So bringt Le Soir die Schlagzeile "Die Eisenbahngesellschaft hat die Sicherheit vernachlässigt". In ihrem Kommentar spricht die Brüsseler Tageszeitung von den sträflich langsamen Entscheidungen an der Spitze des Unternehmens. Neun Jahre nach dem Zusammenstoß zweier Züge in Pécrot hat man zwei wesentliche Schlussfolgerungen nicht beachtet: Das automatische Bremssystem ist immer noch nicht eingeführt, und die Ausbildung der Lokführer, die verbessert werden sollte, wurde noch verkürzt. 700.000 Reisende nehmen jeden Tag den Zug. Die Verantwortlichen der Eisenbahngesellschaft haben nicht das Recht, nach Ausflüchten zu suchen und die Sicherheit der Passagiere zu vernachlässigen.
La Dernière Heure prangert auf ihrer Titelseite an: "Die Eisenbahn gab 200 Millionen Euro für prunkvolle Bahnhöfe aus, doch nur 18 Millionen für das Sicherheitssystem".
Ist Europa schuld?
De Morgen notiert: Die Eisenbahndirektion, die Gewerkschaften und die zuständigen Minister schoben schnell die Schuld für das fehlende automatische Bremssystem Europa in die Schuhe. Es gab aber keine einzige europäische Richtlinie über ein einheitliches Bremssystem und auch kein Verbot, dass Mitgliedsstaaten sich für ein nationales System entscheiden. Europa wollte nur, dass grenzüberschreitende Züge so ausgerüstet werden, dass man sie notfalls auch in anderen Länden stoppen kann. In Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wurden Sicherheitssysteme installiert, die einen solchen Zusammenstoß unmöglich machen. Die belgischen Verantwortlichen haben keine Entschuldigung dafür, dass sie so lange gezögert haben. Es hat hierzulande schon für weniger Tote Untersuchungsausschüsse gegeben.
De Standaard schreibt auf Seite 1: Alle Verantwortlichen versuchen, den Schwarzen Peter den anderen zuzuschieben. Die Leitung der Eisenbahn erklärt sich für unschuldig. Die heutigen Chefs der SNCB behaupten, sie hätten unmittelbar nach ihrer Ernennung das Sicherheitssystem eingeführt.
Niemand fühlt sich verantwortlich
Het Laatste Nieuws titelt:" Niemand fühlt sich verantwortlich, weder die Bahn noch die Minister, noch Europa." Sechs Feststellungen führen zu vielen Fragen über die Sicherheit der Bahn: Im Ausland sind die Züge sicherer; seit Pécrot ist praktisch nichts geschehen; seit dem Beschluss, ein eigenes Bremssystem zu entwickeln, sind vier Jahre später nur ein Prozent der Züge damit ausgerüstet; die Zusammenarbeit zwischen den drei Eisenbahnbetrieben funktioniert nicht; man vermisst den politischen Willen zu mehr Sicherheit; der Arbeitsdruck der Lokführer ist zu hoch und ihre Ausbildung nicht ausreichend.
Het Nieuwsblad bringt die Schlagzeile: "Niemand will einen Fehler zugeben", und erklärt: Eine Antwort auf die Frage, weshalb neun Jahre nach der Katastrophe von Pécrot in Belgien noch immer kein automatisches Bremssystem funktioniert, darf man nicht erwarten. In der Zeit waren sechs verschiedene Minister für die Bahn zuständig. Auch die Manager fühlen sich nicht verantwortlich.
Het Belang van Limburg spricht von schuldhafter Unterlassung durch die Eisenbahn und die verschiedenen föderalen Regierungen. Belgien ist ein zivilisiertes Land mit mittelalterlichen Gefängnissen, durchlöcherten Autobahnen und einer unsicheren Eisenbahn. Und das, obschon man hier fast die höchsten Steuern bezahlt. Es wird zu wenig investiert, weil sich das erst langfristig rentiert. Die Minister interessieren sich nur für kurzfristige Resultate, weil sie wiedergewählt werden wollen.
Der Eisenbahnstreik war fehl am Platz
Gazet van Antwerpen verurteilt die Streikbewegung bei der Bahn. Es ist verständlich, dass die Lokführer schockiert sind. Doch der Streik ist nicht das richtige Mittel, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Die Fahrgäste sind auch schockiert und fragen sich, ob der Zug noch ein sicheres Verkehrsmittel ist.
La Libre Belgique fragt sich: Haben die streikenden Eisenbahner an die Familien der Opfer der Katastrophe und an die zahlreichen Pendler gedacht, die etwas mehr Würde erwartet hätten? Der Streik ist nicht legitim, sondern sie verteidigen vor allem ihren Berufsstand. Ihr Streik stärkt nicht das Vertrauen der Reisenden in die Eisenbahn und ihr Personal.