"Belgien braucht nur noch fünf Punkte aus drei Spielen, dann sind wir in Brasilien", titelt La Dernière Heure. Viele Zeitungen blicken heute noch einmal zurück auf den vergangenen Freitag, genauer gesagt auf den Sieg der Fußballnationalmannschaft gegen Serbien.
Der Held des Spiels ist zweifellos Vincent Kompany, der Kapitän der Roten Teufel. Sein Foto prangt auf vielen Titelseiten. "Kompany spielte am Freitag mit einer gebrochenen Nase, einem Riss in der Augenhöhle und einer Gehirnerschütterung", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
"Kompany nicht zu brechen", schreibt denn auch De Standaard. Sportler können viel Schmerz aushalten, wenn sie gewinnen wollen, zitiert das Blatt den Kapitän der Nationalmannschaft.
"Kompany ist der Held für 60.000 Fans auf Facebook", titelt Het Laatste Nieuws. Doch sind nicht alle begeistert von seinem Verhalten. "Ging Kompany einen Schritt zu weit?", fragt sich ein Sportarzt in Gazet Van Antwerpen. Weil er mit einer solchen Verletzung weiter spielte, brachte er seine Gesundheit in Gefahr. "Kompany riskierte einen Hirnschlag", sagt der Experte.
"Föderalismus zu Ende denken"
Viele Zeitungen blicken aber auch zurück auf das politische Wochenende. Das gehörte insbesondere den flämischen Liberalen OpenVLD und der sozialistischen SP.A.
OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten predigte etwa eine Abkehr vom Konföderalismus. Sie will sich damit von der N-VA abheben. Ruttens Plädoyer für einen starken Föderalismus, das kann aber auch eine sehr flämische Position sein, glaubt De Standaard in seinem Leitartikel. Wenn man den Föderalismus zu Ende denkt, dann muss man nämlich auch einige Blockierungsmechanismen in Frage stellen. Dann wäre zum Beispiel auch Schluss mit der Alarmglocke. Anders gesagt: Man muss eigentlich erstmal den klassischen Föderalismus einführen.
Die sozialistische SP.A hat am Wochenende ihrerseits ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet. Es war für die Sozialisten buchstäblich der "Kongress des Jahrhunderts". Die neue Charta soll nämlich den so genannten "Vertrag von Quaregnon" ersetzen, das sozialistische Manifest von 1894.
"Lohnnebenkosten senken!"
Und noch ein anderer machte am Wochenende von sich reden: "Der flämische Ministerpräsident Kris Peeters verlangt eine schnellere Senkung der Lohnnebenkosten", titelt sinngemäß Gazet Van Antwerpen. Die Föderalregierung dürfe nicht länger warten. Wegen der hohen Lohnkosten sind Flandern in letzter Zeit 1.200 Jobs durch die Lappen gegangen, beklagt Peeters.
Ob dieser Appell von Erfolg gekrönt sein wird, ist allerdings fraglich, orakelt Het Belang Van Limburg. In der Föderalregierung wird nach wie vor das Problem der hohen Lohnkosten kleingeredet. Und wenn die Sozialisten jetzt auf der anderen Seite wieder die Solidarität in den Vordergrund stellen, dann stellt sich die Frage: Wer soll das bezahlen? Dieses Land braucht Jobs. Das muss absolute Priorität haben.
"Peeters macht es sich zu einfach", wettert Het Laatste Nieuws. Er gibt Premierminister Elio Di Rupo die alleinige Schuld an den hohen Lohnkosten. Dabei müsste Peeters doch wissen, wie schwierig es ist, dieses Problem zu lösen. Man kann etwa den Steuerdruck verlagern: weg von der Arbeit, hin zum Kapital. Das dürfte dem flämischen Mittelstand aber nicht gefallen. Oder aber: Man kann in der sozialen Sicherheit säbeln. Das wiederum wird der Gewerkschaftsflügel seiner eigenen Partei kaum akzeptieren. Fazit: Veränderungen muss man nicht nur beim anderen suchen, man muss auch seinen Beitrag leisten.
Wahlkampffieber
Het Nieuwsblad ist dieses Bombardement von politischen Vorschlägen und Vorstößen verdächtig. Da können die Parteien noch so widersprechen, man wird den Eindruck nicht los, dass der Wahlkampf in der Tat schon begonnen hat. Ein volles Jahr vor der Wahl und mitten in der Krise ist Wahlkampf-Fieber aber das letzte, was wir brauchen.
Apropos Wahlen: N-VA-Chef Bart De Wever hat ja angekündigt, sein Amt des Parteivorsitzenden erst nach der Wahl zur Verfügung zu stellen. Laut Satzungen müsste aber eigentlich schon im nächsten Frühjahr ein neuer Präsident gewählt werden. Es bleibt also bei der Doppelbelastung Partei-Chef und Bürgermeister, konstatiert Gazet Van Antwerpen. Was sich De Wever da zumutet, ist fast schon unmenschlich. Für die Antwerpener gibt es aber auch eine gute Neuigkeit: Nach den Regierungsverhandlungen 2014 will sich De Wever ausschließlich auf Antwerpen konzentrieren. Diese bislang offene Frage ist also jetzt beantwortet.
Neue wallonische Stadt?
Im frankophonen Landesteil sorgt ein Vorschlag von cdH-Chef Benoît Lutgen für Diskussionsstoff. Der regt den Bau einer neuen Stadt in der Wallonie an. In Le Soir erteilt der Ecolo-Regionalminister Philippe Henry der Idee einer Absage.
Für L'Avenir sollte man derlei Vorschläge aber nicht sofort als unrealistische Utopien vom Tisch fegen. Man kann sie zumindest zum Anlass nehmen für eine Debatte über die Raumordnung im 21. Jahrhundert. Denn eins ist sicher: Die bisherige Politik der Verteilung des Wohnraums stößt an ihre Grenzen.
"Neue Gefängnisse aber keine neue Politik"
"Die Gefängnisse der Zukunft werden der Privatwirtschaft überlassen", titelt Le Soir. Die geplanten Gefängnisse in Marche, in Beveren und in Leuze werden jedenfalls in den Händen von privaten Verwaltern sein, hat das Blatt erfahren. Die neuen Haftanstalten sollen sehr bald eröffnet werden; die erste in Marche bereits im November dieses Jahres.
Neue Gefängnisse sind schön und gut, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Damit werden vielleicht die brennenden Probleme in puncto Infrastruktur gelöst. Leider gehen die neuen Gefängnisse nicht mit einem neuen Ansatz in der Politik des Strafvollzuges einher. Und weil sich am Umgang mit Straftätern nichts ändern wird, werden wohl auch die neuen Gefängnisse am Ende den alten gleichen, also zu reinen Straflagern.
"Wir schaffen ein Paradies für Schwerverbrecher", so die beängstigende Schlagzeile von De Standaard. Der Satz stammt vom Vertreter einer Polizeigewerkschaft. Hintergrund: Die Polizei müsse sparen; mindestens die Hälfte der personellen Abgänge wird nicht ersetzt. Die Polizei laufe leer, meint die Gewerkschaft. Wenn das so weiter gehe, fahre die Polizei gegen die Wand.
Foto: Eric Lalmand (belga)