"Der Wendepunkt titelt", Le Soir. "Der König tritt ab wie ein Prinz", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. "Königlicher Abschied", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. König Albert II. hat am Abend angekündigt, zum Nationalfeiertag am 21. Juli abzudanken zugunsten seines Sohnes, Prinz Philippe. Der soll am selben Tag als neuer König der Belgier den Eid auf die Verfassung ablegen.
Viele Zeitungen zitieren auf ihrer Titelseite aus der Rede des Königs:" "Die Zeit ist gekommen, die Fackel weiterzureichen", schreibt l'avenir. "Es war eine Ehre Ihnen zu dienen", schreibt Gazet Van Antwerpen auf Seite eins. "Prinz Philippe genießt mein volles Vertrauen, so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg.
"Bis ins Detail vorbereitet", titelt Het Laatste Nieuws. Der König hat schon seit Monaten im Kopf, abzutreten. Elio Di Rupo weiß seit dem vergangenen Montag von den Plänen. "Ich habe es versucht, aber es geht wirklich nicht mehr", schreibt De Standaard auf Seite eins. Premierminister Elio Di Rupo hat anscheinend bis zuletzt versucht, den König doch noch umzustimmen. Es half nichts: König Albert hat seine Entscheidung getroffen; er kann nicht mehr.
Gemeinsame Entscheidung
"Gemeinsam beschlossen, abzutreten", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Damit ist wohl auch Königin Paola gemeint, die auf dem Foto auf der Titelseite dem König die Krawatte zurechtrückt.
Die meisten Leitartikel ziehen erst mal eine positive Bilanz der Amtszeit von König Albert II. "Vielen Dank, Sire", meint etwa La Dernière Heure. Albert war mehr Mensch als König. Er hat sein Volk begleitet, in schönen, aber auch in schwierigen Momenten. Und er hat nie gezögert, in dunklen Stunden, den Menschen beizustehen, ihnen Mut zuzusprechen. Dabei hat man ihn ursprünglich als einen Übergangskönig betrachtet, erinnert sich La Libre Belgique. Zu Unrecht, wie sich längst gezeigt hat. Albert II hat in jeder Situation seine Rolle perfekt gespielt. Es war eine starke, mutige und zugleich warmherzige Regentschaft. Ihm lag immer das Zusammenleben, das Miteinander in diesem Land am Herzen.
Und auch die flämischen Zeitungen ziehen eine durchweg positive Bilanz der Amtszeit des Königs. Spätestens nach Ausbruch der Dutroux-Affäre 1996 hat König Albert bewiesen, dass er der richtige Mann auf dem Thron war, glaubt Gazet van Antwerpen. Er bewahrte das Land vor einem Volksaufstand. Und auch später hat er es immer verstanden, das allgemeine Grundgefühl vieler Landsleute gleich welcher politischer Gesinnung zu erfassen und auf den Punkt zu bringen. Das gilt etwa für die denkwürdige Ansprache zum Nationalfeiertag 2011, als Albert der politischen Klasse buchstäblich die Leviten gelesen hat.
Ein König voller Überraschungen
Er war nicht für den Thron bestimmt, blieb aber länger als erwartet, beging weniger Dummheiten als befürchtet und wurde populärer als man es nach den Zeiten der Baudouin-Anhimmelung gedacht hätte, bringt es Het Nieuwsblad auf den Punkt.
Albert II war der lachende König, der sich als geschickter Seiltänzer in der komplizierten belgischen Politiklandschaft erwies.
Albert II war wohl einer der besten Könige, die Belgien je gehabt hat, urteilt auch L'Echo. Wenn man die letzten 20 Jahre Revue passieren lässt - Euthanasiegesetz, Homo-Ehe, Dutroux-Affäre, 541-Tage-Krise - dann muss man sagen: Kaum ein anderes Land hätte derartige Umwälzungen überstanden, ohne Federn zu lassen.
Doch erinnern einige Zeitungen auch an die vielleicht nicht ganz so rühmlichen Zeiten der Regentschaft von König Albert II. Neben seinen körperlichen Problemen war Albert II in der jüngsten Vergangenheit von gleich mehreren Skandalen und Skandälchen gebeutelt, notiert etwa das GrenzEcho. Nach der Lösung der Krise mit der Einigung auf eine neue Staatsreform hat Albert den Absprung verpasst. Die letzten Monate waren mehr oder weniger katastrophal. Man erinnere sich nur an die Delphine-Affäre. Der Thronwechsel kommt also nicht zu früh. Und mit Blick auf die neue Staatsreform kann man nur sagen: Ein neuer König für ein neues Land.
Neue Zeiten, neuer König
Dieser neue König, das wird bekanntlich Prinz Philippe sein. Der Sohn von König Albert ist allerdings nicht ganz unumstritten. Viele sprechen ihm die nötigen Fähigkeiten ab. Nicht so La Libre Belgique: Philippe ist bereit, glaubt das Blatt. In den letzten Jahren hat er an Präsenz und an Sicherheit gewonnen. Und welcher König musste sich nicht zuerst seine Sporen verdienen.
Het Nieuwsblad gibt ihm dennoch zwei Tipps mit auf den Weg. Erstens: Philippe sollte nicht versuchen, das Land zu retten. Wenn die Zukunft Belgiens von einem Mann abhängt, dann können wir gleich damit aufhören. Und zweitens: Philippe sollte sich schleunigst einen neuen Kommunikationsberater zulegen.
Philippe sollte sich ein Beispiel an seinem Vater nehmen, empfiehlt Gazet van Antwerpen. Will heißen: Er sollte das Primat der Politik akzeptieren. De Standaard führt diese Idee aus. Der König steht allein im Dienste der Demokratie und der Bürger. Das hat der König selbst gesagt. Und das ist auch die einzige Art und Weise, die Idee einer erblichen Monarchie, intellektuell zu akzeptieren. Die Macht geht allein von der Nation aus. Albert hatte das verstanden.
De Morgen sieht das genauso. Philippe sollte sein Amt nicht wie sein Onkel Baudouin betrachten. Nicht als heilige Mission. Seine Legitimität kommt einzig und alleine vom Volk.
Der Ball ist bei allen Belgiern
Nicht umsonst hat er die Bürger direkt angesprochen, konstatiert L'Avenir. Er wandte sich an die Bürger, indem er die Höflichkeitsform "Sie" benutzte. Das heißt: Wir, jeder von uns, hat seine Rolle zu spielen. Hier geht es nicht allein um Philippe.
Wir alle haben es in der Hand, glaubt auch Le Soir. Natürlich ist der anstehende Thronwechsel nicht frei von jedem Risiko. Nach der Dauerkrise von 2010-2011 steht das Land auf noch wackligen Beinen. Und nächstes Jahr droht schon wieder ein neuer Sturm. Und dann muss man eben feststellen, dass Prinz Philippe nicht unumstritten, und Elio Di Rupo als Premier in Flandern nach wie vor nicht angekommen ist. Der Zeitpunkt ist also richtig und heikel zugleich. Umso weiser die Worte von König Albert, der sinngemäß sagt: Der Ball ist nicht im Lager von Prinz Philippe, sondern bei allen Belgiern.
Bild: Siska Gremmelprez (belga)