"Der Clash der Titanen hat begonnen", titelt La Libre Belgique. "Rote Pfeile gegen blaue Pfeile", so die Schlagzeile von L'Echo auf Seite eins. "PS und MR streiten sich um das Maiglöckchen", schreibt Le Soir blumig auf seine Titelseite.
Sozialisten und Liberale haben am Mittwoch den Tag der Arbeit begangen. Die Spitzenvertreter von PS und MR gingen dabei den jeweiligen Gegner ziemlich hart an. Der PS-Interimsvorsitzende Paul Magnette brandmarkte die negativen Folgen der liberalen Politik in ganz Europa. MR-Präsident Charles Michel nannte die Haltung der PS "schizophren": Auf der einen Seite tragen die Sozialisten die Politik der Regierung mit. Auf der anderen Seite fährt Magnette einen knallhart linken Kurs.
Schizophrene beste Feinde
Im Grunde sind doch alle ein bisschen schizophren, meint L'Avenir. Dass die liberale MR den ersten Mai begeht, mag einen auch immer wieder erstaunen. Schließlich wird damit an einen wichtigen Sieg der Gewerkschaften in Amerika erinnert.
"Jetzt geht diese Schlammschlacht wieder los"', beklagt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. PS und MR werden ab jetzt wieder keine Gelegenheit auslassen, sich gegenseitig als das Schlimmste aller Übel zu bezeichnen. Dabei sind sie doch eigentlich beste Feinde. PS und MR brauchen sich, weil sie sich gegenseitig stärken. Und gleich nach der Wahl werden sie sich wohl wieder an ein und denselben Verhandlungstisch setzen.
Der PS bläst derweil ein rauer Gegenwind aus den eigenen Reihen ins Gesicht. Auch die sozialistische Gewerkschaft FGTB beklagt den Kontrast zwischen den Worten und den Taten der PS. Weil die Sozialisten den harten Sparkurs der Regierung mittragen, appellierten FGTB-Verantwortliche an die "wahre Linke".
Die Basis ist unzufrieden mit der PS, konstatiert auch L'Echo in seinem Leitartikel. Doch muss man darin nicht gleich Anzeichen sehen für einen möglichen bevorstehenden Bruch zwischen PS und FGTB. Die Partei und die Gewerkschaft führen jetzt jeweils ihr eigenes Leben. Doch wissen beide sehr genau, dass sie sich gegenseitig brauchen. Nicht umsonst haben die wichtigsten FGTB-Verantwortlichen nicht die PS attackiert, sondern ihren Lieblingsfeind: die liberale MR.
SP.A will authentisch werden
Die flämischen Zeitungen beleuchten ihrerseits insbesondere den ersten Mai der flämischen Sozialisten SP.A. Mit ihrem jungen Vorsitzenden Bruno Tobback ist die Partei im Begriff, sich neu zu positionieren, glaubt Het Laatste Nieuws. Seit einigen Jahren galt die Maxime, bloß keine Themen anzusprechen, die polarisieren könnten. Jetzt wurde diese Omertà durchbrochen. Die SP.A nennt wieder die Dinge beim Namen und formuliert eigene Meinungen. Dabei verschwimmt die Verwandtschaft mit der PS. Die frankophonen Sozialisten sind konservativ und rückwärtsgewandt. Die SP.A will ihrerseits progressiv sein.
Die SP.A will sich wieder authentisch links positionieren, stellt auch Het Belang Van Limburg fest. Doch sollte sie bitte gleich damit anfangen: Von einer Partei, die seit 25 Jahren ununterbrochen an die Macht ist, erwartet man mehr als nur Muskelspielchen, keine Worte sondern Taten.
Betrugsbekämpfung als Einnahmequelle?
Viele Zeitungen heben vor allem einen Vorschlag des SP.A-Vorsitzenden Tobback hervor: Er will den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Sozialbetrug verschärfen. Der Erlös daraus soll dazu dienen, die Steuern auf Arbeit zu senken. Vor einigen Tagen wurde ja bekannt, dass Belgien in diesem Zusammenhang europaweit Spitzenreiter ist. Nirgendwo sind die Steuern auf Arbeit höher als in Belgien.
