"CD&V geht ohne Koalitionsaussage in die Wahl", titelt La Libre Belgique. Die Zeitung hat mit Vize-Premierminister Pieter De Crem von den flämischen Christdemokraten gesprochen. In dem Gespräch verteidigt De Crem die Arbeit der Föderalregierung. Aber er sagt auch, dass nach den Föderalwahlen eine Koalition zwischen flämischen Christdemokraten und den flämischen Nationalisten der N-VA durchaus möglich sein könnte.
La Libre Belgique schreibt dazu: Logisch, dass De Crem so etwas sagt. Keiner in Flandern wird sich trauen zu sagen, dass er nicht mit der N- VA regieren würde. Aus dem einfachen Grund, weil alle es ja sowieso schon tun, auf die eine oder andere Weise. Außerdem wäre es falsch, eine Partei auszugrenzen. Durch diese Opferrolle stärkt man die Position der N- VA. Aber es ist auch falsch zu glauben, dass die Nationalisten ein normaler Partner wäre auf föderaler Ebene. Denn sie würden dort keine Politik für den belgischen Staat machen, sondern gegen ihn. Und wer glaubt, dass man die N-VA nur dazu benutzen könnte, um seine eigenen Ziele zu verwirklichen, sprich dass man das nationalistische Programm der N- VA einfach beiseiteschieben könnte, der irrt gewaltig, glaubt La Libre Belgique.
Di Rupo, die Wahlen und die Wirtschaft
Le Soir dagegen meint, dass die Chancen zurzeit gut stehen, dass die nächste Föderalregierung auch ohne die N-VA auskommt. Denn die Regierung Di Rupo muss sich vor ihrer bisherigen Bilanz nicht verstecken. Aber, so warnt die Zeitung, sie darf jetzt nicht ihre bislang wie durch ein Wunder erhaltene Einheit aufs Spiel setzen, indem sie sich im Vorwahlkampf durch unnötige Kleinkriege und Profilierungssucht der Parteien selbst zerfleischt. Und, auch das ist wichtig: Ab September zählt jeder Fehler dreifach, so Le Soir.
Das Grenzecho verbindet den Ausblick auf die Wahlen mit den jüngsten Wirtschaftsentwicklungen. Laut Schätzungen der Nationalbank ist die belgische Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres erstmals seit langem nicht mehr geschrumpft, sondern gewachsen. Nämlich um 0,1 Prozent. Die Zeitung warnt: Eine große Gefahr besteht darin, dass unsere Politiker die Welle der - sagen wir - vorsichtigen Euphorie nutzen und dringend notwendige, aber schmerzliche Strukturreformen in den Renten, in der Gesundheitsversorgung, im Arbeitsmarkt und im Besteuerungssystem auf die lange Bank schieben, um so die eigenen Popularität mit Blick auf die Wahlen im Mai nächsten Jahres aufzupäppeln. Anschließend bekommen wir dann eine gesalzene Rechnung präsentiert, schreibt das Grenzecho.
Belgien ist nicht Frankreich
Den anstehenden Besuch von Außenminister Reynders im Kongo bezeichnet L'Avenir als eine "mission impossible": Man darf nicht zu viel von diesem Besuch erwarten. Die Jahre vergehen, aber nichts ändert sich grundlegend in der Demokratischen Republik Kongo. Das Land ist immer noch zerrissen vom Bürgerkrieg. Die Kongolesen übrigens sind über die fehlende Hilfe von außen verbittert. Sie verweisen auf den Eifer, mit dem Frankreich in Mali interveniert ist, um dort die Ordnung und die Autorität der Regierung wieder herzustellen. In der Provinz Kivu im Ostkongo herrscht seit mehr als 20 Jahren Chaos. Aber der Kongo ist halt nicht Mali, und Belgien ist eben nicht Frankreich. Deshalb wird auch Reynders nicht viel Neues bewirken. Im besten Fall wird er einen ganz kleinen Beitrag zu mehr Frieden in dem Land leisten können. Auch, weil andere einflussreiche Mächte fehlen, um Belgien bei diesen Bemühungen zu unterstützen, schreibt L'Avenir.
"Homosexuelle Spitzensportler: Auf nach Sotchi"
"Jaques Rogge erhöht den Druck auf Putin", titelt De Morgen auf Seite eins. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees drängt den russischen Präsidenten dazu, die diskriminierenden Gesetze gegen Homosexuelle während der Olympischen Winterspiele im kommenden Jahr in der russischen Stadt Sotchi auszusetzen. Der flämische Politiker Jean-Jaques De Gucht hat Rogge sogar dazu aufgerufen, Russland die Spiele zu entziehen. Auch von Boykott der Spiele ist die Rede.
Het Laatste Nieuws findet das eine schlechte Idee: Ein Boykott der Spiele? Nein. Wenn es unseren Politikern ernst ist mit ihrer Kritik an Russland, warum plädieren sie dann gerade für einen Boykott im Sport, der sie nichts kostet? Warum gibt es keinen wirtschaftlichen oder diplomatischen Boykott? In Sotchi 2014 droht das gleiche wie schon in Peking 2008. Die Menschenrechte werden instrumentalisiert, wenn sie uns nichts kosten. Was für eine Scheinheiligkeit, empört sich Het Laatste Nieuws.
Auch De Standaard hält nichts von einem Boykott der Spiele. So etwas bringt nichts, das hat die Vergangenheit gezeigt. Wir sollten es lieber so machen wie 1936, als auch keiner die Olympischen Spiele in Hitler-Deutschland boykottiert hat. Damals hat allerdings der schwarze US- Amerikaner Jesse Owens vier Medaillen gewonnen. Hitler hat wutentbrannt das Stadion verlassen. Deshalb muss auch jetzt gelten: Kein Boykott, sondern eine homosexuellen Spitzensportler müssen auf jeden Fall nach Sotchi. Sie haben in Antwerpen gefehlt, wo gerade die World Outgames der Homosexuellen zu Ende gehen. Übrigens ein hervorragendes Ereignis, das ein positives Licht auf Antwerpen, Flandern und Belgien wirft. Also: Alle Sportler nach Sotchi, Gold gewinnen und sich dann als homosexuell outen. So muss die Devise lauten, findet De Standaard.
Bild: Olivier Vin (belga)