"Eine Idee, die schlecht ankommt", titelt La Libre Belgique. "Steuern auf das Sparbuch - ein kategorisches Nein", heißt es bei Le Soir. Beide Zeitungen widmen ihre Aufmacher den neusten Ideen von Finanzminister Koen Geens. Der schlägt vor, alle Zinsen von Sparbüchern mit 15 Prozent zu besteuern. Zurzeit sind Zinsen bis 1800 Euro von einer Abgabe befreit. Diese Pläne wurden am Wochenende scharf kritisiert, vor allem die frankophonen Parteien in der Föderalregierung lehnen sie ab.
Le Soir dagegen findet die Zinsabgaben auf Sparbücher logisch: In Zeiten, wo die Regierung sich um einen ausgeglichenen Haushalt und die Wiederbelebung der Wirtschaft kümmert, wäre es ein Luxus, die Geldquelle Sparbuch zu vernachlässigen. Es ist der letzte Schritt beim Abbau von Vorteilen, die früher auch andere Sparprodukte genossen haben. Zumal der Geldsegen aus den Sparbüchern groß sein wird. Doch im Grunde ist die Idee unseres Finanzministers auch das Eingeständnis eines Versagens. Nämlich, dass der Staat es nicht geschafft hat, auf andere Weise die Belgier dazu zu bewegen, Geld von ihren Sparbüchern in die eigene Wirtschaft zu investieren, findet Le Soir.
Wieder auf die Kleinen
Diese Kritik teilt Het Laatste Nieuws. Jetzt soll es wieder die Sparer treffen. Sie haben doch schon bislang so viel für die Krise geblutet. Bald werden sie ihr Geld wieder unterm Kopfkissen bunkern. Und vergessen wir nicht: Schon auf dem Sparbuch bringt das Geld kaum noch Zinsen. Der Vorschlag von Koen Geens geht in die falsche Richtung. Statt zu bestrafen, sollte die Regierung kreativ sein und schauen, wie sie mit anderen Mitteln die Wirtschaft wieder in Schwung bringt, so Het Laatste Nieuws.
Das findet auch L'Avenir und geht davon aus, dass die Pläne so schnell nicht umgesetzt werden: Ein Jahr vor den Wahlen wird sich wohl kaum eine Partei dafür stark machen, Zinsen auf Sparbücher zu erheben. Denn die Maßnahme ist äußerst unpopulär. Dieser Angriff auf das Sparbuch wird bei dem kleinen Sparer nur das Gefühl der Ungerechtigkeit verstärken. Seine Lust, sich selbst oder sein Geld in irgendwelche Initiativen zu stecken, wo die Mithilfe der Bürger nötig ist, wird im Nichts versinken, so L'Avenir.
Ohne Bargeld gegen Schattenwirtschaft
"63 Milliarden Euro werden dieses Jahr schwarz bezahlt", titelt De Morgen. Laut einer Studie der österreichischen Universität Linz ist Belgien bei der Schattenwirtschaft Spitzenreiter in Westeuropa. Prozentual wird nirgendwo mehr schwarz bezahlt, also am Fiskus vorbei, als in Belgien. Zwar ist die Tendenz rückläufig, doch immer noch soll der Anteil 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen.
Kommentierend meint dazu das Blatt: "Würde die Schattenwirtschaft bei uns auf dem Niveau von Frankreich, England oder den Niederlanden sein, dann würde ihr Umfang nur 38 statt 63 Milliarden Euro betragen. Der beste Weg, um schnell große Erfolge gegen diese Schattenwirtschaft zu erzielen, ist das Zahlen mit Bargeld abzuschaffen. Bargeld ist ihr Treibstoff. Schafft man es ab, legt man sie still. Wenn jeder Zahlungsvorgang Spuren hinterlässt, wird Betrug immer schwieriger. Was wir dann aber auch brauchen, ist Vertrauen in unsere Banken. Und das hat ja in den vergangenen Jahren stark gelitten. Hier ist jetzt also die Politik gefragt, wenn sie nachhaltig etwas gegen die Schattenwirtschaft erreichen will, findet De Morgen.
Auf das Zugunglück in Wetteren kommt La Libre Belgique in ihrem Kommentar zurück: Langsam normalisiert sich alles, und das ist gut. Fehler wurden gemacht. Aber auch Dank der Bevölkerung und der Rettungskräfte ist es nicht zur Eskalation gekommen. Allerdings beunruhigen jetzt öffentliche Äußerungen des Gouverneurs von Ostflandern. Er sagt: Vielleicht befinden sich noch einige Opfer in ihren Häusern und keiner hat sich bislang um sie gekümmert. So ein Satz sagt viel über das Management des Unglücks. Und dass er aus dem Mund des obersten Verantwortlichen Kommt, spricht Bände, meint La Libre Belgique.
Hoffentlich gut geschlafen, Herr Gouverneur
Ähnlich kritisch ist De Standaard zu einer anderen Äußerung des Gouverneurs. Gestern setzt er sich in eine Talkrunde im TV und sagt: Wir brauchen in Zukunft eine bessere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Medien. Wir müssen zusammen festlegen, welche Informationen wir mitteilen und welche nicht. Da können wir nur hoffen, dass der Gouverneur mittlerweile gut geschlafen hat und zu der Erkenntnis gekommen ist, dass sein Vorschlag nicht durchdacht war. Denn so etwas geht ja gar nicht. Die freien Medien können und dürfen sich nicht in den Dienst von Regierungen stellen. Was sie natürlich nicht von ihrer Pflicht entbindet, verantwortungsvoll über Katastrophen zu berichten, findet De Standaard.
Über die Opfer von Missbrauchsskandalen in katholischen Kinderheimen macht sich Het Nieuwsblad Gedanken: Natürlich ist es gut, wenn sich jetzt immer mehr Opfer melden. Doch es sind Opfer aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Wichtig ist auch, hinzuschauen, was heute in solchen Einrichtungen passiert. Denn sonst werden wir in zwanzig Jahren wieder Kommissionen einrichten, die sich erst dann mit unserer Gegenwart beschäftigen.