"Chaos nach Giftkatastrophe", schreibt De Standaard auf seiner Titelseite. "200 Menschen dürfen nicht nach Hause", bemerkt Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad titelt: "Noch immer zu viel giftiges Gas". Drei Tage nach dem schweren Güterzugunglück im ostflämischen Wetteren mit einem Toten und über 100 Verletzten bleibt die Lage angespannt.
Die Menschen, die dicht an der Unfallstelle wohnen, werden wohl noch zwei Wochen warten müssen, bevor sie nach Hause dürfen, berichtet Gazet Van Antwerpen. Die Acrylnitril-Konzentration in ihren Wohnungen ist noch immer viel zu hoch und damit lebensbedrohlich. Unterdessen konnten gestern 300 andere Anwohner zurück nach Hause. Dort haben Experten keine toxischen Stoffe gefunden.
Lebensmittel müssen die Menschen vorsorglich wegwerfen. Auch Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten dürfen sie aus Sicherheitsgründen nicht verzehren. Wegen der giftigen Dämpfe, die nach dem Unglück frei gekommen waren, warnen Toxikologen vor einem erhöhten Lungenkrebs-Risiko. Anwohner sollten unbedingt zum Arzt, um Blut und Urin kontrollieren lassen.
"Behörden haben mehrmals gepatzt"
Fragen wirft vor allem der Umgang mit dem Chemie-Unfall auf. "Wie konnte bloß so viel schief laufen?", steht heute in fast allen Zeitungen. Verunreinigtes Kühlwasser ist in die Kanalisation gelangt, obwohl es dort nicht hin durfte. Ein Mensch ist gestorben, obwohl sein Tod hätte verhindert werden können. Dasselbe gilt für die vielen Verletzten. Het Laatste Nieuws schlussfolgert: Die Behörden haben viele Fehler gemacht: bei der Organisation sowie der Umsetzung der Notfallpläne, bei der Kommunikation und in Bezug auf Umweltschäden.
De Morgen hält fest: Für Jan Briers, den ersten Provinzgouverneur der N-VA, ist die Giftkatastrophe von Wetteren eine echte Feuertaufe. Vor allem bei der Information an die Bevölkerung hat er mehrmals gepatzt. Unter anderem hatte er anfangs beteuert, dass von dem Unfall keine Gefahr für die Anwohner ausgehe. Ein Sonderausschuss des föderalen Parlaments wird sich heute mit dem Thema befassen und den Verantwortlichen auf den Zahn fühlen.
Lokführer war viel zu schnell unterwegs
Die Unfallursache wird indes immer deutlicher: De Morgen hat den auf der Blackbox des Güterzugs gespeicherten Hilferuf des Lokführers einsehen können. Daraus geht klar hervor, dass der Niederländer viel zu schnell unterwegs war und ein Bremssignal übersehen hat. Statt mit der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern soll der Lokführer die Weiche an der Unfallstelle mit über 80 km/h passiert haben. Dadurch seien die Kesselwagons mit den gefährlichen Chemikalien ins Wanken geraten, entgleist und umgekippt.
L'Echo notiert: Wenn die Strecke mit den automatischen Bremssystem ETCS ausgerüstet gewesen wäre, hätte das Unglück verhindert werden können, da der Zug dann automatisch abgebremst worden wäre. Leider wird es noch mehrere Jahre dauern, bis das belgische Schienennetz vollständig mit der Technologie ausgestattet sein wird.
Steuerdeals: Gut und gerecht?
De Standaard berichtet über einen Rekord-Deal, den Staatsanwaltschaft und Diamanten-Händler in Antwerpen geschlossen haben. Laut der Vereinbarung zahlt die Vereinigung Omega Diamants 150 Millionen Euro an das Finanzministerium. Im Gegenzug lassen Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die Diamanten-Händler wegen Steuerhinterziehung fallen.
Die Zeitung meint: Es stellen sich zwei grundsätzliche Fragen. Die erste: Verdient die Allgemeinheit an solchen Deals oder geht ihr im Gegenteil Geld flöten, das ihr eigentlich zusteht? Die zweite: Sind solche Deals gerecht und ethisch vertretbar? Das muss das Parlament entscheiden, resümiert das Blatt.
Brüssels neuer MP will City-Maut
La Libre Belgique und De Morgen führen Interviews mit Rudi Vervoort, dem neuen Ministerpräsidenten der Region Brüssel, der heute vereidigt wird. Vor allem in Sachen Einwanderung will Vervoort die Politik seines Vorgängers verschärfen. So plant der sozialistische Politiker verpflichtende Einbürgerungskurse, so wie sie in Flandern bereits bestehen. Außerdem sei die Einführung einer City-Maut für alle, die mit dem Auto in die Brüsseler Innenstadt wollen, ähnlich wie in London, denkbar.
Le Soir befasst sich ausführlich mit dem Schicksal des kleinen Viktor Ameys, der am seltenen HUS-Syndrom erkrankt ist. Helfen kann ihm nur ein teures Präparat eines US-Pharmakonzerns. Der Fall hatte belgienweit für Schlagzeilen gesorgt, weil die Krankenkasse das Medikament nicht erstattet. Was die Zeitung nicht wissen konnte: Am frühen Morgen haben sich Gesundheitsministerin Laurette Onckelinx und das Unternehmen Solaris geeinigt. Ab September zahlt die Krankenkasse, bis dahin übernimmt der Pharmakonzern die Behandlungskosten aller Patienten von 18.000 Euro monatlich.
akn - Bild: Benoît Doppagne (belga)