Der europäische Ausschuss für soziale Rechte in Straßburg hat Belgien vorgeworfen, nicht genug für die Betreuung von Behinderten zu tun. Le Soir meint dazu kommentierend: Diese Verurteilung tut gut. Denn sie erinnert uns: Die Krise, auch wenn sie natürlich existiert und uns zur Haushaltsdisziplin zwingt, darf nicht als Entschuldigung herhalten, um bei den Behinderten zu sparen. Die Probleme in der Behindertenbetreuung bestehen seit vielen Jahren. Europa zwingt jetzt die Politik dazu, sich dem Problem endlich zu widmen. Die ganze Gesellschaft sollte diese Botschaft hören. Denn auch sie ist gefragt. Auch sie muss sich solidarisch zeigen. Denn eine Behinderung kann jeden von uns treffen, schreibt Le Soir.
Kritisch mit dem Urteil gehen dagegen flämische Blätter um, wie zum Beispiel Het Belang Van Limburg: Belgien verurteilt - diese Meldung machte gestern die Runde. Dabei ist Belgien gar nicht verurteilt worden, sondern es gab nur eine Mahnung vom Europäischen Ausschuss für Soziale Rechte. Eine Verurteilung könnte erst der Europarat aussprechen.
Solche Wunder gibt es leider nicht…
Gazet Van Antwerpen bemerkt: Die Verurteilung zielt weniger auf Flandern als auf die Wallonie ab. Denn Grundlage für die Verwarnung sind Zahlen aus dem Jahr 2010, die vor allem aus der Wallonie stammen. Dort sind die Probleme viel größer als in Flandern. Hier wird schon viel getan für behinderte Menschen. Aber natürlich ist auch klar, alles ist noch nicht perfekt. Aber um das zu erreichen, bräuchte man mehr Geld. Selbst in Flandern, einer der reichsten Regionen der Welt. Man bräuchte also ein Wunder, um alle Missstände mit mehr Geld aus dem Weg zu räumen. Aber solche Wunder gibt es leider nicht, so Gazet Van Antwerpen.
Het Laatste Nieuws fragt sich: An welchen Pranger, von dem die Liga für Menschenrechte spricht, ist Belgien eigentlich gestellt worden? Anderswo in Europa, die Wallonie und Brüssel eingeschlossen, geht es den Schwächsten der Gesellschaft viel schlechter als in Flandern. Der Beweis: Erst vor drei Tagen hat die OECD unserem Land die Bronzemedaille verliehen bei den Ausgaben für soziale Dienste, hinter Frankreich und Dänemark. Jetzt Belgien oder Flandern hinzustellen als ein Land oder eine Region, die zu wenig tun für Behinderte, ist doch sehr fragwürdig. Die bittere Wahrheit ist einfach: Es fehlt an Geld um wirklich alles Mögliche machen zu können. Daran kann auch Europa nichts ändern, meint Het Laatste Nieuws.
Das GrenzEcho vermeldet übrigens, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft von dem europäischen Urteil ausgenommen ist. In der DG sei die Behindertenpolitik nämlich vorbildlich.
Referendum ist gleich Hindernis
La Libre Belgique macht sich Gedanken zu den Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern: Israels Regierungschef Netanjahu hat bereits angekündigt, ein Referendum in Israel abhalten zu wollen, sollte man sich auf einen Friedensvertrag einigen. Aber: Sollte es überhaupt zu einer solchen Einigung kommen, dann muss sie auch von den Verhandlungsführern umgesetzt werden. Sie sind es, die einen möglichen Text mit Leben erfüllen müssen. Denn anders wird es nicht klappen können mit der Quadratur des Kreises in dem äußerst schwierigen Konflikt. Ein Referendum, so demokratisch es auch sein mag, stellt ein zusätzliches Hindernis dar, so La Libre Belgique.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo kritisiert das Einlenken der EU im Solarstreit mit China: Deutschland wollte den Handelsstreit mit China vermeiden, und deshalb knickt die EU-Kommission ein. Statt die Anti-Dumping-Steuern auf chinesische Sonnenprodukte um das Vierfache zu erhöhen, so wie das die EU-Kommission angedroht hat, fährt sie jetzt einen Schmusekurs gegenüber Peking. Die USA, mit denen die EU gerade über eine Freihandelszone verhandelt, nehmen das sehr wohl zur Kenntnis. Erstens kommt den Amerikanern dieses europäische Einlenken nicht entgegen, denn auch sie haben Probleme mit billigen chinesischen Solarprodukten. Zweitens schwächt das Hin und Her der EU-Kommission die Position Europas in den Verhandlungen mit den USA, meint L'Echo.
Schule nicht für alle gleich gut
Zu Meldungen aus dem Bildungswesen, dass immer mehr junge Menschen die Schule abbrechen, schreibt De Standaard: In ein Klagelied einzustimmen ist nicht unsere Sache. Vielmehr müssen wir die Nachrichten als Ansporn sehen, etwas zu tun. Zum Beispiel zu überlegen, dass die Schulbank und unser Schulsystem nicht für alle Jugendliche die beste Form des Lernens ist. Viele fühlen sich bei praktischen Dingen viel wohler. Erste Anstrengungen, den Ausbildungssektor in praktischen Berufen zu stärken, sollten fortgeführt werden, rät De Standaard.
Bild: belga