"SOS Brüssel", titelt Le Soir und berichtet ausführlich über das Fest der Hauptstadtregion an diesem Wochenende. Nach fast 20 Jahren an der Spitze der Brüsseler Regierung übergibt Charles Picqué die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Rudi Vervoort.
"Rudi wer?", fragt De Standaard. Der Neue im Amt ist der, den bislang niemand kennt. Vervoort war bis vor kurzem Bürgermeister der Stadtgemeinde Evere und Vorsitzender der Brüsseler Sozialisten. Sein Vorgänger Picqué gilt als Pionier der Brüsseler Autonomie. Ende der 1980er Jahre hatte er die Hauptstadtregion mit aus der Taufe gehoben.
Auch La Libre Belgique befasst sich mit dem Werdegang der Hauptstadt und zieht Bilanz. In mindestens drei Bereichen fällt das Zeugnis mangelhaft aus. So ist die Region zu schwach, weil viel zu komplex. Sie zählt zu viele Einrichtungen und zu viele Politiker. Auch im Sozialbereich gibt es Nachholbedarf. Die Region hat fast 100.000 Arbeitslose. Auch die Verkehrsplanung lässt zu wünschen übrig. Nirgends in Europa stehen die Menschen so viel im Stau wie in und um Brüssel. Im Gespräch mit der Zeitung bedauern Experten einen Mangel an Vision und Ehrgeiz für die für Belgien so wichtige Region.
Viele Vorurteile über Brüssel
Im Interview mit Le Soir verteidigt Charles Picqué seine Politik der letzten Jahre. Das Konstrukt Brüssel sei kompliziert, man müsse ständig einen Balanceakt vollziehen zwischen Französisch- und Niederländischsprachigen. Wenn man etwas ins Ungleichgewicht bringe, könnte eine Atombombe hochgehen, fasst der scheidende Ministerpräsident zusammen. Laut Picqué sind die Vorurteile der größte Feind Brüssels. In Flandern hat man das Bild einer schlecht verwalteten Großstadt. Im Süden des Landes glaubt man, dass sich alle Brüsseler herablassend über die "wallonische Provinz" äußern.
Le Soir stellt Brüssel heute auch in Zahlen vor: Die Region ist sehr vielfältig, zählt über 1,1 Millionen Einwohner. Die Kommunen mit den reichsten Einwohnern sind Watermael-Boitsfort und Woluwé-Saint-Pierre. Die ärmsten Brüsseler wohnen dagegen in Saint-Josse und Molenbeek. In Brüssel wohnen übrigens auch die jüngsten Belgier. Sie sind im Schnitt 37 Jahre alt. Fast ein Drittel der Einwohner sind Ausländer. Die meisten stammen aus Frankreich, Marokko und Italien. Brüssel ist außerdem eine sehr grüne Stadt: Die Hälfte der Region ist mit Parkanlagen versehen oder bewaldet. Fast 40 Prozent der Einwohner verfügen über einen eigenen Garten.
Skrupelloser Pharmakonzern?
Die flämischen Blätter befassen sich mit dem Schicksal des schwerkranken Viktor. Der Siebenjährige leidet an einer seltenen Schwäche des Immunsystems. Nur das Präparat eines amerikanischen Pharmakonzerns hält ihn noch am Leben. Das Problem: Das Medikament kostet 18.000 Euro im Monat und wird von der Krankenkasse nicht zurückerstattet.
Wie Het Laatste Nieuws berichtet, werden Gesundheitsministerin Laurette Onkelinx und der Pharmakonzern Alexion am Wochenende Verhandlungen aufnehmen. Ziel ist es, den Verkaufspreis des Präparats zu drücken. Het Nieuwsblad schreibt: "Der US-Pharmariese hat den kleinen Viktor benutzt". Nach Informationen der Zeitung hat der Konzern eine PR-Agentur angeheuert, um den Fall des kleinen belgischen Jungen bekannt zu machen. Viktors Eltern wussten davon offenbar nichts.
De Standaard hält fest: Am Anfang sah es so aus, als sei Gesundheitsministerin Onkelinx die kaltblütige Politikerin gewesen, die verhindert, dass die Gesundheitsbehörden das Medikament zurückbezahlen. Doch der Fall ist komplexer: Jetzt stellt sich heraus, dass eine Experten-Kommission der Ministerin geraten hatte, das Präparat nicht zu erstatten, weil der Pharmakonzern sein Monopol benutze und den Preis in die Höhe treibe.
Auch Het Nieuwsblad stellt fest: Das Verhalten des Pharmaunternehmens Alexion ist zynisch. Es gibt lieber Geld für eine geheime Öffentlichkeitskampagne aus, als den Preis eines lebensnotwendigen Medikamentes zu senken. Einmal mehr wird deutlich: Die Pharmaindustrie hat viel Geld, eine gut funktionierende Lobby und besonders wenig Skrupel.
De Standaard ist davon überzeugt, dass das Problem nur auf europäischer Ebene gelöst werden kann. Dort müssen die Konzerne unter die Lupe genommen werden. De Morgen schlussfolgert: Viktor ist kein Einzelfall. Auch in Hunderten anderen Fällen müssen die Behörden abwägen, was medizinisch erforderlich und was wirtschaftlich sinnvoll ist. Früher oder später werden wir Kriterien einführen müssen, etwa das Alter, die Lebenserwartung oder der therapeutische Nutzen.
Zu lautes Kino
Gazet Van Antwerpen schreibt, dass in den flämischen Kinos bald strenge Geräuschs-Normen gelten könnten. Der Grund sind Kinobesucher, die sich zuletzt häufig über eine zu hohe Lautstärke beklagt haben. Für Konzerte und Festivals gilt bereits eine Höchstgrenze von 100 Dezibel.
Het Nieuwsblad schließlich berichtet über eine 15-Jährige, die gestern den Schulbus verpasst hatte, auf ein Fahrrad stieg und den kürzesten Heimweg über die Autobahn nutzte. Noch rechtzeitig vor einem gefährlichen Autobahnkreuz bei Brügge konnte die Polizei das junge Mädchen stoppen. Ihre Erklärung: Sie habe einfach schnell nach Hause gewollt.