"Es gibt ein Abkommen über die Unterrichtsreform", titelt Het Laatste Nieuws. "Ministerpräsident Peeters rettet seine Haut", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Nieuwsblad. Die flämische Regierung hat sich nach tagelangem Streit nun doch noch auf eine Reform des Sekundarschulwesens geeinigt.
Die N-VA hatte sich bis zuletzt gegen das Projekt des SP.A-Unterrichtsministers Pascal Smet gestemmt. Am Abend gab es also einen Kompromiss. Wie der aussieht, das deutet De Standaard auf seiner Titelseite an: "Die Reform des Sekundarschulwesens kommt in Scheiben".
Eine dieser "Scheiben" sieht so aus: 2016 wird entschieden, ob man die zweite Phase einleitet. 2016 - das würde also bedeuten, dass die nächste Regierung diesen Beschluss treffen wird.
Flämische Unterrichtsreform: ein Flop?
Noch ein Kompromiss steht auf der Titelseite von Gazet Van Antwerpen: "Schulen können selbst entscheiden, ob sie die Reform umsetzen oder nicht". Das heißt: Sie können entscheiden, ob sie sich auf einen Bereich der Schulbildung konzentrieren, ob sie also künftig den Schwerpunkt legen z.B. auf Wissenschaft und Technik oder auf Sprachen.
"Jeder kriegt seinen Willen", fasst es Het Nieuwsblad zusammen. De Morgen zieht seinerseits auf der Titelseite eine verbitterte Bilanz: "Die Unterrichtsreform gebiert eine Maus".
Im Endeffekt ging es nur noch darum, dass keiner der Koalitionspartner einen Gesichtsverlust erleidet, stellt Gazet Van Antwerpen fest. Um den Inhalt der Reform ging es nicht mehr, man kann sich an den fünf Fingern abzählen, dass in dieser Legislaturperiode nicht mehr viel passieren wird. Und die nächste Regierung kann sogar beschließen, die Reform gänzlich auf Eis zu legen.
Es wäre nicht der erste Masterplan, der am Ende im Papierkorb landet, konstatiert auch Het Nieuwsblad. Die ganze Debatte ist am Ende leider entgleist. Um pädagogische Grundsätze ging es längst nicht mehr. Im Mittelpunkt stand einzig noch das Ego der jeweiligen politischen Galionsfiguren. Und das ist schade.
"Kraft des Stillstands"
Und diese Leute haben sich am Ende für die Schule entschieden, die sie selbst gekannt haben, beklagt De Standaard. Die Schule ihrer Jugend, die Schule der Vergangenheit also. Wenn die Reform endlich greift, dann werden die ersten Schüler des neuen Systems 2025 ihren Abschluss machen. Und das eben in einer Schule der Vergangenheit.
"Die flämische Regierung hat mutig beschlossen, nichts zu beschließen", ärgert sich De Morgen. Die Defizite des Unterrichtswesens sind bekannt. Der N-VA-Beschäftigungsminister Philippe Muyters hat unlängst noch darauf hingewiesen, in welchen Punkten das Schulsystem am Arbeitsmarkt vorbeischießt. Und trotzdem herrscht offensichtlich die "Kraft des Stillstands".
Das ist eine Anspielung auf den Slogan der N-VA, der da lautet: Die Kraft der Veränderung. Genau das vermisst auch das frankophone Börsenblatt L'Echo. Vielmehr scheint bei der Nationalisten-Partei die Angst vor Veränderung vorzuherrschen. Weiteres Paradox: Die N-VA, die sich als Sprachrohr der Arbeitgeber sieht, verwirft eine Reform, die ausgerechnet von eben diesen Arbeitgebern ausdrücklich befürwortet wird.
Reform der königlichen Dotation: just in time
Im Mittelpunkt steht auch heute einmal mehr das Königshaus. Und das nicht nur wegen der Fotos, die heute in fast allen Zeitungen zu finden sind. Die Bilder zeigen Kronprinz Philippe neben Micky Maus. Eine von Prinz Philippe angeführte belgische Wirtschaftsdelegation besucht derzeit Kalifornien.
Einige Leitartikler beschäftigen sich mit dem jüngsten Vorschlag von Premierminister Elio Di Rupo zur Reform der Dotationen für das Königshaus. Demnach sollen die staatlichen Zuwendungen für die Mitglieder der Königsfamilie eingeschränkt und in Teilen auch besteuert werden.
Damit würde die königliche Familie ein bisschen mehr zum "gewöhnlichen Belgier". Und das ist auch gut so, findet Het Laatste Nieuws. Indem man für finanzielle Transparenz sorgt, holt man das Königshaus aus der Schusslinie.
"Dieser Coup ist gelungen", lobt La Dernière Heure den Vorstoß von Elio Di Rupo. Das Timing ist perfekt. Kurz vor der Wahl will die Regierung ein Thema in Angriff nehmen, das den N-VA-Wählern am Herzen liegt. Eben, um der Nationalisten-Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Doch versucht die N-VA, den Spieß umzudrehen, stellt La Libre Belgique fest. Die Nationalisten tun so, als erfolge diese Reform nur unter ihrem Druck. Das allerdings stimmt nicht. Schon seit Jahren befassen sich Arbeitsgruppen mit der Dotation des Königshauses. Jetzt ist eben nur die Zeit reif. Das gilt allerdings nicht für eine mögliche Debatte über die politische Rolle der Monarchie. Eine solche Diskussion wäre wohl explosiv.
Weiter Proteste in Istanbul
Im Fokus sind auch heute weiter die Proteste in der Türkei. Viele Zeitungen haben inzwischen Sonderkorrespondenten vor Ort und veröffentlichen Reportagen vom Taksim-Platz in Istanbul. La Libre Belgique bringt eine Geschichte über "jene Türken, die Ministerpräsident Erdogan herausfordern". Auf der Titelseite: ein Mann im Anzug, der Maske und Schutzbrille trägt.
"Egoismus der Babyboomer"
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit einer neuen Studie, die besagt, dass mehr als ein Drittel der Belgier nicht bis 65 Jahre arbeiten will. Das gilt vor allem für die über 50-Jährigen. Von ihnen ist mehr als die Hälfte gegen eine Erhöhung des tatsächlichen Rentenalters.
Het Belang Van Limburg geißelt diese Haltung als "den Egoismus der Baby-Boomer". Nicht nur, dass diese Generation ihren Kindern eine gigantische Staatsschuld hinterlässt. Sie will zudem nicht ihren Beitrag zur Sicherung der Rente leisten.
Man sollte fast schon meinen, dass die Belgier immer noch nicht kapiert haben, ereifert sich auch L'Avenir. Es muss doch eigentlich jedem einleuchten, dass die Pensionen so nicht zu finanzieren sind. Die verantwortlichen Politiker werden wohl viel Phantasie brauchen, um die Reformen durchzuziehen, die nötig sind.
Gegen den "Cowboy der Weltwirtschaft"
"Sonnenpaneele: Europa fordert China heraus", titelt derweil Le Soir. In der Tat: Die EU-Kommission hat beschlossen, eine Einfuhrsteuer auf chinesische Sonnenpaneele einzuführen; das ist quasi ein Schutzzoll. Schutzzoll als Antwort auf die mutmaßliche Dumping-Politik der Chinesen.
Das ist ein mutiger Schritt, lobt Le Soir in seinem Leitartikel. Wobei: Das Ganze ist nicht ohne Risiko. Wichtig ist aber, dass man Peking klar macht, dass China nicht auf ewig den Cowboy der Weltwirtschaft geben kann.
rop - Bild: Dirk Waem (belga)