Zur Situation in Brüssel zieht Het Nieuwsblad eine erste vernichtende Bilanz. Am letzten Wochenende gab es zwar zusätzliche Polizeistreifen in Anderlecht, aber von Null-Toleranz, wie die Politiker es versprochen hatten, kam nichts ins Haus. Vier junge Handtaschendiebe wurden aufgegriffen, aber sogleich wieder frei gelassen, weil die Staatsanwaltschaft keine freie Zelle in einer Jugendhaftanstalt fand. Justizminister De Clerck sagte der Zeitung, es sei Aufgabe der Französischen Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass es in den geschlossenen Jugendzentren genug Platz gibt.
Gazet Van Antwerpen unterstreicht: Die SP.a, die Open VLD und die MR plädieren für eine wichtigere Rolle der Brüsseler Regionalregierung bei der Bekämpfung der Sicherheitsprobleme in den 19 Brüsseler Gemeinden. Mehr Mitspracherecht der Brüsseler Regierung könnte zu einer Annäherung der Sicherheitspolitik in den verschiedenen Polizeizonen führen. Doch das wird wohl vorläufig noch nicht geschehen, denn dazu müssten die Brüsseler Gemeinden Macht an die Region abtreten und das werden die meisten Frankophonen Politiker nicht schlucken.
Brüssel ist Test für den Kooperationsföderalismus
La Libre Belgique behauptet: Brüssel braucht dringend spezifische Dotationen für die Weiterbildung und die Begleitung der Jugendlichen. Brüssel braucht dringend zusätzliche finanzielle Mittel. Wenn die Flamen das an die Staatsreform koppeln, ist das nicht nur Dummheit, sondern unziviles Verhalten. In Brüssel besteht ein Sicherheitsproblem. Das kann man nicht abstreiten. Doch übertreiben darf man auch nicht. Man braucht angepasste und zweckmäßige Maßnahmen.
Le Soir stellt fest: Jeden Tag und jede Nacht nimmt die Gewalt in den Brüsseler Stadtvierteln zu. Das Alter der jugendlichen Straftäter sinkt und Banden versuchen, die Kontrolle über gewisse Stadtviertel zu ergreifen. Die Polizisten sind mutlos, wenn sie sehen, wie schnell die Täter wieder frei gelassen werden. Premierminister Leterme hat strukturelle Maßnahmen versprochen. Genau das braucht Brüssel. Jetzt muss er Flandern überzeugen, seiner Hauptstadt bedingungslos zu helfen. Das ist die Gelegenheit, um den Kooperationsföderalismus umzusetzen, über den Leterme so gern redet.
Der Finanzminister hat versagt
Het Belang van Limburg weist auf den dramatischen Zustand des Finanzministeriums hin. Das sei eine Folge der politischen Ernennungen und Abrechnungen. Dadurch gingen jährlich 30 Milliarden an Steuereinnahmen verloren. Da Didier Reynders schon mehr als zehn Jahre Finanzminister ist, kann man ihn dafür persönlich verantwortlich machen. Sollte es dem Finanzministerium gelingen, eines Tages die 30 Milliarden einzunehmen, wären die finanziellen Probleme mit einem Schlag gelöst, wir hätten wieder Geld für die Pensionen und man könnte die Einkommenssteuer sogar senken.
Het Laatste Nieuws kritisiert Finanzminister Reynders, der keinen Kommentar über den Zustand des Finanzministeriums geben will. Ihm seien die flämischen Wähler gleichgültig und dank seiner zahlreichen Verbindungen hat er vor niemanden Angst. Jemand, der Parteipräsident, Vize-Premier und Finanzminister ist, muss doch Rechenschaft über seine Taten geben.
Van Rompuys neue Kleider
Diese Woche wird entscheidend für Europa und den neuen Präsidenten Herman Van Rompuy, behauptet De Standaard. Die 27 Staats- und Regierungschefs treffen sich am Donnerstag in Brüssel. Van Rompuy hofft, dass bei dieser Gelegenheit der Grundstein für eine neue sozial-wirtschaftliche Strategie gelegt werden kann. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines gigantischen Fehlschlags. Die Lissabon-Strategie, die vorsah, dass Europa im Jahr 2010 die dynamischste und wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt sein sollte, ist gescheitert. Die EU hat nur eine Absichtserklärung formulieren können. Es ist noch immer nicht deutlich, wie die Macht zwischen Präsident Van Rompuy, der Außenministerin Ashton und dem Kommissionsvorsitzenden Barroso verteilt wird. Wenn Van Rompuy keinen Erfolg verbuchen kann, muss man sich fragen, ob der Kaiser keine Kleider hat.