"Keine Geldstrafe, aber viele Hausaufgaben für die Regierung Di Rupo", titelt Le Soir. Bei De Standaard heißt es: "Die EU-Kommission legt die belgischen Tabus erneut auf den Tisch". La Libre Belgique meint: "Europa fordert uns auf, das Land schnell zu modernisieren".
Wegen seines Haushaltslochs hat Belgien am Mittwoch keine 750 Millionen Euro-Strafe von der Kommission erhalten, wohl aber eine Aufforderung zu einer neuen Spar-Kur. "Wir kommen am Galgen vorbei", bemerkt L'Avenir, "bluten werden wir aber trotzdem". L'Echo glaubt ebenfalls, dass die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen nicht spurlos an uns vorbeigehen werden. Europa gibt Belgien bis zum Ende des Jahres Zeit, um das Defizit unter die drei-Prozent-Marke zu bringen. Spätestens 2015 muss das Budget ausgeglichen sein. Konkret heißt das: Einsparungen in Höhe von vier Milliarden Euro.
Firmenwagen und Diesel im Visier
Neben der Haushaltssanierung rät die EU-Kommission zu Strukturreformen: Der Index muss erneut angepasst, die Lohnkosten gesenkt und die Frührente abgeschafft werden. Auch fordert Wirtschaftskommissar Olli Rehn Veränderungen beim Umweltschutz. Het Laatste Nieuws macht daraus seine Titelgeschichte und schreibt: Firmenwagen und Diesel im Visier. Um die hohen Lohnkosten zu senken, sollte Belgien die private Nutzung von Firmenwagen und den umweltschädlichen Diesel-Kraftstoff stärker besteuern.
Die Koalitionsparteien reagieren unterschiedlich auf die Vorgaben der Europäischen Kommission. Während die flämischen Liberalen sich freuen und auf neue Reformen drängen, warnen die französischsprachigen Sozialisten vor den Gefahren von allzu vielen Einschnitten. "Die Empfehlungen der EU untergraben unseren Sozialstaat", wird PS-Chef Paul Magnette in der Zeitung zitiert.
Schwere Aufgabe für Regierung Di Rupo
Het Belang Van Limburg gibt zu bedenken: Mit dem europäischen Messer an der Kehle und der Pistole der "Mutter aller Wahlen" im Gesicht steht die Regierung vor einer extrem schweren Aufgabe. Gazet Van Antwerpen meint: Wir haben eine gelbe Karte bekommen und sollten jetzt nicht nach Ausreden suchen, sondern aus der Not eine Tugend machen.
De Standaard ist mit allen von der EU-Kommission geforderten Reformen einverstanden, auch was die Firmenwagen und den Diesel angeht. Dass hierzulande Scharen von Arbeitnehmern nicht in Geld, sondern in Autos bezahlt werden, ist nicht nur unsinnig, sondern hat auch negative Folgen für die Umwelt. Die verschärften europäischen Regeln sind logisch, denn die Währungsunion kann nur funktionieren, wenn die Haushaltspolitik in allen Ländern dieselbe ist. Allerdings sieht das Blatt zwei Probleme: Zwar ruft Europa zum Sparen auf, tut aber zu wenig für neues Wachstum. Und: Die EU, die uns diese Maßnahmen auferlegt, funktioniert nicht demokratisch genug. Auch das muss sich dringend ändern.
De Morgen sieht Belgien unter europäischer Vormundschaft. Einziger Trost, so die Zeitung, ist, dass wir nicht alleine sind. Unseren niederländischen Nachbarn widerfährt ein ähnliches Schicksal.
"EU gerecht und ungerecht zu Belgien"
Le Soir findet: Die EU-Kommission ist besonders streng zu Belgien. Das ist zugleich gerecht und ungerecht. Gerecht, weil unser Schuldenberg sehr hoch ist und durch die Alterung der Gesellschaft immense Kosten auf uns zukommen. Ungerecht, weil die Kommission unsere Stärken nicht ausreichend hervorhebt. Dazu zählen in diesen Krisenzeiten die 20 Milliarden Euro Einsparung der Regierung, die mehr oder weniger erhaltene Kaufkraft und die Erhaltung vieler Jobs, da wo in anderen Ländern die Arbeitslosigkeit rasant ansteigt.
Het Laatste Nieuws fügt noch einen anderen Aspekt hinzu: An den Sparanstrengungen sollte sich nicht nur die Föderalregierung beteiligen, die Teilstaaten sind ebenfalls gefragt. Die Regionen erhalten heute ein Viertel der Steuereinnahmen, sie sollten sich also auch zu 25 Prozent an den Kosten beteiligen. Abschließend meint Gazet Van Antwerpen: Die notwendigen Reformen sollten wir nicht der EU zuliebe, sondern für unsere Kinder machen.
Het Nieuwsblad befasst sich mit der Verschärfung der Ordnungsstrafen, die heute im Parlament verabschiedet werden soll. Nicht nur zahlreiche Jugendverbände, sondern auch die Jugendabteilungen der Regierungsparteien proben den Aufstand. Sie befürchten Willkür und Diskriminierung, weil es keine einheitliche Regelung gibt. Mit Ordnungsstrafen sollen künftig auch Jugendliche ab 14 Jahren bestraft werden können.
Vincent und Bruno sagen "Ja"
Alle Zeitungen berichten über die erste gleichgeschlechtliche Eheschließung in Frankreich. Nach massiven Protesten haben Vincent und Bruno sich am Mittwoch in Montpellier das Ja-Wort gegeben. Das Grenz-Echo begrüßt die Entwicklung: Der Begriff Ehe wird im Kern durch die Homo-Ehe nicht verändert, sondern nur zeitgemäß erweitert und neu definiert. In Belgien wurde das glücklicherweise schon vor Jahren geändert, dennoch würde ein bisschen mehr von der toleranten Dreifaltigkeit aus Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit nicht schaden - auch außerhalb Frankreichs.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)