl achten. In dem er die Rhetorik der N-VA benutzt, sägt Demotte an dem Ast, auf dem die Frankophonen sitzen. Bester Beweis: Die N-VA hat schon applaudiert.
Ähnlich sieht das L’Echo. In Belgien reimt Nationalismus mit Separatismus. Wer von Nation spricht, der grenzt sich ab. Demotte hat sich auf das Spiel der N-VA eingelassen. Und das hätte er wissen müssen. Das Fazit bringt La Libre Belgique auf den Punkt: Demotte beendet mit seinem wallonische Nationalismus das politische Sommerloch.
Philippe, der Autist?
Viele Zeitungen berichten vorab über eine Reportage, die in einigen Wochen im flämischen Fernsehsender Vier zu sehen sein wird. Darin spricht Sybille de Sélys Longchamps über ihre Beziehung mit dem späteren König Albert. „Wir haben zehn Jahre lang wie ein verheiratetes Paar zusammengelebt“, zitiert Het Laatste Nieuws aus der TV-Doku. In Het Nieuwsblad wirft die Mutter von Delphine Boël ihrem früheren Liebhaber vor, ein schlechter Vater zu sein. Delphine sei beinahe daran zerbrochen, dass ihr Vater sie nicht anerkennen wollte. Und Albert habe auch die Kinder aus seiner Ehe schlecht behandelt, sagt Sybille de Sélys Longchamps und aus seinem Sohn Philippe habe er einen Autisten gemacht.
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