Immerhin gibt inzwischen jeder zu, dass das ein Problem ist, meint De Morgen. Dieses Problem zu lösen, indem man die Betrugsbekämpfung verschärft: Das klingt zudem nach einer tollen Idee. FGTB Rudy De Leeuw nennt sogar schon eine Zahl: 13 Milliarden Euro. Da gibt es nur ein Problem: Noch niemand hat einen Plan gesehen, keine Strategie, wie denn der Kampf gegen Steuer- oder Sozialbetrug verschärft werden soll. Zugleich werden nämlich die Verwaltungen immer weiter verschlankt. Das Personal des Finanzministeriums wird um 13 Prozent reduziert. Die Milliarden werden aber nicht vom Himmel fallen.
Und eigentlich sollten sie das auch nicht, mahnt De Standaard. Man muss den Eindruck haben, dass die Sozialisten die Betrugsbekämpfung als strukturelle Einnahmequellen betrachten, die also jedes Jahr fette Früchte abwerfen soll. Dabei sollte man die Bürger doch eigentlich davon abbringen, zu betrügen, indem man eben den Steuerdruck senkt, beziehungsweise das System vereinfacht. Wenn man die Idee der SP.A jedenfalls zu Ende denkt, dann besteht die Gefahr, dass Betrug noch ermutigt wird, um mit der Betrugsbekämpfung fette Beute zu machen.
Viktor
In Flandern sorgt weiter das Schicksal des Siebenjährigen Viktor für Betroffenheit. Viktor leidet unter einer seltenen Krankheit. Die für ihn lebenswichtigen Medikamente kosten 235.000 Euro pro Jahr, werden aber nicht von der Krankenkasse gezahlt. In letzter Instanz muss Gesundheitsministerin Onckelinx entscheiden, ob sich daran etwas ändern wird. Das zuständige Expertengremium erteilte der Bitte nach Kostenerstattung eine Absage. "Sorry, aber es gibt viele Viktors", bringt Het Nieuwsblad die Begründung auf den Punkt. Kommentierend fügt das Blatt hinzu: Das Ganze hat sich längst zu einem Krieg gegen das Pharma-Unternehmen entwickelt, das das für Viktor lebensnotwendige Präparat vertreibt. Es mag so aussehen, als wolle die belgische Krankenversicherung das Unternehmen dazu zwingen, seine Preise zu senken, indem man das Medikament eben boykottiert. Dazu nur eins: Man führt keinen Krieg mit der Pharma-Industrie auf den Rücken eines siebenjährigen Jungen.
"Das Personal von Belfius ist wütend über die Gier-Kultur in ihrer Bank", titelt Het Nieuwsblad. Belfius, das ist ja die frühere Dexia. Die Bank musste ja mit staatlichen Geldern vor dem Untergang bewahrt werden. Belfius gehört sogar dem Staat. Und doch werden an die Manager mehr als eine Million Euro an Bonus ausgezahlt. 250 Topleute haben in der vergangenen Woche in einem Luxushotel in Ostende gegessen und auch übernachtet. Deswegen wollen die Gewerkschaften sogar zum Streik aufrufen.
L'Echo erklärt auf seiner Titelseite heute "die Gründe des bereits elf Monate anhaltenden Börsenhochs". In der Tat klettern die europäischen Börsenindizes schon seit einiger Zeit. Das Problem ist, dass man das im Wesentlichen der Politik der Zentralbanken zu verdanken hat, meint L'Echo. Bis zu dem Tag, wo die Zentralbanken einmal den Erwartungen der Märkte nicht nachkommen können.
Het Laatste Nieuws macht mit einer tragischen Geschichte auf: "Polizei untersucht Selbstmord eines gemobbten Jungen", so die Schlagzeile. Die Mutter eines 14-Jährigen hat nach seinem Selbstmord jedenfalls Klage eingereicht. Der Junge hat in seinem Abschiedsbrief die Namen von zwei Mitschülern genannt, die ihn anscheinend regelmäßig zusammengeschlagen haben sollen.
"Polizisten werden anonym", titelt Le Soir. Demnach sollen die Beamten künftig nur noch über eine Nummer identifiziert werden; damit soll ihre Anonymität gewahrt werden. Auf der Uniform soll der Name des Polizisten auch nicht mehr stehen, sondern eben nur noch eine Nummer. Le Soir hält das für eine schlechte Idee. Seit der Polizei-Reform galt doch eigentlich das Prinzip Bürgernähe. Wenn Polizisten wieder namenlos werden, könnten zudem bald andere staatliche Stellen dasselbe Recht einfordern. Das wäre ein Rückschritt für die Demokratie.
Bild: Bruno Fahy (belga)