"Ein Jahr vor den Wahlen: Die N-VA fängt an zu enttäuschen: Minus 6,2 Prozent", titelt La Libre Belgique. "Startschuss zur Mutter aller Wahlen", heißt es bei De Standaard. Beide Zeitungen veröffentlichen jeweils unterschiedliche Umfragen zur Beliebtheit der politischen Parteien. Allerdings sind die Ergebnisse fast gleich.
Die flämisch-nationalistische N-VA verliert deutlich, bleibt aber mit Abstand die beliebteste Partei in Flandern. Von dem Verlust profitiert vor allem die rechtsextreme Partei Vlaams Belang. Elf Prozent würden dem Vlaams Belang ihre Stimme geben. In der Wallonie rutschen die Sozialisten erstmals seit langem auf unter 30 Prozent ab.
Drei Lehren können wir aus der Umfrage ziehen, fasst La Libre Belgique zusammen. Erstens: In Flandern gibt es eine große Gruppe Wechselwähler zwischen nationalistisch und rechtsextrem. Für N-VA-Chef Bart De Wever ist das nicht gut. Gehen diese Wähler zum Vlaams Belang, verliert die N-VA, gehen diese Wähler zur N-VA bekommt sie gleich einen braunen Anstrich. Zweitens: Von den Verlusten der PS in der Wallonie profitieren vor allem die Liberalen. Und drittens: Die Landeswahlen finden erst in einem Jahr statt. Bis dahin kann sich noch viel ändern, glaubt La Libre Belgique.
Het Belang van Limburg ist der gleichen Meinung. Ein Jahr ist in der Politik eine Ewigkeit. Streit, falsche Beschlüsse, schlechte Kommunikation, ein Lebensmittelskandal, ein Problem mit unseren Atomkraftwerken, all das kann die Wählergunst noch stark beeinflussen.
Wichtige Wahlen
Auch L'Echo wirft bereits einen Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr. Warum sehen wir die Wahlen als so wichtig an, fragt sich die Wirtschaftszeitung? Ganz einfach: Sie könnten dazu führen, dass wir uns noch mehr als heute mit den nationalistischen und rechtsextremen Parteien aus Flandern beschäftigen müssen. Die frankophonen Wähler fürchten sich vor diesem Szenario, sind aber machtlos. Denn sie können nur zuschauen, was sich im Norden des Landes tut. Ihre Stimmen werden dort nicht gezählt. Sie müssen quasi machtlos zuschauen, wie sich die Zukunft unseres Landes in eine Richtung verändern könnte, die in Wallonien keiner will, bedauert L'Echo.
Emotionen unterschätzt
"Ein Stück Klopapier entscheidet über Zukunft von westflämischen Fußballclubs", regt sich Het Nieuwsblad in seiner Schlagzeile auf. "Top-Club in Antwerpen kann acht Millionen Euro kosten", titelt Het Laatste Nieuws. In den flämischen Zeitungen schlagen die gescheiterten Pläne um einen möglichen Umzug der Fußballklubs Zulte-Waregem und Ostende hohe Wellen. Beide Clubs gehören dem Unternehmer Patrick Decuyper. Beide werden in der nächsten Saison in der ersten Liga spielen. Antwerpens Bürgermeister Bart De Wever hätten einen der beiden Clubs gerne nach Antwerpen geholt. Decuyper war dazu wohl auch bereit, aber auf Druck der Öffentlichkeit in Zulte-Waregem und Ostende kam der Deal bislang nicht zustande.
Dazu meint Het Laatste Nieuws: Geschäftsmann Decuyper hat sich verzockt. Er hat die Emotionen rund um Fußballklubs nicht berücksichtigt. Fußballklubs bedeuten Identität für Fans, Gemeinden und Regionen. Sie sind ein Wirtschaftsfaktor für die Städte, in denen sie spielen. Diese Macht hat vorläufig gesiegt. Und Bart De Wever in Antwerpen? Wenn er wirklich einen Erstligaklub haben will, soll er seine acht Millionen in die Hand nehmen und den FC Antwerpen auf Vordermann bringen. Der spielt in der zweiten Liga und könnte also in einem Jahr auch in der Elite kicken, rät Het Laatste Nieuws.
De Morgen seinerseits schreibt: Bart De Wever hat ein Eigentor geschossen. Aber er ist nicht der erste Politiker, der sich beim Thema Fußball die Finger verbrennt. Und Decuyper? Solange Menschen wie er beim Fußball mitmischen, wird der Fußball in Belgien nicht gesund. Eine Woche nach dem größten Vereinserfolg für Zulte-Waregem, nämlich der Vizemeisterschaft, will er den Club nach Antwerpen verkaufen. So etwas ist Fans nicht zu verkaufen. Belgiens Fußball und Belgiens Bürgermeister sollten sich an Deutschland ein Vorbild nehmen. Dort ist der Einfluss von Gemeinden auf Fußballclubs beschränkt, Geschäftsmänner dürfen höchstens 49 Prozent Anteil an einem Verein besitzen, so De Morgen.
Achtung Rattenfänger!
De Standaard macht sich in seinem Kommentar Gedanken zu dem Vorschlag der flämischen Liberalen, Mini-Jobs nach deutschem Vorbild in Belgien einzuführen. Wir sollten dem Rattenfänger nicht blind folgen, meint die Zeitung. Es gilt abzuwägen: Mini-Jobs haben Deutschland viel Positives gebracht. Vor allem haben sie den Arbeitsmarkt flexibel gestaltet. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben davon profitiert. Aber es gibt auch Nachteile. Nicht alle Menschen mit Mini-Jobs können von ihrer Arbeit leben. Sie gelten weiter als arm. Und das sollten wir in Belgien nicht wollen. Denn bei uns ist Arbeit seit jeher der Garant dafür, nicht in Armut abzugleiten. An diesem Wert sollten wir festhalten, findet De Standaard.
Einsamer Wolf oder Eisberg?
L'Avenir kommt auf die Bewertung der jüngsten Attentate von radikalen Islamisten zu sprechen: Jetzt geht die These um, dass es sich immer häufiger um Einzeltäter handelt. In unserer französischen Sprache nennen wir sie "Loups solitaires", die einsamen Wölfe. Das ist ein romantisches Bild und genauso falsch wie das, was gestern der französische Innenminister Manuel Valls sagte.
Der Minister bestritt heftig, dass es sich um Einzeltäter handelt. Vielmehr geht er weiter davon aus, dass die Kontakte der Täter in weltweite islamistische Kreise groß waren. Sie seien nur die jetzt sichtbar gewordene Spitze des Eisbergs, dessen Ausmaße man nur erahnen könne. Mit beiden Bildern - dem einsamen Wolf und der allzeit gegenwärtigen Gefahr - müssen wir vorsichtig sein. Denn beide Bilder bergen Gefahren. Die Diskussion über Attentate kann genauso gefährlich sein wie Bomben und Messerattacken, meint L'Avenir.
Bidl: Nicolas Maeterlinck (belga)