"Lastwagen außer Kontrolle - 2 Tote und 4 Schwerverletzte", titelt l'Avenir. "LKW rast in Spa gegen Häuserfront - zwei Tote", schreibt das Grenz-Echo. "Zerquetscht von einem 40-Tonner", so die Schlagzeile von La Dernière Heure. Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit dem verheerenden Unfall gestern in Spa.
Unter den Toten ist auch der Fahrer des Unglücks-LKW, und das ist denn auch der Aufhänger des limburgischen Regionalblatts Het Belang Van Limburg: "Trucker aus Lommel stirbt in Spa", schreibt die Zeitung auf Seite eins. Der 40-Tonner hatte in der Straße nichts verloren, wie viele Zeitungen feststellen. Sie war nämlich nur für Fahrzeuge bis sieben Tonnen zugelassen.
Leider zieht dieses Land keine Lehren aus der Vergangenheit, kritisiert L'Avenir in seinem Leitartikel. Es ist nämlich längst nicht der erste Unfall an genau dieser Stelle. Warum hat man nicht wie in Stavelot eine Vorrichtung installiert, die es LKW unmöglich macht, die Straße zu benutzen? Warum führt man nicht wenigstens systematische Kontrollen durch?
Wie auch in Wetteren muss man die Lehren aus dem Unglück ziehen. Und es darf nicht bei einer simplen Feststellung bleiben, nach dem Motto: "Pech gehabt".
Sieben Mal tödlich
Eben besagte Katastrophe in Wetteren steht im Mittelpunkt der Berichte und Kommentare in der flämischen Presse. Um die Unglücksstelle haben Fachleute im Abwassersystem des Viertels Messungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind spektakulär: "6 Mal die tödliche Dosis Gift", titelt Het Nieuwsblad. Auf Seite eins von Het Laatste Nieuws ist es noch mehr: "7 Mal der tödliche Wert", schreibt das Blatt in Blockbuchstaben.
Für mindestens 450 Anwohner ist also an eine Rückkehr in ihre Häuser nicht zu denken. 32.000 weitere Personen mussten sich bereithalten, um eventuell auch ihre Wohnung zu verlassen. "Evakuiert Wetteren für einige Wochen!", so der Appell auf Seite eins von De Standaard. Dieser Aufruf stammt vom Chef der Notarzt-Zentrale in Wetteren. Eine großflächige Räumung des Katastrophengebiets, das sei die einzig mögliche Antwort auf die Katastrophe. Das Problem sei aber, dass dies aus politischen Gründen keine Option sei.
"So was gibts nur in Belgien"
"So was gibts nur in Belgien", titelt derweil De Morgen. Diese Einschätzung stammt von Luc Rombout; der ist immerhin Katastrophen-Koordinator für die NATO, und der glaubt also, dass der Umgang mit Katastrophen in Belgien sehr unprofessionell ist. Belgien lerne nicht aus der Vergangenheit, sagt Rombout in De Morgen.
Im Zentrum der Kritik ist vor allem das Krisenmanagement des Gouverneurs von Ostflandern, Jan Briers. Briers hat sich regelmäßig selbst widersprochen. Seine Kommunikation ist schwammig, so der Vorwurf. Das beginnt die Menschen zu verunsichern. "Entweder sie belügen uns oder sie wissen selbst nicht mehr", bringt Gazet van Antwerpen die Wahrnehmung der Bürger auf den Punkt. Das Resultat steht in Het Laatste Nieuws: "Panik lodert auf".
Gouverneur Briers stand gestern auch im Parlament am Pranger. Er selbst war allerdings nicht anwesend. Für eine politische Debatte im Parlament ist es aber zu früh, glaubt Gazet van Antwerpen. Da werden doch ohnehin nur politische Spielchen gespielt. Im Augenblick hat das Krisenmanagement absolute Priorität. Die politische Nachbereitung, das ist etwas für später.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Es geht jetzt nicht um die Frage, ob Gouverneur Briers einen guten Job macht oder nicht. Politische Spielchen helfen den Einwohnern von Wetteren im Moment nicht weiter. Man kann nämlich nur feststellen, dass die Situation derzeit nicht unter Kontrolle ist. Und offensichtlich glaubt man nach wie vor in Ostflandern, das Problem alleine lösen zu können. Die Zukunft wird zeigen, ob föderale Hilfe wirklich unnötig war. Wenn nicht, dann werden hier innerbelgische Querelen auf dem Rücken der Bürger ausgetragen.
Chaos-Gouverneur?
Andere Zeitungen beschäftigen sich indes durchaus mit der Personalie Briers. De Standaard jedenfalls ist erschüttert. Wie um Himmels Willen ist ein solches Chaos möglich? Die Behörden von Ostflandern sind eindeutig überfordert. Wetteren wird nicht von einem Filmmonster wie Gozilla heimgesucht, der Gegner heißt schlicht und einfach Stümperei.
Es ist unfassbar, dass man in einem Land mit einer so großen Chemie-Industrie einem solchen Unglück so machtlos gegenübersteht. Und Briers macht mit seinem Gepfusche alles nur noch schlimmer.
Die N-VA hatte Anfang des Jahres den Mann aus dem Hut gezaubert. Jan Briers ist ein Mann aus dem Kultursektor, stellt Het Laatste Nieuws fest. Und der soll jetzt also Rettungsdienste koordinieren und die Bürger korrekt informieren. Die letzten Tage haben gezeigt, dass er dazu nur bedingt in der Lage ist. Vielleicht tut er sein Bestes, doch zahlt er Lehrgeld für seine Unerfahrenheit. Deswegen entwickelt sich ein Unglück langsam aber sicher zur Katastrophe.
Auch De Morgen plädiert für eine Professionalisierung. Anfang des Jahres, also lange vor Wetteren, sprach der Löwener Bürgermeister Louis Tobback weise Worte: "Ein Gouverneur ist kein Blumentopf". Und damit spielte er auf die politische Schlammschlacht an, die sich seinerzeit um eben jenen Jan Briers abspielte.
Doch sollte man die Frage ausweiten: Ist ein Politiker, der in der Regel auf diesen Stuhl bombardiert wird, überhaupt dazu im Stande, Katastrophenpläne zu koordinieren? Dies ist eigentlich eine Aufgabe für Experten. Belgien ist eines der letzten Länder, wo Gouverneure noch in Stiefeln und Regenjacken durch Katastrophengebiete rennen. Das gehört nicht mehr in diese Zeit.
rop - Bild: Benoît Doppagne (belga)